Ausgefallene Kunststoffwerke, massive Nachfrage aus Asien, Logistikprobleme, Chipmangel: Der Industrie fehlt es an Teilen und Material. Das trifft die Unternehmen, könnte viele Produkte teurer machen und die Erholung nach der Pandemie gefährden.
Fast alle sind betroffen: Süßwarenfabrikanten ebenso wie Möbelbauer, Produzenten von Elektrogeräten, Spielzeug und Plastikschüsseln oder Autobauer. In 45 Prozent der deutschen Industriebetriebe fehlt es an Teilen oder Materialien, wie eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts ergeben hat. Die Folge: Bänder stehen still, die Erholung von der Corona-Krise wird ausgebremst, und so manches Produkt dürfte teurer werden.
«Dieser neue Flaschenhals könnte die Erholung der Industrie gefährden», warnt Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Seit 30 Jahren fragt das Institut alle drei Monate nach Teile- oder Materialienmangel - doch noch nie war der Anteil betroffener Firmen auch nur annähernd so hoch.
Besonders stark leiden die Hersteller von Gummi- und Kunststoffwaren, wo 71,2 Prozent von Problemen berichten. Die Situation sei außergewöhnlich, sagt Michael Weigelt, Mitglied der Geschäftsführung beim Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie. Diesmal betreffe es die komplette Breite der Rohstoffe. Durch die Bank gebe es dadurch deutliche Preissteigerungen, und oft bekämen die Unternehmen weniger Material als sie eigentlich wollten.
Dahinter stecken mehrere Ursachen. So sei die Nachfrage in Asien früh und stark angesprungen, erklärt Weigelt. Zudem seien in Europa und in den USA Werke ausgefallen. Ein zusätzliches Problem: Bei großen Anlagen brauche man oft stabile Außentemperaturen, um sie wieder hochzufahren. Bei den durch den Wintereinbruch in Texas ausgefallenen Anlagen müsse deswegen teilweise auf den Sommer gewartet werden, um sie wieder zu starten. Erst zum Ende des dritten Quartals rechnet Weigelt mit einer Normalisierung.
Ob sich der Mangel auf die Endverbraucher auswirkt, kommt auf die Produkte an. Beispielsweise bei Spielzeug oder reinen Kunststoffprodukten erwartet Weigelt Preisanstiege. Sei nur die Verpackung aus Kunststoff, werde es dagegen wohl keine größeren Auswirkungen geben.
Allerdings warnte am Montag bereits der Bundesverband der Süßwarenindustrie vor einem Mangel an Verpackungsmaterial. Man hoffe aber, dass dies nicht auch zu Lieferengpässen bei Süßwaren führen werde. Auch der Konsumgüterhersteller Henkel bestätigte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Engpässe bei Verpackungsmaterial und schloss Preiserhöhungen nicht aus.
Die Automobilindustrie wird von mehreren Seiten getroffen. Fast zwei Drittel ihrer Betriebe berichten in der Ifo-Umfrage von Problemen. Der Chipmangel ist hier schon länger Thema. Zahlreiche Hersteller hatten deswegen in den vergangenen Wochen bereits die Produktion in einzelnen Werken ausgesetzt oder heruntergefahren.
Doch auch der Mangel an Kunststoffprodukten schlägt in der Autoindustrie durch, und einzelne Stahlwerkstoffe sind derzeit ebenfalls schwerer zu beschaffen, wie es vom Verband der Automobilindustrie heißt. Im ersten Halbjahr werde daher die Autoproduktion in Europa etwas niedriger als geplant ausfallen. Zudem klagt die Kautschukindustrie, zu der unter anderem die Reifenhersteller gehören, ebenfalls über Verfügbarkeitsengpässe auf breiter Front.
Weitere laut Ifo besonders stark betroffene Branchen sind die Hersteller von elektrischer Ausrüstung und Computern - hier dürften sich sowohl der Chipmangel als auch fehlende Kunststoffteile für Gehäuse bemerkbar machen. Und auch Holz ist knapp: Mehr als die Hälfte der Produzenten von Möbeln sowie Holz-, Flecht- und Korbwaren berichtet von Materialmangel.
Zum Mangel an Teilen und Material trägt laut Ifo-Forscher Wohlrabe auch die internationale Logistik bei. Dort sei derzeit «Sand im Getriebe». Unter anderem mangle es an Containern. Auch die Blockade des Suezkanals im März mache sich bemerkbar. Es gibt aber auch Branchen, die kaum betroffen sind: Unter anderem die Hersteller von Getränken, Nahrung und Futtermitteln sowie die Pharmabranche.