Kaum ein Thema bewegt die Finanzmärkte derzeit so stark wie die Inflation. Mit 2,0 Prozent ist die Teuerungsrate in Deutschland aktuell so hoch wie seit zwei Jahren nicht mehr. Steigt sie mit der erwarteten wirtschaftlichen Erholung von der Corona-Krise weiter stark, gerät die Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck, ihre extrem lockere Geldpolitik zu überdenken. Das hat bereits zu steigenden Anleihe-Renditen geführt, was wiederum Investoren dazu verleitet, ihr Geld aus dem riskanteren Aktienmarkt abzuziehen und in Bonds zu stecken. Anleger versuchen daher, frühzeitig Wind davon zu bekommen, wie sich die Teuerungsraten entwickeln. Sie warten nicht nur auf die monatlichen Meldungen des Statistischen Bundesamtes zur Entwicklung der Verbraucherpreise, sondern nehmen folgende Frühindikatoren in den Blick:
ERZEUGERPREISE
Hier wird die Entwicklung der Preise für die im Bergbau, in der Industrie sowie in der Energie- und Wasserwirtschaft in Deutschland erzeugten und hier verkauften Produkte gemessen. Dieser Indikator "stellt damit die Preisveränderungen in einer frühen Phase des Wirtschaftsprozesses dar", betont das Statistische Bundesamt, das die Erzeugerpreise monatlich ermittelt. Steigen die Preise schon ab Fabriktor, dürften früher oder später auch die Verbraucher im Handel stärker zur Kasse gebeten werden. "Besonders interessant ist, ob höhere Kosten für Vorprodukte wie Kunststoffe dazu führen, dass Konsumgüter teurer werden", sagt der Deutschland-Chefvolkswirt von UniCredit, Andreas Rees. Im April legten die Erzeugerpreise mit 5,2 Prozent zum Vorjahresmonat so stark zu wie seit fast zehn Jahren nicht mehr.
GROSSHANDELSPREISE
Der Großhandel ist so etwas wie das Scharnier zwischen Herstellern und Verbrauchern. Drehen Lieferanten und Produzenten an der Preisschraube, sind auch die Großhändler versucht, höhere Kosten an die Kunden weiterzureichen. "Interessant ist hier, dass eine internationale Komponente mit drin ist", sagt Rees. Während die Erzeugerpreise auf inländische Hersteller fokussiert sind, kauft der Großhandel seine Ware zu einem guten Teil im Ausland ein. So lässt sich sehr früh ablesen, ob sich Deutschland eine Inflation importiert. Im April legten die Großhandelspreise um 7,2 Prozent zu - der größte Anstieg seit mehr als zehn Jahren.
ROHSTOFFPREISE
An den Finanzmärkten kann die Entwicklung der Rohstoffpreise in Echtzeit verfolgt werden. Ob Getreide oder Kupfer - an den internationalen Börsen wird fast alles gehandelt. Besonders im Fokus stehen die Rohölpreise, da Energie mit etwa zehn Prozent einen hohen Anteil am Warenkorb hat, den das Statistikamt zur Berechnung der Inflationsrate heranzieht. Hier summiert sich der Preisanstieg seit Jahresbeginn auf etwa 30 Prozent. Ähnlich stark verteuerte sich das für Stromkabel benötigte Kupfer, der Preis stieg zeitweise auf ein Rekordhoch von 10.474,50 Dollar je Tonne. Bauholz verteuerte sich im gleichen Zeitraum um fast 40 Prozent.
Bei Lebensmitteln - ein weiterer wichtiger Posten im Warenkorb - sieht es ähnlich aus. Weizen, Mais, Soja, Kaffee oder Zucker verbuchten in den vergangenen Monaten jeweils zweistellige prozentuale Gewinne und waren teilweise so teuer wie zuletzt vor acht Jahren.
FRACHTKOSTEN
Computer, Masken, Medikamente: Aus keinem anderen Land der Welt bezieht Deutschland mehr Waren als aus China. 2020 summierten sie sich auf einen Wert von 117 Milliarden Euro. Das Problem: Container-Transporte aus China sind in den vergangenen Monaten explodiert, befeuert von leeren Lagern in den Firmen nach der Corona-Rezession und auch vom boomenden Online-Handel. Die Frachtraten auf der wichtigsten Schifffahrtsroute zwischen China und Nordeuropa haben sich teilweise vervierfacht. Die Verschiffung eines 40-Fuß-Containers von China nach Europa kostete teils mehr als 8000 Dollar, nachdem vor einem Jahr noch weniger als 2000 Dollar verlangt wurden. Experten schauen sich daher die Entwicklung der Frachtpreise an, die etwa von Anbietern wie Freigthos ermittelt werden.
Parallel dazu gibt es den Baltic Dry Index, der die Tagesmieten für Schüttgut-Frachtschiffe widerspiegelt. Er hat sich seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt und markierte Anfang Mai ein Elf-Jahres-Hoch bei 3266 Punkten.
EINKAUFSMANAGER
Einen Hinweis auf die Preisentwicklung liefert auch die monatliche Umfrage des Instituts IHS Markit unter Hunderten Einkaufsmanagern aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor in Deutschland. Sie werden gefragt, wie sich ihre Einkaufspreise entwickelt und ob sie ihrerseits ihre Verkaufspreise angehoben haben. Erstgenannte stiegen in der Industrie zuletzt so stark wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr, da sich eine breite Palette an Materialien verteuert hat - unter anderem Chemikalien, Elektronik, Metalle, Verpackungen, Kunststoffe und Holz. Auch die Verkaufspreise zogen deutlich an, da viele Hersteller ihre höheren Kosten teilweise an die Kunden weitergaben.