Die Anleger an den europäischen Börsen haben sich am Donnerstag mit größeren Engagements zurückgehalten. Für Verunsicherung sorgte vor allem der künftige geldpolitische Kurs der US-Notenbank Fed.
"Die Zinswende rückt näher", sagte Analyst Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Das Protokoll der letzten Fed-Sitzung unterstreicht eindrucksvoll, dass die Diskussionen über erste Reduzierungen der Anleihekäufe lauter und lebendiger werden." Damit wachse also die Gruppe derer, die geldpolitisch auf die Bremse treten wolle. Der Dax notierte mit 15.154 Zählern knappe 0,3 Prozent im Plus, der EuroStoxx50 rückte um 0,4 Prozent vor.
Die US-Notenbank unterstützt die von der Corona-Krise getroffene Wirtschaft mit monatlichen Geldspritzen von derzeit 120 Milliarden Dollar. Sie will daran so lange festhalten, bis substanzielle Fortschritte bei der Preisstabilität und am Arbeitsmarkt erreicht sind.
Wie aus der Mitschrift der Zinssitzung vom April hervorgeht, könnte es nach Ansicht der Notenbanker auf einer der nächsten Sitzungen "angemessen" sein, über einen Plan zur Anpassung des Tempos bei den Anleihenkäufen zu sprechen - sofern die Konjunkturerholung rasche Fortschritte mache. Die Anleger dürften also weiter ein wachsames Auge auf die Fed haben, sagten Börsianer. Klar sei aber auch, dass die erste Zinserhöhung wohl noch in weiter Ferne liege.
CYBERDEVISEN AUF ERHOLUNGSKURS
Die Furcht vor einer vorzeitigen Straffung der Geldpolitik hatte den Aktienmärkten zuletzt immer wieder zugesetzt. Am Mittwoch war der deutsche Leitindex 1,8 Prozent in die Tiefe gerauscht. Der Euro notierte am Donnerstag kaum verändert bei 1,2190 Dollar. Die Kurse der richtungsweisenden zehnjährigen Bundesanleihen gaben etwas nach, die Renditen stieg um fast zwei Basispunkte auf minus 0,093 Prozent.
Neben der Geldpolitik standen auch Kryptowährungen nach ihrem jüngsten Kursrutsch im Rampenlicht. Bitcoin gewann auf der Handelsplattform Bitstamp 11 Prozent auf 40.800 Dollar. Der Kurs für Ethereum kletterte um dreizehn Prozent auf 2761 Dollar. "Angesichts einer extrem überverkauften Marktlage und vermeintlich attraktiven Preisniveaus wagen sich nun erste mutige Investoren an den Markt zurück", sagte Analyst Timo Emden von Emden Research.
Die Angst vor einer strengeren Regulierung hatte den Bitcoin-Kurs am Mittwoch um gut 30 Prozent auf ein Vier-Monats-Tief von 30.000 Dollar einbrechen lassen. Die zweitwichtigste Cyber-Devise Ethereum hatte knapp die Hälfte ihres Wertes eingebüßt.
Eine echte Erholungsrally dürfte Strategen zufolge jedoch noch eine Weile auf sich warten lassen. "Das Vertrauen der Investoren ist beschädigt", fasste Marktanalyst Milan Cutkovic vom Handelshaus Axi zusammen.
UMSATZEINBRUCH BELASTET CTS EVENTIM
Unter den Unternehmen ragte im Dax die Deutschen Telekom heraus. Die Aussicht auf stärker steigende Gewinne trieb die Titel in der Spitze knapp zwei Prozent in die Höhe. Das bereinigte Betriebsergebnis (EbitdaAL) solle in den kommenden Jahren um drei bis fünf Prozent zulegen, kündigte der Bonner Konzern an.
Bergab ging es nach einem deutlichen Umsatzeinbruch im ersten Quartal für CTS Eventim. Die im MDax notierten Aktien des Ticketvermittlers rutschten zeitweise um rund sieben Prozent auf 50,34 Euro ab. Sie waren damit so billig wie seit fünf Wochen nicht mehr.
ÜBERNAHMESPEKULATIONEN TREIBEN NORDIC SEMICONDUCTOR
Bei Nordic Semiconductor sorgten Übernahmespekulationen für einen satten Kurssprung. Die Aktien kletterten um knapp 13 Prozent auf ein Rekordhoch von 219,80 Kronen. Laut einem Bericht der italienischen Zeitung MF Milano Finanza hat der italienisch-französische Chiphersteller STMicroelectronics Interesse an dem norwegischen Unternehmen. Nordic-Semiconductor-Finanzchef Paal Elstad sagte auf Reuters-Nachfrage, er habe dazu keine Kenntnis. Die Aktien von STM notieren an der Mailänder Börse knapp im Minus.