Deutschland

Deutsche Wirtschaft im ersten Quartal stärker geschrumpft als erwartet

Das Bruttoinlandsprodukt fiel von Januar bis März wieder deutlich niedriger aus als im Schlussquartal 2020. Doch die Ökonomen lassen sich den Optimismus nicht nehmen.
25.05.2021 10:06
Aktualisiert: 25.05.2021 10:06
Lesezeit: 2 min

Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal inmitten der dritten Corona-Welle etwas stärker geschrumpft als bislang angenommen. Das Bruttoinlandsprodukt fiel von Januar bis März um 1,8 Prozent niedriger aus als im Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Eine Schnellschätzung hatte nur ein Minus von 1,7 Prozent ergeben.

"Nachdem sich die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 zunächst etwas erholt hatte, führte die Corona-Krise zum Jahresbeginn 2021 zu einem erneuten Rückgang der Wirtschaftsleistung", so die Statistiker. Deutschland ist damit vergleichsweise schlecht ins Jahr gestartet: Die Euro-Zone schrumpfte nur um 0,6 Prozent, während die weltgrößte Volkswirtschaft USA auch wegen rascher Impffortschritte um 1,6 Prozent wuchs.

Die erneuten und teilweise verschärften Beschränkungen im Kampf gegen die Pandemie bremsten etwa Einzelhandel, Hotels und Restaurants aus: Der private Konsum brach um 5,4 Prozent ein.

Der Handel mit dem Ausland legte hingegen wegen der Erholung der Weltwirtschaft zu. Die Exporte wuchsen um 1,8 Prozent, die Importe sogar um 3,8 Prozent. Die Unternehmen fuhren ihre Investitionen in Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und Ausrüstungen dennoch um 0,2 Prozent zurück. Der Staatskonsum legte um 0,2 Prozent zu, während die Bauinvestitionen um 1,1 Prozent wuchsen.

Bei schnellen Impffortschritten besteht der Bundesbank zufolge die Aussicht, dass die Eindämmungsmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie in den kommenden Monaten erheblich gelockert werden könnten. Im Sommer könne die Wirtschaft dann stark zulegen und ihr Vorkrisenniveau "bereits im Herbst wieder überschreiten". Die Bundesregierung rechnet erst für das kommende Jahr mit der Rückkehr zum Vorkrisenniveau.

Ökonomen sagten in ersten Reaktionen:

FRITZI KÖHLER-GEIB, KFW-CHEFVOLKSWIRTIN:

"Bereits im laufenden Quartal dürfte das deutsche Bruttoinlandsprodukt wieder um ein bis zwei Prozent wachsen und den Rückgang aus dem Vorquartal weitgehend kompensieren. Im Sommer wird es voraussichtlich zu einem deutlichen Wachstumsschub kommen, im Herbst dürfte die Wirtschaftsleistung dann das Vorkrisenniveau überschreiten. Im Jahresdurchschnitt 2022 rechnet KfW Research mit einem preisbereinigten BIP-Wachstum von 3,5 (bisher: 3,3) Prozent. 2022 dürfte die Wirtschaftsleistung um 4,0 (bisher: 3,5) Prozent zulegen.

Das Licht am Ende des Tunnels der Pandemie wird immer heller und die Schere zwischen dem Verarbeitenden Gewerbe und den kritischen Dienstleistungsbereichen beginnt sich zu schließen. Deutschland und auch die ganze Eurozone starten in die konjunkturelle Aufholjagd: Der Aufschwung ist allerdings kein Selbstläufer, denn im Pandemieverlauf liegen weiterhin bedeutende Risiken. Insbesondere die Verbreitung von impfresistenten Mutationen wäre eine große Bedrohung."

SEBASTIAN DULLIEN, IMK-INSTITUT:

"Schon im laufenden zweiten Quartal zeichnet sich ein starkes Wirtschaftswachstum ab. Die Auftragsbücher insbesondere in der Industrie sind wieder gut gefüllt, und das starke Wachstum der Weltkonjunktur hilft der Exportnation Deutschland. Bereits in den Zahlen für das erste Quartal kann man hier Positives verbuchen: Sowohl die Exporte als auch die Ausrüstungsinvestitionen lagen nur noch knapp unter den Vorjahresniveaus. Mit fortschreitendem Impferfolg dürften zudem in den kommenden beiden Monaten die Kontaktbeschränkungen allmählich weiter gelockert werden. Für das laufende Quartal ist deshalb bereits wieder mit einem Plus beim Privatkonsum und einem spürbaren Zuwachs im Bruttoinlandsprodukt zu rechnen.

In der zweiten Jahreshälfte dürfte sich das Wachstum dann noch kräftiger beschleunigen. Dann werden viele Haushalte die aufgestaute Nachfrage nachholen. Nach unseren Berechnungen haben die deutschen Privathaushalte im vergangenen Jahr rund 100 Milliarden Euro mehr gespart, als das ohne Pandemie der Fall gewesen wäre. Ein Teil davon dürfte dann in zusätzlichen Konsum fließen. Insgesamt gehen wir davon aus, dass das deutsche BIP 2021 im Jahresvergleich um mehr als vier Prozent zulegen wird."

THOMAS GITZEL, VP BANK:

"So bitter die neuerlichen wirtschaftlichen Rückschläge im ersten Quartal waren, es sind vorerst die letzten gewesen. Die stark fallenden Inzidenzwerte und die voranschreitende Immunisierung breiter Bevölkerungsgruppen werden Lockerungen möglich machen. Es zeichnet sich ein entspannter Sommer ab, der die Ladenkassen in den deutschen Innenstädten klingeln lassen wird. Vor allem das Hotel- und Gaststättengewerbe wird sich auf einen Besucheransturm freuen können.

Wermutstropfen bleibt derweil die Materialknappheit. Der akute Halbleitermangel ist zu einer ernstzunehmenden Belastungsprobe für den deutschen Automobilbau geworden – zumindest kurzfristig. Der Materialmangel trifft aber auch die deutsche Bauwirtschaft. So manche Baustelle kommt aufgrund fehlendes Bauholzes nicht mehr voran. Selbst Farben sind mittlerweile zu einem knappen Gut geworden. Die gute Nachricht ist allerdings: Die Nachholeffekte im Dienstleistungssektor werden so kräftig ausfallen, dass aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine unter Materialmangel leidende Industrie verschmerzt werden kann."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Rutte warnt in Berlin: Russland sieht Europa als nächstes Ziel
11.12.2025

Bundeskanzler Merz und Nato-Generalsekretär Rutte haben in Berlin Alarm geschlagen. Russland ziele nicht nur auf die Ukraine, sondern...

DWN
Finanzen
Finanzen Münchener Rück-Aktie: Neue Strategie setzt deutliche Gewinneffekte frei
11.12.2025

Die Münchener Rück-Aktie gewinnt an Tempo – und das aus gutem Grund. Die neue Strategie Ambition 2030 verspricht höhere Gewinne,...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putin und Trump spielen im selben Team gegen Europa
11.12.2025

Putin und Trump sprechen plötzlich dieselbe Sprache. Europas Zukunft steht auf dem Spiel, während Washington und Moskau ein gemeinsames...

DWN
Technologie
Technologie Halbleiter-Förderung: Dresden und Erfurt erhalten grünes Licht
11.12.2025

Europa hängt bei Chips weiter an Asien – nun greift die EU zu einem Milliardenhebel. Deutschland darf zwei neue Werke in Dresden und...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB erhöht Druck: Vereinfachte Regeln für Europas Banken
11.12.2025

Die EZB drängt auf einfachere EU-Bankenvorschriften und will kleinere Institute entlasten. Doch wie weit darf eine Reform gehen, ohne...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Institut korrigiert Wirtschaftsprognose: Deutschlands Aufschwung bleibt schwach
11.12.2025

Die neue Wirtschaftsprognose des Ifo-Instituts dämpft Hoffnungen auf einen kräftigen Aufschwung. Trotz Milliardeninvestitionen und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klimarisiken: Unternehmen gefährden ihre Umsätze durch schwaches Risikomanagement
11.12.2025

Unternehmen geraten weltweit unter Druck, ihre Klimarisiken präziser zu bewerten und belastbare Strategien für den Übergang in eine...

DWN
Politik
Politik Trump warnt die Ukraine und verspottet Europa. „Am Ende gewinnt der Stärkere“
11.12.2025

US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf die Ukraine und attackiert gleichzeitig europäische Staatschefs. Seine Aussagen im...