Panorama

Private Anbieter und Sicherheits-Apps machen der Polizei Konkurrenz

Lesezeit: 2 min
26.06.2021 14:37
Wenn die Unzufriedenheit mit der Polizei wächst, springen private Anbieter von Sicherheitsdiensten in die Bresche. Wie weit das gehen kann, zeigen Beispiele aus den USA und Großbritannien.
Private Anbieter und Sicherheits-Apps machen der Polizei Konkurrenz
Für alle sichtbares Polizeiversagen: Plünderung im Juni 2020 in New York. (Foto: dpa)
Foto: Miguel Juarez Lugo

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die App Citizen, die ihren Nutzern mehr Sicherheit und Schutz vor Kriminalität verspricht, hat Ambitionen und will ihr Angebot deutlich ausbauen. Interne Dokumenten und Insidern zufolge will Citizen künftig private Sicherheitskräfte an den Ort möglicher Gefahren oder Verbrechen aussenden, wenn ihre Nutzer die um Hilfe rufen.

Derzeit ist Citizen lediglich eine App, wo Nutzer Vorfälle melden können. Basierend auf diesen Berichten und auf Informationen aus Polizei-Notrufen warnt die App ihre Benutzer in Echtzeit vor Verbrechen und anderen Vorfälle in ihrer Nähe. Es handelt sich also bisher im Wesentlichen um eine Karten-App, wo Benutzer Vorfälle in ihrer Nachbarschaft melden können und entsprechend gewarnt werden.

Darüber hinaus bietet Citizen für 20 Dollar pro Monat einen Dienst namens Protect an, der den Standort des Benutzers in Echtzeit an einen Citizen-Mitarbeiter übermittelt und es dem Benutzer ermöglicht, mit einem Codewort einen Videostream zu aktivieren, der an diesen Mitarbeiter gesendet wird, und der es Citizen ermöglicht, offizielle Notdienste über den genauen Standort des Benutzers zu informieren.

Die geplante Einführung privater Sicherheitskräfte würde weiter darüber hinausgehen, und offenbar hat das Unternehmen dies bereits getestet. Laut einem Bericht von Vice wurde in Los Angeles eine Art Polizeifahrzeug mit dem Logo von Citizen gesichtet. Zudem hat Citizen kürzlich ein Kopfgeld in Höhe von 30.000 Dollar auf eine Person ausgesetzt hat, die fälschlicherweise beschuldigt wurde, einen Brand gelegt zu haben.

Laut einem ehemaligen Mitarbeiter des Unternehmens plant das Unternehmen ein privates Notfallnetzwerk, das die Nutzer in Notfällen mit privaten Sicherheitskräften unterstützen soll. Ein privates Sicherheitsunternehmen, das mit Citizen zusammenarbeitet, soll die Einsatzkräfte dafür bereitstellen. Eines dieser Unternehmen ist den E-Mails zufolge der bekannte private Sicherheitsdienstleister Securitas.

Ein anderer Kooperationspartner von Citizen ist Los Angeles Professional Security (LAPS). Nach eigenen Angaben bietet LAPS den schnellen Einsatz von Sicherheitskräfte, Patrouillen, Videoüberwachung, Urlaubsüberwachung und eine Sturzerkennung für "ältere oder anderweitig behinderte Menschen, die allein leben", wobei die entsprechende Funktion der Apple Watch zum Einsatz kommt.

Die geplante Sicherheits-App von Citizen bietet die Möglichkeit, Sicherheitsdienste auf Abruf zu erhalten. Die App soll es den Nutzern ermöglichen, zusätzlichen Schutz zu erhalten. Ein gutes Beispiel, das Citizen in seinem Pilotprogramm getestet hat, ist die schnelle Bereitstellung einer Eskorte auf Anfrage, wie er etwa auf Universitätsgeländen bereits angeboten wird.

Tatsächlich ist diese Art von Service nicht neu. Das Londoner Unternehmen My Local Bobby bietet seit einigen Jahren einen Abo-Dienst an, bei dem man einen direkten Draht zu einem "Bobby" - erhält, der sich um die Sicherheit der ihm zugewiesenen Abonnementen kümmert. Patrouillen- und Begleitservice sind in das Abonnement mit eingeschlossen.

Polizeiarbeit gilt in der heutigen westlichen Welt als eine staatliche Aufgabe. Doch gerade auch in den USA hat die Unzufriedenheit der Bürger mit der Polizei zuletzt stark zugenommen. Denn einerseits haben sich zahlreiche Fälle von unverhältnismäßiger Polizeigewalt über das Internet verbreitet und andererseits hat die Polizei während der Rassismus-Unruhen im letzten Jahr vielerorts Plünderungen im großen Stil zugelassen.

Daher könnte das Interesse an privaten Alternativen zur Polizei wachsen, glaubt der Ökonom Tate Fegley. Er schreibt: "Eine App, die es den Menschen erlaubt, Sicherheit auf einem Spotmarkt zu mieten, wenn sie sie brauchen, hat das Potenzial, die Kosten für Sicherheit in bestimmten Bereichen zu senken, so wie das Ride-Sharing die Kosten für das Autofahren in bestimmten Bereichen gesenkt hat."

Dem Ökonomen zufolge ist vielleicht eines der besten Argumente für private Polizeialternativen, dass "Serviceanbieter tatsächlich das anbieten müssen, wofür die Verbraucher bereit sind zu zahlen". Zudem sei es weitaus effektiver, eine private Polizei mit der Drohung zu kontrollieren, ihr das Geld zu entziehen, als alle derzeitigen Bemühungen, die staatliche Polizei für Fehler und Fehlverhalten zur Verantwortung zu ziehen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...