Politik

Impf-Kommission kritisiert Forderungen nach Impfung von Kindern scharf

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission zieht in der Debatte um mögliche Impfungen von Kindern die Notbremse. Unterstützung erhält er von der WHO.
28.06.2021 11:02
Aktualisiert: 28.06.2021 11:02
Lesezeit: 2 min

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hat die politische Debatte um eine Massenimpfung von Kindern und Jugendlichen vor dem neuen Schuljahr kritisiert. Grundsätzlich sei bedauerlich, dass dies zu einem politischen Thema geworden sei, noch bevor es eine Zulassung für einen Impfstoff gegeben habe, sagte Mertens am Samstag auf dem Online-Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin. „Von diesen ganzen Aussagen war ja praktisch nichts wirklich evidenzbasiert, muss man fairerweise sagen. Und leider Gottes ist in dieser Phase die entscheidende Problematik, nämlich brauchen Kinder und Jugendliche diese Impfung überhaupt, nicht angesprochen worden.“

Infektionen bei dieser Altersgruppe verliefen bekanntlich sehr häufig asymptomatisch oder mild. Mertens sagte, es habe insgesamt 1849 Fälle gegeben, bei denen es Einweisungen ins Krankenhaus gegeben habe. Dies sei ein Prozent der schon geringen Zahl gemeldeter Fälle. Zum Teil seien Kinder auch wegen Blinddarmentzündungen ins Krankenhaus gekommen und dann positiv getestet worden. Von den Hospitalisierungen sei dann ein Prozent intensivmedizinisch behandelt worden.

Die Schwere der Krankheitsverläufe steige aber in der Gruppe der über 60-jährigen stark an. „Wenn man damals, wie ursprünglich geplant, fünf Millionen Impfstoffdosen für Kinder beiseite gelegt hätte, dann wären das ja fünf Millionen Impfstoffdosen gewesen, die für die Impfung der Eltern gefehlt hätten“, so Mertens. „Also ich kann nur noch mal sagen: Vieles von dem, was da auf der politischen Bühne vor der Zulassung schon diskutiert ist, hält eigentlich einer kritischen Betrachtung nicht stand.“

Die Stiko hatte keine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren ausgesprochen. Sie empfiehlt Impfungen gegen das Coronavirus nur für 12- bis 17-Jährige mit bestimmten Vorerkrankungen. Laut Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung der Bundesrepublik Deutschland betrifft das etwa elf Prozent der Heranwachsenden dieser Altersgruppe - insgesamt rund eine halbe Million Kinder und Jugendliche

WHO lehnt Impfung von Kindern ab

Unterstützung erhält Mertens von der Weltgesundheitsorganisation. Diese schreibt auf ihrer Homepage:

„Kinder und Heranwachsende haben meist mildere Krankheitsverläufe als Erwachsene, deswegen ist es weniger dringend sie zu impfen als ältere Menschen, Angestellte im Gesundheitswesen oder chronisch Kranke - es sei denn sie sind Teil einer vorerkrankten Risikogruppe.

Es bedarf noch mehr Beweisen hinsichtlich der Verabreichung verschiedener Covid19-Impfstoffe bei Kindern, bevor generelle Empfehlungen hinsichtlich der Impfung von Kindern ausgesprochen werden können.

Kinder sollten im Moment nicht geimpft werden.“

Text wurde geändert

Interessant ist, dass der letzte Satz „Kinder sollten im Moment nicht geimpft werden“ inzwischen von der Homepage verschwunden ist. Stattdessen ist folgender Absatz eingeschoben worden: „Die Strategic Advisory Group of Experts der WHO hat beschlossen, dass der Impfstoff von Pfizer/BionTech für Kinder und Jugendliche über 12 Jahren geeignet ist. Kinder im Alter von 12 bis 15 Jahren, die einem hohen Risiko ausgesetzt sind, könnte der Impfstoff zusammen mit anderen Vorranggruppen verabreicht werden.“

Unklar ist, warum die WHO faktisch eine Empfehlung für den Impfstoff von Pfizer/BionTech ausspricht. Es könnte daran liegen, dass der US-Milliardär Bill Gates sowhl der wichtigste Geldgeber der WHO als auch Großaktionär von BionTech/Pfizer ist.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Neuer Wehrdienst: So soll das Modell ab 2026 greifen
05.12.2025

Ab 1. Januar soll der neue Wehrdienst starten: mit Pflicht-Musterung, frischer Wehrerfassung und ehrgeizigen Truppenzielen. Die Regierung...

DWN
Finanzen
Finanzen Tesla-Aktie im Fokus: Teslas Model 3 Standard startet in Deutschland – Experten hinterfragen Musks Einfluss
05.12.2025

Tesla bringt das Model 3 als neue Standard-Version nach Deutschland und senkt den Einstiegspreis deutlich. Weniger Komfort soll mehr...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone: Wirtschaft in der Währungsunion überrascht mit stärkerem Quartal
05.12.2025

Die Eurozone-Wirtschaft hat im Sommer mehr Dynamik gezeigt als gedacht. Neue Daten von Eurostat korrigieren das Wachstum nach oben, doch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen CSRD-Berichtspflicht: EU bremst, der Druck auf Unternehmen wächst – was nun zu tun ist
05.12.2025

Die EU zieht die Reißleine: Statt 2025 gilt die CSRD-Berichtspflicht nun zwei Jahre später. Doch während Brüssel bremst, wächst in den...

DWN
Politik
Politik Radikaler Bruch in der EU-Energiepolitik: Europa kappt endgültig die russischen Gasadern
05.12.2025

Die EU hat eine historische Entscheidung getroffen. Spätestens 2027 soll russisches Gas vollständig aus Europa verschwinden. Der...

DWN
Politik
Politik NATO-Kommandostruktur wird an Bedrohungslage angepasst
05.12.2025

Die NATO ordnet ihre Führung im Norden neu: Zuständigkeiten wandern über den Atlantik. Hinter der Anpassung der NATO-Kommandostruktur...

DWN
Technologie
Technologie Cloudflare-Störung: Netzwerk für Cyberabwehr verursacht Probleme bei Unternehmen
05.12.2025

Eine weltweite Cloudflare-Störung hat am Freitag zahlreiche Webseiten und Apps aus dem Tritt gebracht. Fehlermeldungen, leere Seiten und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Niedriglohn in Deutschland: 6,3 Millionen Menschen von Niedriglohnarbeit betroffen
05.12.2025

Millionen Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor. Neue Zahlen zeigen, wo Niedriglohnarbeit besonders konzentriert ist – und warum der...