Finanzen

EZB-Direktor Panetta fordert massive Kriseninterventionen auch nach der Pandemie

Der EZB-Direktor Fabio Panetta spricht sich für eine Verstärkung der Interventionen der Zentralbank auf dem Markt für Staatsanleihen aus. Das Corona-Krisenprogramm PEPP solle zum Leitfaden für die Zukunft werden.
28.06.2021 13:00
Aktualisiert: 28.06.2021 13:48
Lesezeit: 2 min

EZB-Direktor Fabio Panetta spricht sich dafür aus, wesentliche Elemente der geldpolitischen Krisenpolitik auch nach Überwindung der Pandemie beizubehalten. „Wir sollten danach streben, die unkonventionelle Flexibilität zu bewahren, die uns während der Pandemie gute Dienste geleistet hat“, sagte Panetta am Montag auf einer Konferenz der Zentralbanken des Mittelmeerraums laut Redetext. Er hat insbesondere das auf 1,85 Billionen Euro angelegte Anleihen-Kaufprogramm PEPP im Blick. Das Krisen-Programm ist so gestaltet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Kaufvolumina gezielt auf bestimmte Märkte konzentrieren und damit einzelnen Staaten besonders unter die Arme greifen kann.

Bei PEPP geht es darum, dass die EZB in großem Umfang Staatsanleihen von Euro-Ländern am Markt aufkauft, um die Renditen der Papiere zu drücken. Dies erleichtert die Rückzahlungskonditionen für die hoch verschuldeten Staaten. Zudem kann die Zentralbank wie bereits angesprochen die Käufe bestimmter Staatsanleihen hochfahren, um besonders in Schieflage geratene Länder zu unterstützen. Beim bereits seit dem Jahr 2015 laufenden Anleihe-Kaufprogramm APP geht dies nicht, hier müssen die Papiere aller Euroländer gleich berücksichtigt werden. Zudem wird im Anleihe-Zuge von der EZB aus dem Nichts geschaffene Liquidität in Billionenhöhe ins Bankensystem geschleust.

Das PEPP soll noch bis mindestens Ende März 2022 laufen und in jedem Fall so lange, bis die Krisenphase vorüber ist. Mehr als eine Milliarde Euro des Kaufrahmens wurden bereits genutzt. Das PEPP-Programm habe die Vorteile flexibler geldpolitischer Schritte gezeigt, wenn unterschiedliche Finanzierungsbedingungen in einzelnen Ländern zum Hindernis werden für die EZB, sagte Panetta. Auf der jüngsten Zinssitzung hatten die Währungshüter beschlossen, dass die Käufe auch im nächsten Quartal deutlich umfangreicher ausfallen sollen als zum Jahresstart. Damit wollen sie dafür sorgen, dass die Finanzierungsbedingungen für Firmen, Staaten und Privathaushalte weiterhin günstig bleiben.

Schnabel gegen Panetta

Panettas Bemerkungen widersprechen Überlegungen seiner deutschen Direktoriumskollegin Isabel Schnabel. Denn sie sieht es kritisch, die im PEPP-Programm angelegte Flexibilität auch in andere EZB-Kaufprogramme einzubauen - diese also direkt auf die Bedürfnisse einzelner Euro-Länder auszurichten. „Wir können nicht einfach die volle Flexibilität des PEPP auf andere Programme übertragen“, hatte sie vergangene Woche angemerkt. Einige EZB-Direktoren hatten argumentiert, es könnten Gestaltungselemente des PEPP in das ältere Kaufprogramm APP aufgenommen werden.

Panetta und Schnabel sitzen beide im sechsköpfigen Führungsgremium der Notenbank. Panetta ist dort unter anderem für internationale und europäische Beziehungen zuständig, Schnabel für die konkrete Umsetzung der Geldpolitik. Ähnlich kritisch wie Schnabel hatte sich unlängst auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann geäußert. Das PEPP sei auf eine Ausnahmesituation zugeschnitten, die besondere Flexibilität erfordere und rechtfertige. „Wenn diese Ausnahmesituation vorbei ist, dann ist eine solch hohe Flexibilität nicht mehr angemessen“, hatte er im Interview dem Handelsblatt gesagt. Aus Weidmanns Sicht ist der Notfall beendet, wenn wesentliche Eindämmungsschritte gegen die Pandemie auslaufen und sich die Erholung der Wirtschaft gefestigt hat.

Panetta ist Italiener. Das Land ist besonders stark von der Corona-Krise betroffen. Zudem ächzt es seit langem unter einer im europäischen Vergleich besonders hohen Staatsverschuldung. Der italienische Ministerpräsident und frühere EZB-Chef Mario Draghi hat bereits mehrfach betont, dass nach der Corona-Krise eine Rückkehr zum EU-Stabilitätspakt in der bisherigen Form nicht infrage komme.

Letztendlich zeigen die Bemühungen Panettas, die extreme Hilfspolitik der EZB noch weiter auszubauen, ein systemisches Problem auf. Die im Euroraum zusammengefassten Staaten sind hoch verschuldet und verfolgen mit Blick auf ihre Staatsfinanzen eigene Interessen, welche der Stabilität des gesamten Systems zuwiderlaufen können. Ein Ende der Pandemie wird deshalb nichts daran ändern, dass das weltweite - auf Fiat-Schuldgeld aufgebaute - Finanzsystem als solches weiterhin extrem fragil ist und wie in den vergangenen 12 Jahren auch in Zukunft auf eine kontinuierliche geldpolitische Unterstützung angewiesen sein wird, um nicht zu kollabieren.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Umfrage: Deutsche gegen militärische Führungsrolle in Europa
25.11.2025

Rente, Bürgergeld, Wehrdienst – bei solchen Themen ist die Stimmung der Bürger gut erforscht. Für die Außenpolitik gilt das hingegen...

DWN
Politik
Politik Lawrow zu Europa: "Ihr hattet eure Chancen, Leute"
25.11.2025

Haben sich die Ukraine und die USA geeinigt? Europa jedenfalls habe seine Chance verspielt, den Ukrainekonflikt politisch zu entschärfen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Biotech-Unternehmen wandern aus: Europa verliert 13 Mrd. Euro an die USA
25.11.2025

Europas Biotech-Branche steht an einem Wendepunkt, weil zentrale Finanzierungsquellen immer seltener im eigenen Markt zu finden sind....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
25.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Experten warnen vor wachsenden Risiken am Markt
25.11.2025

Die Finanzmärkte stehen unter spürbarer Spannung, während Anleger die Dynamik rund um künstliche Intelligenz bewerten. Doch weist die...

DWN
Finanzen
Finanzen Doppelbesteuerung Rente: Ob Sie betroffen sind und was Sie tun können!
25.11.2025

In Deutschland müssen auch Rentner ihre Rente versteuern, weil Renten als Einkünfte gewertet werden, obwohl Arbeitnehmer bereits im...

DWN
Politik
Politik Georgiens Krise: Welche Machtverschiebung Europa jetzt alarmieren sollte
25.11.2025

Ein Land am Schwarzen Meer verliert seine demokratischen Sicherungen, während die Regierung Kritiker verfolgt und neue Allianzen mit...

DWN
Politik
Politik Insa-Umfrage aktuell: AfD bleibt in Sonntagsfrage vor Union
25.11.2025

Die aktuelle Insa-Umfrage zeigt eine AfD auf Rekordkurs - und eine Union, die langsam näher rückt. Gleichzeitig bröckelt das Tabu-Image...