Finanzen

EZB bereitet Gründung einer gesamteuropäischen Bad Bank vor

Lesezeit: 4 min
09.04.2021 15:51  Aktualisiert: 09.04.2021 15:51
Medienberichten zufolge soll die EZB an der Gründung einer gesamteuropäischen Sammelstelle für faule Kredite arbeiten.
EZB bereitet Gründung einer gesamteuropäischen Bad Bank vor
Die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde. (Foto: dpa)

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Die Europäische Zentralbank arbeitet verschiedenen Medienberichten zufolge an der Gründung einer Sammelstelle zur Lagerung und Verwertung ausfallgefährdeter Kredite, die faule Papiere aus den Bilanzen der Eurozonen-Banken aufnehmen soll.

Wie die Deutsche Welle bereits im Juni vergangenen Jahres unter Berufung auf namentlich nicht genannte Insider berichtete, soll zu diesem Zweck eine Projektgruppe eingesetzt worden sein. Den Insidern zufolge bestehe in Bankenkreisen die Sorge, dass sich das Volumen ausfallgefährdeter Kredite in den Bilanzen der Geldinstitute – das sich seinerzeit auf rund 500 Milliarden Euro belief– als Folge der Lockdown-Politik der Regierungen auf über eine Billion Euro bis zum Jahr 2022 ausweiten werde.

Die Deutsche Welle berichtet: „Wie weitere Gewährsleute mitteilen, könnte in einem der durchgespielten Szenarien der Euro-Rettungsfonds ESM als Absicherung für eine solche Bad Bank fungieren. Die Idee dahinter: Die Bad Bank würde Anleihen ausgeben und im Gegenzug Bündel von ausfallgefährdeten Krediten der Geschäftsbanken einsammeln, womit der Schock für die Kreditbranche abgemildert werden könnte. Die Banken könnten dann diese Anleihen wiederum als Sicherheit nutzen, um sich bei der EZB mit frischem Geld einzudecken.“

Der ESM als Garantiegeber einer europäischen Bad Bank?

Wer aber die Entwicklung des ESM kennt, weiß, dass dieser aus Mitteln der Eurostaaten, also aus Steuergeldern gespeißt wird. Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sich im März 2011 auf die Gründung des European Stability Mechanism geeinigt. Erstmals sollten die Eurostaaten nicht nur Garantien geben, sondern Kapital einzahlen - insgesamt 80 Milliarden Euro, davon Deutschland 22 Milliarden. Weitere 624 Milliarden Euro sagten die Mitgliedsstaaten dem ESM auf Abruf zu. Eine Verfassungsklage in Karlsruhe gegen den Milliardentopf und die Vergemeinschaftung von Risiken hielt das Projekt nicht auf.

Im Oktober 2012 ging der Stabilitätsmechanismus an den Start mit dem klaren Auftrag: Kredite gegen Reformen. Wenig später begannen Hilfen für Spanien und Zypern. Die große Bewährungsprobe aber war der Nervenkrieg um Griechenland, für das 2015 ein ESM-Programm mit 86 Milliarden Euro aufgelegt wurde. Nach jahrelangem Streit um Hilfen und Sparprogramme schaffte es das Land 2018, die Rettungsschirme zu verlassen. Insgesamt waren aus den drei Programmen 289 Milliarden Euro an Krediten geflossen.

Mangels Nachfrage verschwinden wird der ESM jedenfalls nicht. Eine im Dezember vereinbarte Reform gibt ihm neue Aufgaben, vor allem als Rückversicherung für den europäischen Abwicklungsfonds für Pleitebanken.

Ökonom: „Statt die Banken zu unterstützen, sollten den Schuldnern aus der Realwirtschaft geholfen werden“

Der Ökonom Achim Dübel von der Beratung Finpolconsult kritisiert die Stoßrichtung der derzeit propagierten Bad Bank-Idee:

„Die bisherigen Planungen der EZB zur Einrichtung einer regionalen Bad Bank bzw. eines derartigen Netzwerks für die Eurozone verheißen angesichts der desaströsen Erfahrungen etwa in Spanien und Griechenland mit hoch zweistelligen Milliardenverlusten solcher Einheiten nichts Gutes für die Steuerzahler.

Gegen eine Auslagerung des Managements schlechter Kredite in Asset Management Companies ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber die Stoßrichtung geht in Richtung Ankauf der dubiosen Forderungen von den Banken mit Hilfe von Kapital des Steuerzahlers, um das Eigenkapital der Banken zu schonen und neue Risikonahme zu ermöglichen. Das heißt, es geht um ein staatliches Konjunkturprogramm ohne die Möglichkeit einer Rückholung von Verlusten für den Steuerzahler von den Bankinvestoren in besseren Zeiten.

Man muss sich natürlich darüber unterhalten, dass der Staat diese Bankenkrise selbst durch überzogene Corona-Maßnahmen verursacht hat und deshalb auch für die Schäden bei den Bankinvestoren aufkommen sollte. Man vergleiche etwa die Wirtschaftsentwicklung von Lockdown- und Nicht-Lockdown-Staaten in den USA.

Aber die staatliche Stützung sollte auf der Schuldner- und nicht auf der Bankenebene wirken. Das bedeutet systematische Kapitalzufuhr an mittelständische Unternehmen und Selbständige, offenbar bei Großunternehmen – Beispiel Lufthansa oder TUI – kein Problem. Die Möglichkeiten dafür bestehen im Bereich von Finanzbehörden und Entwicklungsbanken.

Natürlich ist dabei auf europäischer Ebene zu beachten, dass die Fiskalkapazitäten vor allem in den Krisenländern der Peripherie begrenzt sind. Diese sind besonders stark von der faktischen Einstellung des Tourismus betroffen. Entsprechende staatliche Hilfen sollten deshalb ein Fokus der bereits beschlossenen EU-Wiederaufbauhilfen sein. Es wäre sinnvoller, diese notfalls aufzustocken, als einen europäischen Ausgleichsmechanismus für Bankenverluste zu schaffen, nachdem die betroffenen Unternehmen und Existenzen ruiniert sind. Damit würde auch ein Anreiz gegeben, eine rationalere Coronamaßnahmen-Politik als bisher zu verfolgen.“

Das Beispiel SAREB in Spanien stimmt nachdenklich

Andrea Enria, der Vorsitzende des einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus der EZB, soll Sympathien für die Gründung einer gesamteuropäischen Bad Bank hegen. Er begründet seinen Optimismus mit den nach der Finanzkrise von 2008 in Irland und Spanien gegründeten Bad Banks, bei denen die Pläne aufgegangen seien und die in den meisten Fällen „Gewinne erwirtschaften“ würden, so Enria.

Doch wer haftet dann letztendlich für die im Besitz der Bad Bank befindlichen Papiere? Schenkt man dem Portal Telepolis Glauben, dürften die Steuerzahler der Eurozone früher oder später die anfallenden Abschreibungen bei der Bad Bank übernehmen. Als Beispiel verweist Telepolis auf das Beispiel der spanischen Sammelstelle SAREB.

„Dass der spanische Steuerzahler gerade wegen der Sareb weitere 35 Milliarden Euro an Staatsschulden übernehmen musste, lässt schon sehr am "Erfolg" zweifeln. Damit hat die Schuldenquote des hoch verschuldeten Landes nun sogar die bedenkliche Marke von 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung überschritten. (…) Die spanische Bad Bank Sareb ist real nur erfolgreich dabei, Steuergelder zu verschleudern und die Schulden von Banken auf die Steuerzahler abzuwälzen. Eigentlich sollte diese Bad Bank "Wertpapiere", die aus abstürzenden Banken zu deren Rettung ausgelagert wurden, zu Geld machen.

Doch das Gegenteil ist seit neun Jahren der Fall. Die Sareb schreibt Jahr für Jahr neue Verluste. Im vergangenen Jahr wurde mit einem Verlust von knapp 1,1 Milliarden Euro wieder ein neuer Rekord aufgestellt. Der fiel sogar 13,3 Prozent höher aus als im Vorjahr.“

Im Falle der irischen Bad Bank NAMA (National Asset Management Agency) scheint sich die Lage anders darzustellen. Trotz einer milliardenschweren Klage im Zuge des Verkaufs eines nordirischen Immobilienportfolios machte die Bad Bank bislang gute Geschäfte. Wie The Journal berichtet, soll die im Dezember 2009 gegründete Sammelstelle seit 2011 in jedem Jahr Gewinne erwirtschaftet haben. Vergangenes Jahr wurden dem irischen Finanzministerium 2 Milliarden Euro zurücküberwiesen. Insgesamt sollen die Rückflüsse bis zur geplanten Abwicklung der Bad Bank 4 Milliarden Euro betragen.


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