Am Mittwoch hat die Federal Reserve im Rahmen von sogenannten Reverse-Repo-Geschäften US-Staatsanleihen im Umfang von 992 Milliarden Dollar an 74 Marktteilnehmer verkauft. Die US-Notenbank nutzt die "Reverse Repos", um dem Markt Liquidität zu entziehen. Das heißt, sie verkauft vorübergehend riesige Mengen Staatsanleihen.
Diese vorübergehenden Anleihekäufe im Umfang von 992 Milliarden Dollar waren mit Abstand die größten jemals von der Fed getätigten Reverse-Repo-Geschäfte. In unserem letzten Bericht zum Thema am 10. Juni hatten wir bereits erwartet, dass der Umfang der Reverse-Repo-Geschäfte zum Quartalsende am 30. Juni massiv ansteigen könnte, was nun eingetreten ist.
Ein ähnliches Phänomen am Repo-Markt wie in den letzten Wochen, wenn auch in kleinerem Maßstab, trat bereits in den Jahren ab 2014 auf, als das US-Finanzsystem nach Jahren starker Wertpapierkäufe (QE) mit Bargeld überschwemmt war. Zum Ende des Quartals schnellten die Reverse-Repo-Salden in die Höhe. Das Phänomen ging zurück, als die Fed von Ende 2017 bis 2019 begann, ihre Vermögenswerte abzubauen.
Doch in der aktuellen Krise sind die Reverse-Repo-Salden nicht erst zum Ende, sondern schon in der Mitte des Quartals stark und zudem auf neue Rekordhöhen angestiegen, die weit über den Ständen der Vergangenheit liegen. Zum Quartalsende am 30. Juni sind die Anleiheverkäufe der Federal Reserve nun auf ein extremes Rekordhoch angestiegen, wie die folgende Grafik veranschaulicht.
Die Reverse-Repo-Geschäfte haben den gegenteiligen Effekt des parallel dazu weiter laufenden Anleihekaufprogramms (QE), in dessen Rahmen die Fed Staatsanleihen kauft und auf diese Weise monatlich 120 Milliarden Dollar in den Markt pumpt. Mit den Reverse-Repo-Geschäften hingegen zieht die Fed Liquidität aus dem Geldmarkt. Die Menge vom Mittwoch entspricht rund acht Monaten QE.
Warum ein so großer Umfang zum Quartalsende?
Schon als die Fed in den Jahren 2014 bis 2017 mittel Reverse-Repo-Geschäften Geld aus dem Finanzsystem abziehen musste, bauten die Banken aus regulatorischen Gründen am Ende des Quartals über diese Reverse Repos Bargeld ab und nahmen stattdessen für einen Tag Staatsanleihen in ihre Bilanzen auf. Doch das Problem löste sich auf, nachdem die US-Notenbank im Jahr 2018 eine straffere Geldpolitik einschlug.
Zum Quartalsende am 30. Juni erreichten die Reverse-Repo-Geschäfte nun fast die Marke von 1 Billion Dollar. "Dies ist ein weiteres Zeichen dafür, dass das Finanzsystem unter der riesigen Menge an Geld ächzt, die aus dem massiven QE-Programm der Fed resultiert, und dieses Bargeld Schwierigkeiten hat, einen Platz zu finden, an den es gehen kann", kommentiert der Analyst Wolf Richter.
Der Anstieg der Reverse-Repo-Geschäfte zum Vortag um 151 Milliarden Dollar auf nunmehr 992 Milliarden Dollar ist nach Ansicht von Richter wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Banken "Geld abwerfen". Es sei aber wahrscheinlich, dass der Gesamtsaldo der Reverse-Repo-Geschäfte in den folgenden Tagen wieder von seinem Rekordhoch nach unten sinkt.
Die New York Fed, welche die Übernacht-Reverse-Repo-Geschäfte abwickelt, legt täglich den Gesamtsaldo offen. Aber sie gibt nicht bekannt, mit welchen Gegenparteien sie diese Geschäfte abgeschlossen hat. Die Liste der zugelassenen Gegenparteien umfasst große Banken und Broker-Dealer, staatlich geförderte Unternehmen wie Fannie Mae und Freddie Mac sowie große Vermögensverwalter mit Geldmarktfonds.
Die tatsächlichen Beträge nach Kontrahenten werden nur für das Ende eines jeden Monats offengelegt. Die letzte Meldung erfolgte für Ende Mai, als die Federal Reserve immerhin schon 479 Milliarden Dollar an Übernacht-Reverse-Repos in ihrer Bilanz hatte. Davon entfielen rund 80 Prozent (384 Milliarden Dollar) auf nur fünf Finanzinstitute:
- Fidelity - 195 Milliarden Dollar
- Goldman Sachs - 60 Milliarden Dollar
- Morgan Stanley - 44 Milliarden Dollar
- JP Morgan - 43 Milliarden Dollar
- BlackRock - 42 Milliarden Dollar
Jedes dieser fünf Finanzinstitute hat zahlreiche Geldmarktfonds, von denen jeder eine separate Gegenpartei im Rahmen von Reverse-Repo-Transaktionen ist. So hat allein der Vermögensverwalter Fidelity mit Sitz in Boston elf verschiedene Geldmarktfonds, die bei der US-Notenbank als Gegenparteien für Reverse-Repo-Geschäfte zugelassen sind.
Mitte Juni hat die Federal Reserve den Zinssatz für Reverse-Repo-Geschäfte von 0 auf 0,05 Prozent jährlich angehoben. Daher verdienen die beteiligten Finanzinstitute nun einen geringen Zins auf ihre überschüssigen Bargeldbestände. Allerdings ist dieser Zins risikofrei, da sie das Geld nur vorübergehend im Austausch gegen Staatanleihen an die Fed abgeben müssen.
Der Liquiditätsdruck ist eine Folge des anhaltenden massiven Gelddruckens durch die Fed. Eine echte Lösung des Problems würde offensichtlich darin bestehen, dass die Fed ihre Wertpapierkäufe (QE) beendet und dann möglicherweise sogar damit beginnt, Wertpapiere wieder zu verkaufen und auf diese Weise ihre Bilanz wieder zu verkürzen. Doch ein solch radikaler Schritt ist derzeit nicht zu erwarten.