Deutschland

Kanzlerin lehnt Impfpflicht ab, appelliert aber an die Bürger

Laut Bundeskanzlerin Angela Merkel wird die Corona-Impfung in Deutschland freiwillig bleiben. "Wir haben nicht die Absicht, diesen Weg zu gehen", so Merkel.
13.07.2021 15:27
Aktualisiert: 13.07.2021 15:27
Lesezeit: 2 min
Kanzlerin lehnt Impfpflicht ab, appelliert aber an die Bürger
Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht am Dienstag nach ihrem Besuch im Robert Koch-Institut. (Foto: dpa) Foto: Michael Kappeler

In Deutschland soll es anders als etwa in Frankreich auch künftig keine Corona-Impfpflicht geben. Das betonten Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn am Dienstag. "Wir haben nicht die Absicht, diesen Weg zu gehen wie Frankreich", sagte Merkel bei einem Besuch des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin mit Verweis auf das Nachbarland, wo für bestimmte Berufsgruppen eine Impfpflicht eingeführt wurde. "Wir können Vertrauen gewinnen, indem wir für das Impfen werben. Die Impfbereitschaft ist sehr, sehr hoch", sagte Merkel und betonte: "Die Pandemie ist nicht vorbei." Spahn sprach aber von einem "Impfgebot". Zusammen mit RKI-Chef Lothar Wieler warben sie dafür, Menschen stärker im Alltag zu impfen.

Viele Staaten wollen derzeit aus Sorge vor einer vierten Corona-Welle das Impftempo erhöhen. Neben Frankreich gibt es auch in Griechenland und Italien einen zumindest teilweisen Impfzwang. Merkel verwies auf RKI-Berechnungen, dass 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen geimpft werden müssten. Davon sei man derzeit noch deutlich entfernt. Mit einer Impfung schütze man nicht nur sich selbst, sondern auch andere. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und die Vorsitzende des Ethikrates, Alena Buyx, sprachen sich gegen eine Impfpflicht aus. Der CDU-Politiker Friedrich Merz ist indes dafür, dass sich etwa Lehrerinnen und Erzieher impfen müssen, wie er der "Wirtschaftswoche" sagte.

In Deutschland waren bis Montag nach Angaben der Bundesregierung 58,7 Prozent mindestens einmal geimpft worden. 43 Prozent seien vollständig geimpft. Spahn beklagte aber ein zurückgehendes Impftempo. Das RKI hatte vorgerechnet, dass man für die über 60-Jährigen eine Impfquote von 90 Prozent brauche, da sei man mit 84 Prozent auf gutem Wege. Die Impfquote der zwölf- bis 59-Jährigen müsse bei mehr als 85 Prozent liegen.

MEHR IMPFEN IM ALLTAG

Merkel verwies auf Versuche, stärker mit Impfangeboten in den Alltag der Menschen zu gehen. "Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt", sagte sie. RKI-Präsident Wieler sagte, man habe mit diesem "aufsuchenden Impfen" gute Erfahrungen gemacht. Spahn forderte "kreative Impfaktionen vor Ort".

Mehrere Bundesländer und Kommunen gehen bereits diesen Weg. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will niederschwellige Angebote vor allem für die 16- bis 30-Jährigen. Er schlug Impfaktionen in Fast-Food-Restaurants, auf Wochenmärkten, in Einkaufs-Malls oder in Jugendzentren vor. Gespräche mit Fast-Food-Ketten, Sportverbänden und Jugendorganisationen liefen bereits. Wie in anderen Ländern solle es künftig auch in Bayern "Drive-in"-Impfen geben. Der Städte- und Gemeindebund schlug im "Handelsblatt" vor, PCR-Tests für Impfverweigerer kostenpflichtig zu machen. Die Bundesregierung lehnt dies derzeit noch ab, wie Merkel und Spahn sagten.

Beide betonten zudem, dass vom Impferfolg auch abhänge, wie viel Freiheiten man im Herbst und Winter haben werde. Man werde alles tun, um neue Einschränkungen zu vermeiden, sagte die Kanzlerin auf die Frage nach einem neuen Lockdown angesichts wieder steigender Infektionszahlen. Sie verwies aber darauf, dass die niederländische Regierung ihre Öffnungspolitik bereits wieder habe korrigieren müssen. Im Herbst brauche man auf jeden Fall noch umfangreiche Testmöglichkeiten und die Basisregeln der Pandemiebekämpfung wie Schutzmasken und Abstand.

"WERDEN KEINEN LOCKDOWN MEHR MACHEN"

Auch Söder sprach sich gegen einen neuen Lockdown aus. Der SPD-Politiker Karl Lauterbach rechnet ebenfalls nicht mehr damit: "Wir werden keinen Lockdown mehr machen", sagte er n-tv. Merkels Sprecher hatte bereits am Montag betont, angesichts des Impffortschritts gebe es "keinen Automatismus", dass selbst bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 erneut eine sogenannte Bundesnotbremse mit Ausgangsbeschränkungen eingeführt werde.

Das RKI meldete für Dienstag 646 neue Positiv-Tests. Das sind 206 mehr als am Dienstag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg weiter auf 6,5 von 6,4 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 26 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus.

Kritik gab es an den Lockerungen in Großbritannien. Söder nannte den Schritt ein "verantwortungsloses Konzept des Durchseuchens". Was Großbritannien mache, sei "ein Experiment an der jüngeren Generation". Die Ethikrat-Vorsitzende Buyx sprach im ZDF von einem "hochriskanten Experiment", das man nicht kopieren sollte. Spahn verwies darauf, dass Großbritannien zwar nicht mehr Virus-Variantengebiet sei, aber immer noch als Hochinzidenzland eingestuft werde. Deshalb gebe es für Nicht-Geimpfte weiter Quarantäneauflagen für Einreisen.

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