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Trotz Pandemie: Gewerbeflächen so nachgefragt wie nie

Lesezeit: 5 min
17.09.2021 13:11
Der Markt für Logistik- und Gewerbeflächen entwickelt sich so gut wie noch nie. Allerdings gibt es ein paar Probleme.
Trotz Pandemie: Gewerbeflächen so nachgefragt wie nie
Aufgrund der Tesla-Ansiedlung wird der Standort Berlin aktuell immer interessanter. (Foto: dpa)
Foto: Patrick Pleul

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„Die Nachfrage nach Logistikflächen ist aktuell auf einem Allzeithoch, so dass wir teilweise beobachten können, wie Flächen mit teils suboptimalen Zuschnitten und in schlechterer Lage Abnehmer finden. Nichtsdestotrotz ist der Flächenmangel an vielen Standorten ein limitierender Faktor, so dass Abschlüsse im großvolumigen Bereich immer seltener werden. Dafür können wir eine Zunahme an Abschlüssen im mittleren Flächensegment beobachten.”

So hat Nicolas Roy, der Vertreter des Immobiliendienstleisters Colliers International, das erste Halbjahr des Logistik- und Gewerbeflächenmarktes zusammengefasst. Der Titel, den er in seiner Firma führt, nennt sich offiziell „MRICS, Head of Industrial & Logistics“.

In Zahlen liest sich die Entwicklung so: Der Industrie- und Logistikimmobilienmarkt schloss die erste Jahreshälfte mit einem Rekordflächenumsatz von rund 1,7 Millionen Quadratmeter ab. Laut Colliers verzeichneten sechs der TOP 8- Regionen ein Umsatzplus im Vergleich zum Vorjahresergebnis. In der Summe übertraf der Flächenumsatz den Vorjahreswert um 39 Prozent. Auch im langjährigen Vergleich zeigten sich die ersten sechs Monate sehr robust und lagen rund 43 Prozent über dem Dreijahresdurchschnitt.

Zu den bedeutendsten Abschlüssen in den Monaten April bis Juni zählten die Anmietung einer rund 17.000 Quadratmeter großen Logistikimmobilie durch den Logistikdienstleister CHI Deutschland Cargo Handling GmbH in der Region Frankfurt/Rhein-Main, die Vorvermietung eines knapp 38.000 Quadratmeter großen, sich im Bau befindlichen Objekts durch ein Handelsunternehmen in der Region Hamburg sowie der Abschluss für eine rund 40.000 Quadratmeter große Projektentwicklung für WEG, ebenfalls durch einen Logistikdienstleister in der Region Köln. Insgesamt verzeichnete die erste Jahreshälfte eine Rekordzahl an Abschlüssen, aber lediglich 12 Prozent davon fanden im großvolumigen Flächensegment über 10.000 Quadratmeter statt.

Die regionalen Unterschiede beim Flächenumsatz sind aufgrund der heterogenen Standorteigenschaften der TOP 8-Regionen weiterhin stark ausgeprägt. Während die Region Hamburg mit rund 371.900 Quadratmeter den höchsten Flächenumsatz generierte und den Vorjahreswert verdoppelte, verzeichnete die Logistikregion München mit 103.800 Quadratmeter einen Rückgang von 61 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Flächenumsatz in München im Vorjahr stark von der Sonderanmietung KrausMaffei (circa 137.800 Quadratmeter) beeinflusst wurde. Im Vergleich zum Dreijahresdurchschnitt lag der Flächenumsatzrückgang in der Region München lediglich bei 32 Prozent. Die höchste Wachstumsrate wurde in der Region Frankfurt/Rhein-Main registriert.

Insgesamt erzielte die Region ein Plus von 204 Prozent bzw. 43 Prozent im Dreijahresdurchschnitt. Zu diesem Rekordergebnis führten sowohl die hohe Anzahl an Abschlüssen als auch mehrere großvolumige Anmietungen, die über die Hälfte des gesamten Flächenumsatzes generierten. Die Nutzerbranche „Transport & Logistik“ zeigte sich hier besonders aktiv. Neben der Anmietung von CHI Deutschland Cargo Handling GmbH, mietet der Logistikdienstleister B+S Logistik rund 12.000 Quadratmeter Logistikfläche in der Region Frankfurt. In der Summe generierte Frankfurt 319.700 Quadratmeter.

Auf Platz 3 positionierte sich die Region Berlin mit rund 280.600 Quadratmeter (+73 Prozent), die ihre Wachstumsphase ungebremst fortführt und das höchste je gemessene Halbjahresergebnis erzielte. Aufgrund der Tesla-Ansiedlung wird der Standort Berlin immer interessanter für Nutzer aus dem Bereich „Produktion & Fertigung“, die einen Rekordflächenumsatz von knapp 105.000 Quadratmeter bzw. einen Anteil von 37 Prozent am gesamten Berliner Flächenumsatz generierten. Unter anderem mieteten die beiden Produktionsunternehmen, Stenger und Kolonial, rund 9.000 Quadratmeter Hallenfläche bzw. ca. 8.800 Quadratmeter Neubaufläche an. Trotzdem bleiben Handelsunternehmen in der E-Commerce-Hochburg Berlin die Nutzergruppe, die die meisten Abschlüsse generierte.

Die Logistikregion Köln zeigte sich nach einem überdurchschnittlichen Vorjahr, auch in der ersten Jahreshälfte 2021 besonders aktiv und verzeichnete ein Wachstum von 201 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dies entspricht in der Summe einem Flächenumsatz von 188.000 Quadratmeter. Die Region Köln profitiert insbesondere von dem Flächenmangel in der Logistikregion Düsseldorf und kann die hohe Nachfrage zu Teilen mit auffangen. Die beiden Metropolen aus dem Rheinland verzeichnen vor allem durch Handelsunternehmen eine sehr hohe Nachfrage.

Darüber hinaus war diese Nutzergruppe für die größten Abschlüsse in der Region verantwortlich. So mietete Coca-Cola in der Region Düsseldorf rund 15.600 Quadratmeter Bestandsfläche, während in Köln Lekkerland in den ersten drei Monaten eine Neubauentwicklung mit rund 30.000 Quadratmeter anmietete. Düsseldorf verzeichnete trotz des rückläufigen Trends bei den Flächenumsätzen ein Umsatzplus von 67 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dies liegt vor allem an dem sehr soliden Jahresanfang. So fanden in den ersten drei Monaten des Jahres rund 70 Prozent aller Abschlüsse statt. Die Monate April bis Juni waren verhältnismäßig ruhig. In der Summe generierte der Standort rund 143.200 Quadratmeter.

Flächenmangel übt weiter Druck auf die Spitzen- und Durchschnittsmieten aus

Die hohe Nachfrage aus dem Bereich E-Commerce und der vorherrschende Flächenmangel an den TOP 8-Standorten führen zu kontinuierlich steigenden Mieten. Im 12-Monatsvergleich verzeichneten sechs von acht Standorten ein Wachstum bei der Spitzenmiete. Ferner nahm an sieben Standorten die Durchschnittsmiete zu. Dabei ist die Logistikregion München weiterhin die teuerste Region im Vergleich der TOP 8-Standorte mit einer Spitzenmiete von 7,50 Euro pro Quadratmeter und einem Wachstum von 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. An zweiter Stelle zeigt sich Frankfurt mit 6,80 Euro pro Quadratmeter und einem Zuwachs von ebenfalls 5 Prozent.

Ferner stieg die Spitzenmiete auch in der Region Düsseldorf um 5 Prozent und liegt aktuell auf dem Niveau von Berlin bei 6,20 Euro pro Quadratmeter. In der Logistikregion Hamburg verzeichnet die Spitzenmiete ein Plus von 3 Prozent und rangiert aktuell auf dem Niveau von Stuttgart bei 6,50 Euro pro Quadratmeter. Die Spitzenmiete in Leipzig verzeichnet seit 12 Monaten eine stabile Entwicklung und rangiert weiterhin bei 4,60 Euro pro Quadratmeter. Die überdurchschnittlich hohe Neubauaktivität in der Region Leipzig stabilisiert zwar die Entwicklung der Spitzenmieten, trotzdem übersteigt die Nachfrage das Angebot. Als Folge stiegen die Durchschnittsmieten um 3 Prozent Vergleich zum Vorjahreswert.

Nicolas Roy von Colliers kommentiert abschließend:

„Wir beobachten an allen TOP 8-Standorten einen eindeutig positiven Trend bei der Mietpreisentwicklung. Meistens ist es eine Kombination aus mehreren Faktoren, die Druck auf die Spitzen- und Durchschnittsmieten ausübt. Der Flächenmangel spielt dabei eine tragende Rolle, ist aber von Standort zu Standort unterschiedlich ausgeprägt. Während München und Stuttgart seit Jahren kaum Neubauaktivität bei Logistikflächen vorweisen, verzeichnen Regionen wie Leipzig, Frankfurt und Berlin eine vergleichsweise rege Neubautätigkeit in den Umlandgemeinden, wo aber Grundstücke von Jahr zu Jahr knapper werden. Das Umsatzwachstum und die Nachfrage aus dem E-Commerce haben durch die Covid-19-Krise einen erheblichen Schub bekommen und damit den Markt nachhaltig geprägt. Wir werden in Zukunft eine zunehmende Verschiebung des Flächenumsatzes hin zu der Nutzergruppe Handelsunternehmen beobachten. Diese Entwicklung kann insbesondere an Standorten mit hoher Bevölkerungsdichte, beispielsweise in NRW, beobachtet werden. Ferner erwarten wir für die zweite Hälfte des Jahres in der Summe der TOP 8-Standorte weiterhin hohe Flächenumsätze, die aber an einigen Standorten flächenbedingt nicht an die Spitzenjahre anknüpfen werden“, so Roy.


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