Deutschland

65 Jahre „Bravo“: „Die Marke wird überleben“

Für Generationen von Teenagern war sie der Inbegriff der Jugend, jetzt kommt die „Bravo“ ins Rentenalter. Am Donnerstag wird sie 65 - und ist nicht mehr das, was sie mal war.
20.08.2021 11:34
Aktualisiert: 20.08.2021 11:34
Lesezeit: 3 min
65 Jahre „Bravo“: „Die Marke wird überleben“
Ausgaben der "Bravo" liegen auf einem Tisch in einem Café. (Foto: dpa)

Als am 26. August 1956 die „Film- und Fernsehzeitschrift“ mit dem Titel „Bravo“ zum ersten Mal erschien, war das ein Meilenstein. Generationen von Jugendlichen haben darin erfahren, was ihre Stars sie wissen lassen wollten und sich Sextipps bei „Dr. Sommer“ geholt.

Die ersten „Bravo“-Preise, die „Ottos“, gingen 1957 an Maria Schell und James Dean, der erste „Bravo-Starschnitt“ zeigte im Jahr 1959 Brigitte Bardot in Lebensgröße. 1966 holte die Zeitschrift die Beatles zur „Blitztournee“ nach Deutschland, 1969 meldete sich Aufklärer „Dr. Sommer“ erstmals zu Wort, und drei Jahre später erschien die erste „Foto-Lovestory“ mit dem Titel „Birgits erste Liebe“.

Das, was früher Jugendkultur war, ist heute längst historisch. „Was für ,uns alte‘ Menschen weltverändernd war – 9/11 (2001), Angela Merkel wird Bundeskanzlerin (2005), das erste iPhone kommt auf den Markt (2007) – kennt ein Großteil der Gen Z aus Geschichtsbüchern. Wenn überhaupt...“, sagt die „Bravo“-Chefredakteurin Digital Yvonne Huckenholz über die „Generation Z“, die Jugend von heute. „Trends der 90er Jahre sind in ihren Augen Vintage. Lineares Fernsehen und CDs? Nein, danke. Ihr Wissen ziehen sie sich aus YouTube oder Tiktok-Videos.“

Darauf hat auch die „Bravo“ reagiert: „Jetzt stehen bei einer Marke, die einst über eine Million Print-Hefte in der Woche verkaufte, die digitalen Kanäle im Mittelpunkt“, sagt Huckenholz. „Es geht immer noch darum, die Jugendlichen ernst zu nehmen und sie so zu akzeptieren, wie sie sind, und ihre Bedürfnisse dort zu bedienen, wo sie sich rumtreiben. Das sind heute – man ahnt es – die digitalen Medien.“

Laut einer Mediennutzungsstudie der „Bravo“ haben heute 91 Prozent der 10- bis 14-Jährigen ein Smartphone. Bei den ab 15-Jährigen sind es 99 Prozent. „So sehr es Eltern auch stören mag, wenn das Kind ,nur am Handy hängt‘ – für die Gen Z geht es nicht ohne. Und damit auch für ,Bravo‘ nicht“, sagt sie. „,Bravo‘ macht Content für Jugendliche, wie sie wirklich sind – nicht, wie Erwachsene sie gerne hätten.“

Alle vier Wochen erscheint das gedruckte Magazin heutzutage noch - vor allem als Angebot an Jüngere, die noch nicht den ganzen Tag am Handy hängen. Die Auflage liegt derzeit bei 83 000. Zum Vergleich: Auf Instagram hat die „Bravo“ nach Angaben des Verlags mehr als 579 000 Follower, auf Tiktok mehr als 270 000. „Junge Menschen finden Magazine nicht doof – es ist aber eben nicht ihr Massenmedium“, sagt Huckenholz. „Tendenziell entwickelt sich Print für die junge Zielgruppe immer mehr hin zum Luxus-Objekt.“

Nur einmal im Monat eine „Bravo“? Ein Zustand, der noch in den 90er Jahren undenkbar gewesen wäre. „Damals war ,Bravo‘ so gut wie alternativlos“, sagt Alexander Gernandt. Bei dem Musikjournalisten drehte sich ein Vierteljahrhundert lang alles um die «Bravo». Von 1988 bis 2013 arbeitete er für die legendäre Jugendzeitschrift - zuletzt sogar als Chefredakteur.

Er interviewte allein Michael Jackson 16 Mal und erlebte eine Zeit, in der die «Bravo» eine Auflage von 1,7 Millionen und bis zu sechs Millionen Leser hatte. „Man musste Bravo lesen, um zu wissen, was bei den Lieblings-Stars los ist: Wie sieht der neue Hairstyle von Madonna aus, wie die Show von Take That? Wie leben Robbie Williams oder Shakira privat? Mit der zunehmenden Digitalisierung hat sich das verändert.“

„Bravo“ konnte damals auch selbst Stars machen und entdeckte Mega-Bands lange bevor sie ganz groß wurden. Einmal, so erinnert sich Gernandt, traten Take That bei der internen Weihnachtsfeier der Redaktion in München auf - noch bevor sie Mädchen überall in Europa ins Kreisch-Delirium versetzten.

Die Münchner Zeitschriftenredaktion, die damals diese legendäre Weihnachtsfeier zelebrierte, gibt es inzwischen nicht mehr. Zu Jahresbeginn wurde sie eingestampft. Seither kommt das, was in der gedruckten „Bravo“ steht, von einem externen Kölner Redaktionsbüro.

Die «Bravo» sei «kein Relikt aus alten Zeiten, betont die „Bravo“-Chefredakteurin Digital, Huckenholz, und zielt damit vor allem auf das ab, was inzwischen online stattfindet – „sondern genauso jugendlich wie an ihrem Ersterscheinungstag“. Auch Ex-Chefredakteur Gernandt glaubt an die Zukunft der „Bravo“- als Marke.

„,Bravo‘ ist im Alltag noch immer sehr präsent: in Quizshows, in Dokumentationen, etwa bei ,ZDF History‘“, sagt er. „Natürlich hat sie an Print-Auflage verloren über die Jahre, wie so viele andere Print-Objekte auch. Aber ,Bravo‘ hat sich längst digital aufgestellt. Die Marke ,Bravo‘, zu der auch die "Bravo Hits"-CDs gehören, wird überleben.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Wirtschaft holt auf: Thüringen und Sachsen mit Spitzenplätzen
20.05.2025

Einer neuen ifo-Studie zufolge hat Ostdeutschland wirtschaftlich gegenüber dem Westen deutlich aufgeholt. Der Thüringer Industrieanteil...

DWN
Politik
Politik Wenn Europa falsch reagiert, wird Trump zur echten Gefahr für die NATO
20.05.2025

Donald Trump ist zurück – und mit ihm die Zweifel an der Zukunft der NATO. Ex-Sicherheitsberater John Bolton warnt: Nicht Trump allein...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Amazons Geheimwaffe aus Israel: Wie ein unbekanntes Start-up den KI-Krieg entscheidet
20.05.2025

Ein unbekanntes Start-up aus Israel liefert den Treibstoff für Amazons KI-Vormarsch. Mit Annapurna Labs sichert sich der Tech-Gigant die...

DWN
Finanzen
Finanzen 30.000 Dollar für Gold – und der Westen ist bankrott
20.05.2025

Gold steigt, wenn das Vertrauen fällt. Für Hedgefonds-Manager David Einhorn wäre ein Kurs von 30.000 Dollar kein Triumph – sondern ein...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Krise am Bau: Wohnungsmarkt steckt fest – Bauindustrie warnt vor Investitionsstau
20.05.2025

Die deutsche Bauwirtschaft steckt weiterhin tief in der Krise. Der Wohnungsbau schwächelt, Neubauten stagnieren – und aus Sicht der...

DWN
Politik
Politik BKA: Politisch motivierte Kriminalität steigt um 40 Prozent– Beratungsstellen schlagen Alarm
20.05.2025

Schon die erste Kriminalitätsstatistik, die Dobrindt vorstellt, zeigt, dass er ein schwieriges Amt übernommen hat. Bei Straftaten mit...

DWN
Finanzen
Finanzen BYD-Aktie auf Rekordjagd: Neue Technologie und Europa-Strategie beflügeln den Kurs
20.05.2025

Die BYD-Aktie bricht Rekorde, während Konkurrent Tesla schwächelt. Neue Technologien und Strategien sorgen für Aufsehen – doch wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russland unter Druck: EU verschärft Sanktionen gegen Kreml
20.05.2025

Trotz der Bemühungen von US-Präsident Donald Trump ist ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiterhin nicht in Sicht....