Schon heute dominiert China die globale Lieferkette für Lithium-Ionen-Batterien, denn das Land hat starken Einfluss sowohl auf den Rohstoffabbau als auch auf die Verarbeitung. Im Jahr 2019 mussten die Staaten der Europäischen Union 98 Prozent der von ihnen benötigten Seltenen Erden aus China importieren und auch die USA immerhin 80 Prozent, wie aus einem Bericht von Bloomberg New Energy Finance Limited aus dem vergangenen Jahr hervorgeht. Mit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan dürfte sich Chinas Dominanz weiter verstärken.
In Afghanistan werden große Vorkommen an Gold, Eisen, Kupfer, Zink, Lithium und anderen Seltenerdmetallen vermutet, die einen Wert von über 1 Billion Dollar haben. "Afghanistan verfügt möglicherweise über 60 Millionen Tonnen Kupfer, 2,2 Milliarden Tonnen Eisenerz, 1,4 Millionen Tonnen Seltene Erden wie Lanthan, Cer und Neodym sowie über Aluminium-, Gold-, Silber-, Zink- und Quecksilbervorkommen", heißt es in einem Bericht aus dem Jahr 2020 in The Diplomat.
China hat eine kleine Grenze mit Afghanistan der 210 Kilometer lang ist. In diesem sogenannten Wakhan-Korridor kämpfen uigurische Islamisten gegen die chinesische Herrschaft in Xinjiang. Daher sagte ein hochrangiger chinesischer Beamter: "Wir hoffen, dass die afghanischen Taliban einen klaren Bruch mit allen terroristischen Organisationen, einschließlich der ETIM (East Turkestan Islamic Movement), vollziehen und sie entschlossen und wirksam bekämpfen werden, um Hindernisse zu beseitigen, eine positive Rolle zu spielen und günstige Bedingungen für Sicherheit, Stabilität, Entwicklung und Zusammenarbeit in der Region zu schaffen", wie The Week berichtet.
Der Internationalen Energieagentur zufolge wird sich die weltweite Nachfrage nach Lithium bis zum Jahr 2040 um den Faktor 40 erhöhen. Das gleiche gilt für Seltene Erden, Kupfer, Kobalt und andere Mineralien, die in Afghanistan ebenfalls reichlich vorhanden sind. Die bolivianischen Anden enthalten möglicherweise 70 Prozent des Lithiums auf der Erde, und viele Analysten argumentieren laut einem Bericht von Wired, dass die Gewinnung von Lithium aus Sole wie in Bolivien umweltfreundlicher ist als die Gewinnung aus Gestein.
Erklärt Lithium den Abzug der USA aus Afghanistan?
Metallisches Lithium und seine komplexen Hydride können im Übrigen auch als Zusätze für Raketentreibstoffe, thermonukleare Waffen oder sogar als Festbrennstoff verwendet werden. Im Jahr 2010 bezeichnete das US-Verteidigungsministerium Afghanistan als das "Saudi-Arabien des Lithiums", nachdem amerikanische Geologen herausgefunden hatten, dass sich die Lithium-Vorkommen in dem Land auf mindestens eine Billion Dollar belaufen. Lithium ist ein wesentlicher Bestandteil für die Herstellung langlebiger Batterien, die vor allem in Elektroautos verwendet werden. Die Batterie eines Tesla Model S zum Beispiel enthält etwa 12 Kilogramm Lithium.
Heute sind diese Metalle in Afghanistan noch immer nicht abgebaut worden. Und es ist unwahrscheinlich, dass die Taliban das Metall an die Amerikaner verkaufen, und die USA betrachten China, den größten Lithiumproduzenten der Welt, als ihren Hauptkonkurrenten und wollen, dass bis 2030 mindestens 40 Prozent ihrer Autos elektrisch betrieben werden. Daher hatte die bisherige von den USA unterstützte Regierung in Kabul stets gehofft, dass die Bodenschätze Präsident Trump dazu bewegen würde, sich für einen Verbleib der US-Truppen im Land einzusetzen.
"Afghanistan kann für die US-Industrie und insbesondere für den Bergbausektor ein geeigneter Ort sein, um nach Investitionsmöglichkeiten zu suchen", zitiert Free West Media eine frühere Äußerung von Mohammad Humayon Qayoumi, dem ehemaligen Chefberater des afghanischen Präsidenten für Infrastruktur, Humankapital und Technologie.
Doch möglicherweise ist das afghanische Lithium inzwischen viel weniger wert. Tom Benson, Geologe an der Stanford University, hat sich bei seinen Forschungen auf einen 16,3 Millionen Jahre alten Supervulkan an der Grenze zwischen Oregon und Nevada konzentriert, der das größte Lithiumvorkommen in den USA enthält. Eine Reihe anderer aktiver Vulkane könnte dieselben Vorkommen beherbergen, wie The World bereits im Jahr2017 berichtete. Benson zufolge gibt es einen besonders "aufregenden" Vulkan namens Bogoslof in Alaska. Das könnte der Grund sein, warum die USA bereits unter Präsident Donald Trump ihr Interesse an Afghanistan verloren haben.
Könnten die Taliban vom Lithium profitieren?
"Die Taliban sitzen jetzt auf einem Vorrat eines der strategisch wichtigsten Mineralien der Welt", sagte Rob Schoonover, ein Ökologieexperte der US-Denkfabrik Center for Strategic Risks, in einem Interview mit Quartz. "Die Frage, ob sie in der Lage sein werden, diese Rolle zu spielen, wird in Zukunft wichtig sein."
Vor dem Rückzug der USA hatte die Regierung in Kabul erwogen, lukrative Bergbauverträge an amerikanische Unternehmen zu verkaufen. Jetzt, da die Taliban die Regierung führen, kommt die Einbindung amerikanischer Bergbaukonzerne nicht mehr in Frage. "Solange es anderswo sicherere und zuverlässigere Quellen gibt, wird die Nutzung afghanischer Mineralien gering bleiben", so Schoonover. Allerdings haben die Taliban bereits Erfahrung mit der Gewinnung seltener Steine. Mit dem Abbau von Lapislazuli erwirtschaften die Taliban mindestens 300 Millionen Dollar pro Jahr.
Ashraf Ghani, der afghanische Präsident im Exil, meinte, der Reichtum an Bodenschätzen sei ein Fluch für sein Land. In der Tat sind sich viele Wirtschaftswissenschaftler der Tatsache bewusst, dass solche reichen Vorkommen in Entwicklungsländern im Allgemeinen zu einer Quelle von Korruption und Gewalt werden. Die Taliban werden einen Weg finden müssen, um am weltweiten Lithiumhandel teilzunehmen, der viel größer ist als ihr Lapislazulihandel.
Der Zugang zu den Reserven der afghanischen Zentralbank wurde den Taliban von den USA verwehrt. Die neue afghanische Führung könnte teils auch Schwierigkeiten haben, chinesische Investoren ins Land zu holen, nachdem diese im Jahr 2007 einmal 3 Milliarden Dollar in einer Kupfermine der Taliban verloren haben, die aufgrund anhaltender Fehler der Verwaltung nicht ausgebeutet werden konnte.
Ein guter Grund für China, sich an der Gewinnung von Lithium in Afghanistan zu beteiligen, könnte jedoch nicht nur der damit verbundene Reichtum sein, sondern auch die Vermeidung weiterer ökologischer Schäden durch den Lithiumabbau auf eigenem Boden. Die Gewinnung dieses Metalls führt zu Wasserknappheit und Luftverschmutzung. Die Kooperation mit den Taliban könnte für China außerdem eine Lösung im anhaltenden Konflikt mit den Uiguren bringen, wenn die Taliban dort vermitteln würden.