Deutschland

Südwest-Grüne bauen Denunziationsportal gegen Steuerhinterziehung auf

Lesezeit: 2 min
01.09.2021 15:34  Aktualisiert: 01.09.2021 15:34
Die Grünen in Baden-Württemberg haben mit einer neuartigen Online-Meldeplattform heftigen Widerstand erregt. Die Empörung könnte den Bundestagswahlkampf der Partei gefährden.
Südwest-Grüne bauen Denunziationsportal gegen Steuerhinterziehung auf
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen, vorne l), Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Thomas Strobl (CDU, vorne r), Innenminister von Baden-Württemberg, stehen beim Guppenbild nach der Auftaktsitzung des neu gewählten Landtags von Baden-Württemberg mit den anderen Regierungsmitgliedern zusammen. (Foto: dpa)
Foto: Bernd Weissbrod

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Grünen stehen im Bundestagswahlkampf wegen der bundesweit ersten Meldeplattform zur Ermittlung von Steuerbetrügern im grün-regierten Baden-Württemberg massiv in der Kritik. Union, FDP und AfD warfen den Grünen am Mittwoch vor, mit dem «Steuerpranger» im Internet dafür zu sorgen, dass Menschen ihre Nachbarn denunzieren. CDU und CSU warnten, so etwas drohe womöglich auch bundesweit, wenn die Grünen in eine Bundesregierung einzögen. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) wies die Vorwürfe entschieden zurück. «Steuerhinterziehung ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die ehrlich ihre Steuern zahlen.» Schon bisher seien anonyme Anzeigen möglich, per Brief oder Telefon, das sei in anderen Bundesländern nicht anders. «Im Jahr 2021 sollte das aber auch online gehen», erklärte der Minister der grün-schwarzen Koalition im Südwesten.

CSU-Generalsekretär Markus Blume twitterte, Steuerhinterziehern müsse das Handwerk gelegt werden. Aber statt sich um die Großen zu kümmern, wollten die Grünen «Denunziantentum fördern und Misstrauen unter Nachbarn säen. Auf was muss man sich noch einstellen, wenn die Grünen an die Regierung kommen?», fragte er. Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei warnte: «Da zeigt sich schon jetzt einmal, wo die Reise mit rot-grün-roter Regierungsverantwortung hingehen würde.» FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte «Bild»: «Dieses Portal zeigt uns, was droht, wenn Grüne ihre moralischen Vorstellungen über Recht und Gesetz stellen und in staatliches Handeln gießen und die CDU dem nichts entgegensetzt.»

Bayaz hielt dagegen und sagte, Steuerhinterziehung koste Deutschland geschätzte 50 Milliarden Euro im Jahr. Das neue Hinweisportal sei nur ein «ergänzendes Instrument im Kampf für mehr Steuergerechtigkeit». Zur Funktionsweise der Plattform erklärte der Grüne: «Anzeigen müssen selbstverständlich gut begründet sein, sonst werden sie von der Steuerfahndung erst gar nicht bearbeitet. Ein einfacher Hinweis genügt ausdrücklich nicht.» Der Grüne versicherte: »Niemand muss befürchten, dass künftig die Steuerfahndung vor der Tür seht, nur weil der Nachbar ihn angeschwärzt hat. Es geht außerdem um relevante Fälle von Steuerbetrug.»

Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag und Vorsitzende des Landesverbands Baden-Württemberg, Michael Theurer, sagte «Bild»: «Diese Art von Blockwart-Mentalität verändert unsere Gesellschaft zum Schlechten.» Stattdessen brauche man endlich mehr Steuerfahnder und eine effektive Kontrolle internationaler Konzerne. AfD-Landtags-Fraktionschef Bernd Gögel erklärte: «Die Pläne des Ministers schaffen ein Klima des Misstrauens. Statt dem Steuerzahler, der den Staatsapparat durchfinanziert, mit derart letztklassigen Methoden zu begegnen, sollte sich Bayaz lieber Gedanken um Ausgabenkürzungen machen.»

Rückendeckung erhielt der Grüne von Transparency Deutschland: «Begriffe wie «Denunziantentum» und «Blockwartmentalität» sind absolut fehl am Platz. Es geht beim Whistleblowing um Hinweise auf Verstöße, die der Allgemeinheit schaden und deren Aufdecken im Interesse der Gesellschaft liegt», erklärte Louisa Schloussen, Whistleblowing-Expertin von Transparency. «Entgegen der Vorurteile zeigen wissenschaftliche Studien und die Erfahrungen in der Praxis ganz klar, dass absichtliche Falschmeldungen («Denunziationen») kaum vorkommen und kein Problem sind.»


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Konfliktlösung ohne Gericht: Verbraucherschlichtung als Chance für Ihr Business
27.04.2024

Verabschieden Sie sich von langwierigen Gerichtsverfahren! Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) senken Sie Ihre Kosten,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Krieg in der Ukraine: So ist die Lage
27.04.2024

Wegen Waffenknappheit setzt der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, auf Ausbau der heimischen Rüstungsindustrie, um sein Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Hohes Shiller-KGV: Sind die Aktienmärkte überbewertet?
27.04.2024

Bestimmte Welt-Aktienmärkte sind derzeit sehr teuer. Diese sind auch in Indizes wie dem MSCI World hoch gewichtet. Manche Experten sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen EM 2024 Ticketpreise explodieren: Die Hintergründe
27.04.2024

Fußball-Enthusiasten haben Grund zur Freude: Es besteht immer noch die Chance, Tickets für die EM 2024 zu erwerben. Allerdings handelt es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...