Politik

Lafontaine: „Neue Bundesregierung wird aggressiver US-Außenpolitik nichts entgegensetzen“

Oskar Lafontaine schaut sehr pessimistische auf die Regierungsbildung.
27.09.2021 20:44
Aktualisiert: 27.09.2021 20:44
Lesezeit: 2 min

Der Links-Politiker Oskar Lafontaine teilt über Facebook mit:

„Die Bundestagswahl bedeutet einen historischen Einschnitt. Nach dem Absturz der CDU auf 24,1 Prozent (SPD: 25,7 Prozent) ist die Ära der Volksparteien in Deutschland zu Ende gegangen.

Die neue Bundesregierung – egal ob von CDU oder SPD geführt – wird die bisherige Politik im Großen und Ganzen fortsetzen. Die Ungleichheit wird weiter wachsen, da sowohl CDU als auch FDP die Entlastung der hohen Einkommen fordern. Energischer Widerstand von SPD und Grünen ist kaum zu erwarten. Da die FDP für eine Regierungsbildung gebraucht wird, wird es auch keine Vermögens- oder Erbschaftssteuer geben, die diesen Namen verdient. Ob Scholz oder Laschet: Die neue Bundesregierung wird die Rentenformel nicht ändern, die Altersarmut nicht beseitigen und keinen Mindestlohn einführen, der ein auskömmliches Leben garantiert. Das Festhalten an Hartz IV mit der Verpflichtung, jede Arbeit anzunehmen, sei sie auch noch so schlecht bezahlt, hemmt trotz des sich verstärkenden Arbeitskräftemangels eine bessere Lohnentwicklung.

In der Außenpolitik stehen CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne für weitere Aufrüstung und Kriegseinsätze der Bundeswehr im Ausland. Keine der möglichen Regierungsparteien will der aggressiven US-Politik mit der Einkreisung Russlands und Chinas, die die Sicherheit der Deutschen gefährdet, etwas entgegensetzen. Die Politik des Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt für Entspannung und Abrüstung wird auch zukünftig durch eine den Frieden gefährdende Außenpolitik ersetzt.

Der Absturz der LINKEN von 11,9 Prozent (2009) auf jetzt 4,9 Prozent, zeichnet sich seit Jahren ab. Die Übernahme grüner Politikinhalte – offene Grenzen für alle, starke Betonung von Minderheitenthemen und ein Klimaschutz über Verteuerung von Benzin, Gas und Heizöl – ist die wesentliche Ursache für den Vertrauensverlust bei Arbeitnehmern und Rentnern und mittelbar auch für eine weiterhin zu starke AfD.

Mit der LINKEN gibt es immerhin auch im neuen Bundestag wenigstens eine Partei, die gegen Sozialabbau und Krieg ihre Stimme erhebt.

Aus dem Wahlergebnis ergeben sich im Hinblick auf den Wahlkampf zwei Konsequenzen: DIE LINKE darf in Zukunft nicht mehr den Eindruck erwecken, dass sie ihre friedenspolitischen Grundsätze – keine Kriegseinsätze der Bundeswehr, keine Waffenexporte, Beendigung der Drohnenmorde von deutschem Boden, keine bewaffneten Kampfdrohnen zur Führung von völkerrechtswidrigen Kriegen – zur Disposition stellt. Die Forderung, die Nato durch ein Sicherheitsbündnis unter Einbeziehung Russlands zu ersetzen, ist eine Forderung der SPD zu Zeiten Willy Brandts. Dass Olaf Scholz darin ein Hindernis für eine Regierungsbildung mit der LINKEN sah, spricht Bände. Seine und Baerbocks Forderung, DIE LINKE müsse sich zur Nato bekennen, hätte die Erwiderung verdient gehabt: Ohne ein Bekenntnis von SPD und Grünen zum Völkerrecht sei eine Zusammenarbeit in einer Bundesregierung für DIE LINKE unzumutbar. Und ebenso hätte klar gesagt werden müssen, dass Parteien, die trotz des verheerenden Afghanistan-Krieges, der zu vielen tausend Todesopfern geführt hat, darunter auch 59 deutschen Soldaten, an völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen festhalten, die Regierungsfähigkeit abgesprochen werden muss.

Die von Leitmedien wie dem Spiegel und dem Handelsblatt und der deutschen Wirtschaft bereits ins Spiel gebrachte neue Agenda 2030 wird weder von einem Kanzler Scholz, noch von einem Kanzler Laschet zurückgewiesen werden. Arbeitnehmer und Rentner werden erneut zur Kasse gebeten. Statt des von den neoliberalen Medien herbeigeschriebenen ,Linksrucks' gibt es in der Außen-, Sozial- und Steuerpolitik einen deutlichen ,Rechtsruck' mit einem ,grünen Klimaschutz' zulasten der Haushalte mit durchschnittlichem und geringem Einkommen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Automobilindustrie erholt sich: Nachfrage kehrt zurück
06.12.2025

Die europäischen Neuzulassungen ziehen spürbar an und signalisieren eine langsame, aber stabile Erholung der Automobilindustrie. Doch...

DWN
Technologie
Technologie Bidirektionales Laden in Schweden: E-Autos und Solaranlagen bieten neue Energie für Haushalte
06.12.2025

In Schweden entwickelt sich eine neue Form der dezentralen Energieversorgung, bei der Haushalte Strom selbst erzeugen und intelligent...

DWN
Politik
Politik Benelux-Einigung: Wie ein radikaler Zusammenschluss Europa herausfordern würde
06.12.2025

Mitten in einer Phase wachsender geopolitischer Spannungen nehmen belgische Politiker eine Vision wieder auf, die lange undenkbar schien...

DWN
Politik
Politik Trumps US-Sicherheitsstrategie und die Folgen für Europa
05.12.2025

Donald Trumps neue US-Sicherheitsstrategie rückt Europa ins Zentrum – allerdings als Risiko. Das 33-seitige Papier attackiert...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs schließt über 24.000 Punkten: Erholung geht am Freitag weiter
05.12.2025

Der deutsche Aktienmarkt legt zum Wochenschluss spürbar zu und der Dax überschreitet eine wichtige Schwelle. Doch der Blick richtet sich...

DWN
Politik
Politik Putin in Indien: Strategische Unabhängigkeit in der neuen Weltordnung
05.12.2025

Indien empfängt den russischen Präsidenten mit allen protokollarischen Ehren und stellt damit gängige westliche Erwartungen an globale...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Handwerkskunst aus Deutschland: Pariser Luxus-Modehäuser vertrauen auf die Stickerei Müller
05.12.2025

Die Stickerei Müller aus Franken fertigt für große Modehäuser wie Balenciaga und Yves Saint Laurent. Auf schwierige Jahre nach der...

DWN
Politik
Politik Rentenpaket im Bundestag: Folgen für Rentner und Beitragszahler
05.12.2025

Der Bundestag hat das Rentenpaket mit knapper, aber eigener Mehrheit durchgesetzt und eine Koalitionskrise verhindert. Doch hinter den...