Weltwirtschaft

Sorge vor dem Polexit: So eng ist Polen in Europas Lieferketten eingebunden

Lesezeit: 2 min
08.10.2021 14:07  Aktualisiert: 08.10.2021 14:07
"Ein Austritt Polens aus der EU wäre noch desaströser als der Brexit, weil polnische Firmen wesentlich enger in die europäischen Lieferketten eingebunden sind als die englischen Unternehmen." Dieses düstere Szenario hat das "Handelsblatt" gemalt. In diesem Artikel listen die DWN alle Industriezweige auf, bei denen Polen für Deutschland eine besonders wichtige Rolle spielt.
Sorge vor dem Polexit: So eng ist Polen in Europas Lieferketten eingebunden
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l) und der polnische Präsident Andrzej Duda äußern sich bei einer Pressekonferenz nach ihrem Gespräch im Amtssitz des polnischen Präsidenten.. (Foto: dpa)
Foto: Bernd von Jutrczenka

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Autos und Maschinenbau

Die EU-Länder importierten im Jahr 2020 Waren dieser Kategorie im Wert von 86 Milliarden (was einem Drittel des polnischen Gesamtexports von 240 Milliarden Euro entspricht).

Insbesondere KfZ-Teile und Produkte für Zulieferer spielen eine große Rolle - vor allem für Deutschland.. Die Industrie steuert acht Prozent zum polnischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei - und mehr als ein Fünftel zum Export. Das sind umgerechnet 50 Milliarden Euro.

Das Land ist für Volkswagen und andere internationale Hersteller einer der wichtigsten Standorte der Welt. Der Wolfsburger Konzern zählt zu den größten deutschen Investoren, unterhält mehrere Werke in Polen sowie ein engmaschig geknüpftes Händlernetz. Polen gilt für Volkswagen in Europa als zweites Zuhause.

Doch auch für den Maschinenbau ist das östliche EU-Land sehr wichtig. Hier geht es unter anderem um spezielle Produkte wie Dampfkessel, Motoren und Kraftmaschinen. Dazu gehören landwirtschaftliche Maschinen genauso wie Apparate, die im Bergbau eingesetzt werden. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass ein Großteil der polnischen Exporte an die Industrie gehen, nicht an Konsumenten.

Deutschland ist mit Abstand der größten Handelspartner – neben anderen EU-Ländern wie Frankreich, Italien und der Niederlande.

Landwirtschaftliche Erzeugnisse

Polen ist Nettoexporteur landwirtschaftlicher Erzeugnisse und innerhalb der Europäischen Union der größte Erzeuger von Äpfeln, Geflügelfleisch, Kartoffeln, Pilzen, Himbeeren, Johannisbeeren, Weißkohl und Karotten. Das geht aus Statistiken hervor, welche die deutsche Botschaft veröffentlicht hat.

Mit über 81 Prozent ist die Europäische Union der mit Abstand wichtigste ausländische Absatzmarkt für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Der wichtigste Partner ist Deutschland, mit dem rund 25 Prozent aller Im- und Exporte abgewickelt werden. Die Produkte dieses Wirtschaftszweiges liegen in der Tabelle der gesamten Exportwaren Polens mit einem Anteil von elf Prozent ganz weit oben. Das entspricht einem Warenwert von mehr als 26 Milliarden Euro.

Die Königsdisziplin der polnischen Landwirtschaft ist der Gartenbau, insbesondere die Apfelerzeugung (ca. 2 Millionen Tonnen jährlich). Kleinbetriebe dominieren diesen Sektor, den der Verlust von Absatzmärkten infolge des russischen Embargos gegen Lebensmittel aus der EU besonders hart getroffen hat.

Besonders wichtig ist das Geflügelfleisch, das von rund einer halben Million polnischer Betriebe produziert wird. Die jährliche Erzeugung liegt bei zwei Millionen Tonnen – ein einsamer Rekord vor Frankreich und Deutschland.

Die Möbelindustrie

Die polnische Möbelindustrie liegt weltweit bei der Produktion und beim Export ganz weit vorn. 2020 lag sie bei den Exporten sogar auf dem dritten Rang weltweit.

Zwischen 2013 und 2017 ist der Export um 43 Prozent gewachsen, und zwar auf ein Niveau von 11,4 Milliarden Euro. Dabei sind neun von zehn Sofas, Tischen und Sesseln in ausländischen Verkaufsräumen gelandet.

„Wir exportieren hauptsächlich an die europäischen Märkte – also nach Deutschland, Frankreich, Großbritannien und sogar nach Italien“, sagt Leszek Raniewicz, der Sprecher einer Fachmesse für Möbel namens ProMaTap. „Aktuell kämpfen unsere Produzenten noch um den US-amerikanischen Markt, wo die polnischen Waren bereits in großen Mengen hingeliefert werden“, erklärt der Fachmann.

IKEA

Der schwedische Konzern hat zu Polen ein besonders enges Verhältnis: Seit 60 Jahren ist das Unternehmen dort aktiv. Das östliche EU-Land gehört zu den wichtigsten Standorten von IKEA weltweit, gleich nach China. Jede fünfte Ware, die der Hersteller auf dem weltweit verkauft, stammt aus Polen. Ein wichtiger Absatzmarkt ist die EU. Im vergangenen Jahr betrug der Wert der IKEA-Ausfuhren 2,6 Milliarden Euro, machte also ein Viertel der polnischen Gesamtausfuhren für Möbel aus. In Polen beschäftigen die Schweden 16.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - und zwar direkt im eigenen Konzern. Dazu kommen noch einmal 75.000, die in den Firmen auf den Lohnlisten stehen, mit denen sie zusammenarbeiten. Dadurch ist IKEA eine wichtige wirtschaftliche Stütze für das gesamte Land.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OWZE-Prognose 2024: Minimales Wirtschaftswachstum für Deutschland erwartet
02.05.2024

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OWZE) geht von einem minimalen Wirtschaftswachstum für Deutschland...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf die...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Technologie
Technologie Infineon vor herausforderndem Quartal: Augenmerk auf Zukunftsaussichten
02.05.2024

Der Chiphersteller Infineon sieht schwieriges Quartal voraus, mit moderaten Rückgängen und angespanntem Automobilmarkt. Wie geht es...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...