Wirtschaft

Industrieproduktion sinkt: Hinter dem Aufschwung stehen vermehrt Fragezeichen

Die Brüche und Verzögerungen im Welthandel sind Beobachtern zufolge ein viel schwerwiegenderes Problem als die abflauende Pandemie. Der Aufschwung wird zunehmend in Frage gestellt.
07.10.2021 12:46
Lesezeit: 2 min

Lieferengpässe bremsen die deutsche Industrie und belasten Ökonomen zufolge zunehmend die Konjunkturerholung in Europas größter Volkswirtschaft. Im August sank die Industrieproduktion gegenüber dem Vormonat deutlich um 4,0 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Das ist der stärkste Rückgang seit dem Einbruch während der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020. Er fiel zudem heftiger aus, als von Analysten erwartet. "Die Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten erwiesen sich als gravierender als bislang angenommen", kommentierte das Bundeswirtschaftsministerium.

Unternehmen hoffen einer Ifo-Umfrage zufolge zwar auf einen Anstieg der Produktion. Ökonomen erwarten aber, dass die Industrie die deutsche Wirtschaft zunächst bremsen dürfte.

Grund der Engpässe sind unter anderem Nachwirkungen der Corona-Krise. Im Zuge der weltweiten Konjunkturerholung ist die Nachfrage beispielsweise nach Halbleitern stark gestiegen. Industrieunternehmen sitzen auf guten gefüllten Auftragsbüchern, können diese aber wegen Materialmangels teilweise nicht abarbeiten. Betroffen davon sind unter anderem der Maschinenbau und die Autoproduktion. Bei Autokonzernen stehen immer wieder die Bänder still.

Der Produktionseinbruch betraf im August fast alle Sektoren. Besonders deutlich verringerte sich die Herstellung von Investitionsgütern wie Maschinen. Am Bau ging die Aktivität um 3,1 Prozent zurück. Lediglich die Energieproduktion lag höher als im Juli.

Gegenüber dem Vorjahresmonat stieg die Produktion insgesamt zwar um 1,7 Prozent. Die Erwartungen von Experten wurden aber auch hier klar verfehlt. Gegenüber Februar 2020, dem Monat vor dem Übergreifen der Corona-Krise auf Deutschland, liegt die Gesamtherstellung 9,0 Prozent tiefer.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht derzeit keine Hinweise auf eine Besserung. "Insofern bestätigen die ... Zahlen unsere Erwartung, dass die deutsche Wirtschaft nach einer kräftigen Erholung im Sommerhalbjahr im vierten Quartal kaum noch wachsen wird."

Nach Einschätzung von ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski sind die Lieferengpässe inzwischen eine größere Bedrohung für die deutsche Industrie als die Corona-Pandemie. Das Analysehaus Capital Economics sprach von wachsenden Ängsten vor einer "Flaschenhals-Rezession", also einem wirtschaftlichen Einbruch infolge von Engpässen auf der Angebotsseite.

Trotz des Materialmangels hofft die Industrie auf einen Anstieg der Produktion. Der vom Ifo-Institut erhobene Index der Produktionserwartung stieg im September um 2 auf 29 Punkte und damit einen der höchsten Werte der vergangenen Jahre. "Die Auftragsbücher sind weiterhin voll, nur die Materialengpässe bereiten im Moment Probleme und dämpfen die Produktionspläne etwas", sagte Klaus Wohlrabe, der Leiter der Ifo-Umfragen.

Hinzu komme ein Stück weit "das Prinzip Hoffnung", dass die Unternehmen die bestehenden Aufträge abarbeiten können, sagte der Wirtschaftsforscher. Zudem misst der Index, ob Unternehmen eine steigende oder sinkende Produktion erwarten. Rein technisch kann daher auch eine erwartete Verbesserung auf niedrigem Niveau einen hohen Indexwert erzeugen.

Der Index der Produktionserwartung beruht auf der Befragung von 2000 Unternehmen, ob sie mit steigender, in etwa gleich bleibender oder abnehmender Produktion rechnen. Der Index ergibt sich aus der Differenz zwischen den Antworten steigend und abnehmend, er wird um saisonale Effekte bereinigt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik New York-Wahl: Was Mamdanis Sieg für Europa bedeutet
22.11.2025

Der Sieg eines radikalen Sozialisten in New York, Deutschlands Stillstand und Polens Aufstieg: Ein Kommentar darüber, wie politische und...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto-Crash: Wie Zinsen und KI die Kryptomärkte unter Druck setzen
21.11.2025

Die jüngsten Turbulenzen an den Kryptomärkten stellen Anleger, Unternehmen und Regulierer gleichermaßen auf die Probe. Welche Kräfte...

DWN
Politik
Politik Koalition unter Druck: Bundesrat zwingt Merz-Regierung in den Vermittlungsausschuss
21.11.2025

Die Stimmung in der Koalition mau, der Rentenstreit noch längst nicht ausgestanden – jetzt legt sich auch noch der Bundesrat quer. Er...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Ein Mundscan reicht: Das Healthtech DentalTwin erstellt KI-basierte Modelle für Zahnersatz
21.11.2025

Mithilfe KI-basierter Datengenerierung verlagert das Start-up DentalTwin die Zahnprothetik ins Digitale. Das dürfte nicht nur Praxen und...

DWN
Politik
Politik EU lockert Datenschutz: Digitaler Omnibus reformiert Regeln für KI
21.11.2025

Europa steht bei der Digitalpolitik vor einem Wendepunkt, an dem Wettbewerbsfähigkeit und Schutz von Bürgerrechten neu austariert werden....

DWN
Politik
Politik US-Wirtschaftselite, Ex-Präsidenten und die Epstein-Akten: Verbindungen zu Politik und Tech-Milieu offengelegt
21.11.2025

Mit jeder neuen Aktenveröffentlichung im Fall Jeffrey Epstein treten weitere Verbindungen zwischen politischen Entscheidern, Finanzeliten...

DWN
Panorama
Panorama Ansteigende Gewalt gegen Frauen - Dobrindt: „Nicht-Deutsche Tatverdächtige deutlich überrepräsentiert“
21.11.2025

Frauen werden stündlich Opfer von körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt, so das Bundeskriminalamt. Das Dunkelfeld dürfte um...

DWN
Politik
Politik Schwarzarbeit bekämpfen: Sozialschutz für Paketboten soll dauerhaft gewährleistet werden
21.11.2025

Der Schutz von Paketboten vor Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung wird dauerhaft gestärkt: Der Bundesrat hat die Verlängerung der...