Wirtschaft

Warum Rohstoff-Engpässe keine Inflation auslösen

Die steigende Inflation ist nicht durch Engpässe getrieben, sondern durch eine starke Nachfrage. Dies zeigen die weltweiten Produktionsdaten und eine Analyse der Geldflüsse während der Corona-Pandemie.
14.11.2021 11:02
Lesezeit: 4 min
Warum Rohstoff-Engpässe keine Inflation auslösen
Auch wenn´s auf diesem Bild nicht so aussieht: Die Versorgung mit Holz wird zum Problem. (Foto: dpa) Foto: Frank Rumpenhorst

Die Zentralbanken wollen uns weismachen, dass die zuletzt deutlich steigende Inflation - in Deutschland steht erstmals seit 1993 eine 4 vor dem Komma - vor allem auf die teils erheblichen Versorgungsengpässe infolge von Corona zurückzuführen sei. Dies ist jedoch ein Ablenkungsmanöver. Die Zentralbanken wollen von der Tatsache ablenken, dass sie selbst die Inflation mit dem historisch starken Gelddrucken zur Finanzierung des Kampfes gegen Corona herbeigeführt haben.

Preise steigen, wenn das Angebot schrumpft oder wenn die Nachfrage wächst. Es gilt also zu analysieren, ob wir es derzeit mit einem insgesamt schrumpfenden Angebot oder einer insgesamt wachsenden Nachfrage zu tun haben. Die Behauptungen eines angeblich geschrumpften Angebots stützen sich jedoch nur auf ausgewählte Produkte in ausgewählten Wirtschaftszweigen. Tatsächlich gibt es seit einiger Zeit Engpässe bei Halbleitern, Autos, Möbeln und zuletzt vor allem bei Energie, was zum Beispiel den Dieselpreis auf ein Rekordhoch getrieben hat.

Engpässe bewirken keine Inflation

Denn auch wenn das Angebot bei bestimmten Gütern aufgrund von Produktionsstilllegungen, veränderten Konsumgewohnheiten oder umweltpolitischen Maßnahmen knapp wird, so führt dies nicht zu einem Anstieg der Inflation insgesamt. Denn wenn zum Beispiel Energie teurer wird und die Bürger mehr dafür bezahlen müssen, so haben sie weniger Geld für andere Dinge zur Verfügung. Wenn sie weniger Geld für andere Dinge ausgeben können (weniger Nachfrage), dann gehen die Preise dort zurück.

Mit anderen Worten: Im Hinblick auf die Inflationsrate werden zum Beispiel die hohen Energiepreise durch niedrigere Preise bei anderen Konsumgütern ausgeglichen. Denn das Geld können die Verbraucher nur einmal ausgeben. Zu einem Anstieg der Inflation infolge einer Warenverknappung kann es nur dann kommen, wenn die Produktion insgesamt schrumpft, wenn also insgesamt weniger Produkte verfügbar sind. Dies ist derzeit aber bei Weitem nicht der Fall.

Vielmehr hat die Produktion insgesamt das Vorkrisenniveau längst übertroffen - sowohl in der EU als auch in den USA als auch weltweit. Laut Prognosen der OECD wird die globale Wirtschaft im laufenden Jahr um 5,7 Prozent wachsen, nachdem sie im letzten Jahr um 3,4 Prozent gesunken ist. Die weltweite Produktion insgesamt ist dieses Jahr stärker als jemals zuvor. Dennoch hat sich die Inflation in diesem Jahr beschleunigt. Die angebliche Angebotsknappheit ist ein Mythos und kann daher auch nicht der Grund für die steigende Inflation sein.

Engpässe sind durch Nachfrage getrieben

Richtig ist, dass die Frachtraten im Seehandel zuletzt auf den höchsten Stand seit Jahrzehnten gestiegen sind. Richtig ist aber auch, dass zugleich die beförderten Mengen zugenommen haben. Führende Schifffahrtskonzerne berichten, dass die großen Häfen, Spediteure und Logistikunternehmen den Anstieg des internationalen Handels kaum noch bewältigen können. All dies spricht dafür, dass auch die hohen Frachtraten eher auf eine wachsende Nachfrage zurückzuführen sind, als auf Engpässe.

Auch die Daten der UN unterstützen dies. Demnach hat die weltweite Nachfrage nach Konsumgütern während der Pandemie zugenommen und die Nachfrage nach Containern sowie die Transportkosten in die Höhe getrieben hat. Der Anstieg der weltweiten Nachfrage nach Konsumgütern habe nicht nur die globalen Handelsströme zugunsten Chinas und anderer asiatischer Volkswirtschaften neu geordnet, sondern auch das internationale Handelsvolumen auf einen neuen Höchststand gebracht.

Der Mangel an Halbleitern, der vor allem die Automobilproduktion stark belastet, ist vor allem eine Folge des riesigen Auftragsbestands, der sich infolge der Corona-Beschränkungen angestaut hat. Dennoch ist der weltweite Halbleitermarkt letztes Jahr um 7 Prozent gewachsen und wird dieses Jahr voraussichtlich um weitere 20 Prozent wachsen. Die Nachfrage steigt nicht nur im Automobilsektor, da Elektrofahrzeuge mehr Chips brauchen, sondern auch bei den Herstellern von Computern und Unterhaltungselektronik, wo der Konsum stark angestiegen ist.

Grüne Politik stört die Energieproduktion

Der jüngste drastische Preisanstieg bei Kohle, Öl und Gas wird von den Notenbanken ebenfalls auf verschiedene Engpässe zurückgeführt. Doch in Wirklichkeit ist das weltweite Angebot gar nicht geschrumpft. Vielmehr ist die weltweite Energieproduktion immer weiter gestiegen. Nachdem sie in den letzten drei Jahren um etwa 2,4 Prozent pro Jahr gewachsen war, ging die Energieproduktion im Jahr 2020 aufgrund der Abschaltungen um 3,5 Prozent zurück, soll aber 2021 wieder um 4,1 Prozent ansteigen.

Zudem wäre das weltweite Energieangebot viel größer und ausgewogener, wenn es nicht die grüne Politik und die Kohlenstoffemissionsziele gegeben hätte, wie der rumänische Ökonom Mihai Macovei ausführt. In Europa wurden Kohlekraftwerke schrittweise abgeschaltet, in Deutschland zudem Kernkraftwerke. An ihre Stelle sind Windturbinen und andere erneuerbare Energiequellen getreten, die in letzter Zeit aufgrund ungünstiger Witterungsbedingungen unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt haben.

Hinzu kommen die geringeren Gaslieferungen aus Russland, die auf eine verfehlte Energiepolitik zurückzuführen sind. All dies hat insgesamt zu einer veritablen Krise auf dem europäischen Energiemarkt geführt, für die zuletzt Russland als Sündenbock herhalten musste. Doch selbst Angela Merkel hat zugegeben, dass die Erdgas-Knappheit in der EU nicht von Russland verschuldet worden ist. Auch in China haben die strengen CO2-Emissionsziele und die steigenden Kohlepreise zu einer Energieknappheit geführt, die den Betrieb von Fabriken unterbrochen hat.

Die wahren Ursachen der Inflation

Die staatlichen Konjunkturprogramme im Rahmen des Kampfes gegen Corona sowie das dafür nötige Gelddrucken der Zentralbanken waren von historischem Umfang. Zwar profitierten - wie immer in den Jahrzehnten seit dem Ende von Bretton Woods - vor allem die Superreichen von der Flutung der Finanzmärkte mit frischem Geld, da die lockere Geldpolitik der Notenbanken die Preise der von ihnen gekauften Vermögenswerte und die Märkte insgesamt in die Höhe treibt.

Doch in der Corona-Krise gelangte das in nie dagewesenem Maß frisch gedruckte Geld auch an die weniger Vermögenden. So bemühte sich etwa die Bundesregierung, die wirtschaftlichen Schäden, die durch die Lockdowns und den Kampf gegen Corona insgesamt verursacht wurden, dadurch abzufedern, dass sie den vom Corona-Kampf geschädigten Unternehmen und Bürgern verschiedene Formen von Hilfsgeldern zur Verfügung stellte, darunter etwa das deutlich ausgeweitete Kurzarbeitergeld.

Mit anderen Worten: Obwohl die Bürger hierzulande weniger produzierten als zuvor, oder besser gesagt: obwohl die Bürger nur weniger produzieren durften, erhielten sie dennoch insgesamt mehr Geld. Dies zeigt sich etwa darin, dass im zweiten Quartal das Geldvermögen der Deutschen auf ein historisches Rekordhoch angestiegen ist. Auch dies deutet darauf hin, dass die steigende Inflation derzeit eher durch zu viel Geld als durch zu wenige Waren verursacht wird.

Der derzeitige rasche Anstieg der Inflation lässt auch die Inflationserwartungen steigen. Denn wenn die Bürger feststellen, dass ihre Bestände an Euros durch die anhaltenden Preissteigerungen erheblich an Wert verlieren, so werden sie ihr Geld zusätzlich gering schätzen und auch höhere Preise bezahlen, um es loszuwerden. In diesem Fall können die Verbraucherpreise sogar deutlich stärker steigen, als die Geldmenge wächst. Den Zentralbanken droht der Kontrollverlust.

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