Finanzen

Marc Friedrich: Jens Weidmanns Rücktritt ist eine finanzpolitische Katastrophe

Lesezeit: 5 min
11.11.2021 10:59  Aktualisiert: 11.11.2021 10:59
Der Rücktritt des amtierenden Bundesbank-Chefs Jens Weidmann ist eine Hiobsbotschaft und ein Warnsignal zugleich. Mit ihm geht einer der letzten Kritiker einer zu laxen Geldpolitik. Keine guten Nachrichten für die Sparer und für unser Geldsystem. 
Marc Friedrich: Jens Weidmanns Rücktritt ist eine finanzpolitische Katastrophe
Scheidet am 31. Dezember aus dem Amt: (Noch)-Bundesbankpräsident Jens Weidmann. (Foto: dpa)

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Jens Weidmanns Rücktritt zum Ende des Jahres kommt überraschend. Erst 2019 war sein Vertrag um weitere acht Jahre verlängert worden. Doch nun zieht sich der oberste Notenbanker Deutschlands und regelmäßiger Mahner der EZB zurück. Die Bundesbank steht damit vor einer Zäsur - und noch mehr Schulden, weiteren Aufkaufprogrammen und einer noch höheren Inflation steht nichts mehr im Wege.

Die Erfolgsgeschichte der Deutschen Bundesbank

Dabei hatte alles so gut angefangen. Seit ihrer Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg war die Deutsche Bundesbank genau das, was uns heute fehlt: Nämlich ein Garant für die Stabilität des Geldwertes. Der Grund für ihren Erfolg waren die Lehren, die man aus der katastrophalen Politik der bankrotten Reichsbank und der Hyperinflation der Weimarer Republik gezogen und bei der Gründung der neuen deutschen Notenbank im Jahr 1957 berücksichtigt hatte. Das heißt, die Geschichte wurde damals nicht ignoriert – noch viel zu gegenwärtig waren die desaströsen Auswirkungen der Geldentwertung der 1920er Jahre. Mit der Deutschen Bundesbank schlug man ein neues geldpolitisches Kapitel auf, und die Institution erwies sich als Hüter der stärksten Fiatwährung des vergangenen Jahrhunderts: der D-Mark. Made in Germany! Die Deutsche Mark wurde aufgrund ihrer unerreichten Stabilität und Wertigkeit weltweit geschätzt und respektiert und fungierte in einigen Ländern sogar als Parallelwährung.

Die Fehlkonstruktion Euro

Dieser Erfolgsgeschichte wurde jedoch mit der Einführung des Euros am 1. Januar 2002 nach etwas mehr als 53 Jahren ein schmerzhaftes Ende gesetzt. Genau wie die D-Mark fiel auch die Bundesbank mit ihrer Stärke, Souveränität und Stabilität der Fehlkonstruktion Euro zum Opfer. Denn von nun an übte die EZB das Währungsmandat aus, und die Bundesbank war nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Doch trotz all dem verloren gegangenem Glanz alter Tage, einen Rekord kann sich die Bundesbank auch heute noch auf die Fahne schreiben. Sie ist mit einem Anteil von 27 Prozent der größte Gläubiger der EZB. Gut? Nein! Denn damit haftet die Bundesbank auch in einem

beträchtlichen Umfang für die EZB-Politik. Mitgegangen, mitgefangen. Hinzu kommt, dass jedes abstimmungsberechtigte Euro-Land im EZB-Rat genau eine Stimme hat, unabhängig vom Haftungsanteil. Die Konsequenzen sind klar: Die stimmenmäßig überlegenen Pleitestaaten des Euro-Raums votieren für eine weitere Abwertung der Währung und noch mehr Schulden zu Lasten des Nordens, also auch Deutschlands.

Das Währungsexperiment Euro ist gelinde gesagt ein Desaster, die größte Insolvenzverschleppung in der Geschichte der Menschheit. Seit der Finanzkrise 2008 ist der Euro ein Intensivpatient, wird durch immer noch mehr Schulden sowie eine ewige Nullzinsphase künstlich am Leben erhalten und schlittert von einer Krise zur nächsten. Lösungen gibt es keine, vielmehr wird bei jeder neuen Krise die alte Rezeptur angewandt und die Druckerpresse angeschmissen. Dadurch wird allerdings nur auf teure Art und Weise Zeit erkauft und die Probleme in die Zukunft verschoben, wo sie noch mehr wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden anrichten werden. Denn ewiges Gelddrucken hat noch nie eine Krise gelöst, geschweige denn Wohlstand erschaffen. Außerdem ist historisch gesehen bisher jede Währungsunion gescheitert. Schließlich ist es Unsinn, für höchst unterschiedlich leistungsstarke Volkswirtschaften eine einheitliche Geldpolitik zu verfolgen. Dass der Euro hier eine Ausnahme bilden wird, glaubt man höchstens noch im öko-sozialistischen Berlin, in dem man bekanntermaßen schon seit längerem in einer Parallel-Dimension lebt.

Weidmann, der EZB-Mahner

Jens Weidmann weiß das. Doch mit der EZB als Gallionsfigur ist die Bundesbank im Zins- und Währungskorsett der europäischen Währungshüter gefangen und muss Folge leisten. Dennoch war Weidmann - wie bereits sein Vorgänger Axel Weber - einer der wenigen Mahner im EZB-Rat. Schon 2011, als Weidmann während der griechischen Finanzkrise zum neuen Bundesbankpräsidenten berufen wurde, übte er scharfe Kritik am politischen Kurs Deutschlands und war gegen den Aufkauf von Staatsanleihen durch den europäischen Rettungsfond. Als im September 2012 im EZB-Rat über den Beschluss abgestimmt wurde, unter gewissen Voraussetzungen grenzenlos Staatsanleihen der Euro-Länder zu kaufen, stimmte er als Einziger mit „Nein“. Seit Jahren warnt Weidmann vor der Inflationsgefahr durch die ständige Ausweitung der Geldmenge und trat für eine Trennung von Geld- und Fiskalpolitik ein. Zudem mahnte er immer wieder, dass die EZB durch eine zügellose Geldpolitik nicht nur ihre Glaubwürdigkeit riskiert, sondern auch ihrer Verantwortung zur Erhaltung des Geldwertes nicht nachkommt. Weidmanns Kritik war stets berechtigt. Die gegenwärtigen Inflationsdaten von über vier Prozent bestätigen das. Erreicht hat er mit seiner Kritik gegen die laxe Notenbankpolitik der EZB jedoch nie etwas. Die Schuldenstände der EZB befinden sich auf Rekordniveau, und auch die Nullzinsphase findet vorerst kein Ende.

Trotzdem kommt Weidmanns Rücktritt denkbar ungünstig. Denn obwohl seine Kritik ungehört blieb: ein Gegengewicht zum Wahnsinn der Notenbanken, eine Normalisierung und Trennung von Geld- und Fiskalpolitik war noch nie wichtiger als jetzt. Allerdings spielte Weidmann laut Insidern schon seit 2019, als sich die EZB-Präsidentschaft gegen ihn und für Christine Lagarde entschied, mit dem Gedanken, sich zurückzuziehen. Nun führte er für seinen Rücktritt persönliche Gründe an und versicherte Scholz, dass seine Entscheidung nicht mit der Bundestagswahl zusammenhänge. Tatsächlich dürfte die geplante Schuldenmacherei der Ampel-Koalition dem gebürtigen Schwaben Weidmann aber schon jetzt schlaflose Nächte bereiten. Denn Grünen-Chef Robert Habeck spricht bereits davon, dass die herbeigesehnte Klimaneutralität Deutschlands nicht am Geld scheitern werde.

Auch die für Dezember anstehende EZB-Entscheidung über eine Verlängerung des Pandemie-Notfall-Programms PEPP lässt Weidmann sicherlich nicht sorgloser in die geldpolitische Zukunft der Euro-Länder blicken. Aller Voraussicht nach wird die Druckerpresse der EZB auf unbestimmte Zeit weiter auf Hochtouren laufen - ein Weg, den Weidmann auch im Rahmen seines Rücktritts nochmals scharf kritisiert hat. Er mahnte, dass es notwendig sei, „nicht einseitig auf Deflationsrisiken zu schauen, sondern auch perspektivische Inflationsgefahren nicht aus dem Blick zu verlieren“. Mit dieser Meinung blieb er im EZB-Rat aber immer allein. In Wahrheit steht Weidmann als Bundesbankpräsident vor einem Berg von Problemen: hohe Inflation, Schuldenmacherei der Ampel-Koalition und Abgesang auf den Euro durch die EZB-Politik. Er verlässt das sinkende Schiff rechtzeitig.

Weidmann-Nachfolge: Die Wahl zwischen Pest und Cholera

Die Nachfolge Weidmanns wird indes in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grüne und FDP besprochen. Im hochdiversen Regenbogen-Berlin wünscht man sich eine Frau an der Spitze der bisher nur von Männern geführten Bundesbank. In Frage kommt dabei unter anderem die Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch. Allerdings hat man in Notenbankkreisen und selbst in Berlin Zweifel daran, ob die unscheinbare Volkswirtin den Anforderungen dieses Amtes gewachsen ist. Wie bei derartigen Bedenken Buch überhaupt Vizepräsidentin der Bundesbank werden konnte, bleibt ein Rätsel. Im Gespräch ist auch Isabel Schnabel, die derzeit Mitglied im EZB-Direktorium ist. Sie verteidigt in immer wieder für Aufmerksamkeit sorgenden Reden die Geldpolitik der EZB. Außerdem verkaufte sie dem Bürger monatelang das Märchen einer vorübergehenden Inflation. Aber: Seit Anfang Oktober ist auch sie sich da nicht mehr so sicher. Als möglicher männlicher Weidmann-Nachfolger kommt Jörg Kukies (SPD) in Frage, der Staatssekretär unter Bundesfinanzminister Scholz war. Kukies ist der frühere Deutschland-Chef der skandalträchtigen Investmentbank Goldman Sachs. Außerdem war er in den ominösen Wirecard-Skandal verwickelt. Hoch gehandelt wird auch noch DIW-Chef Marcel Fratzscher, der einst Leiter der Abteilung für wirtschaftspolitische Analysen in der EZB war. Auch Fratzscher redete die Inflationssorgen anfangs klein, warnt aber nun angesichts einer voraussichtlichen Inflationsrate von 4,5% im Oktober vor einer Lohn-Preis-Spirale. Zugleich ist er Claqueur der SPD, womit sich die Sozialisten in Berlin für ihn erwärmen könnten.

Egal wer als Bundesbankpräsident auf Jens Weidmann nachfolgt, sicher ist, es wird erst schlimmer, bevor es besser wird. Die Bundesbank wird noch mehr zum Spielball der EZB werden und den Schuldenplänen der neuen Bundesregierung nicht im Weg stehen. Der Euro ist damit für den Abschuss freigegeben. Umso wichtiger, dass Sie sich jetzt aktiv um Ihr Vermögen kümmern und Ihr Erspartes aus dem Bankenkreislauf und der Sichtbarkeit des Staates ziehen. Noch ist Zeit, aber dieses Fenster wird sich schon bald schließen.


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