In der vergangenen Woche hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) eine Resolution verabschiedet. Es ist erst die dritte Resolution dieser Art seit der Gründung der Partei vor hundert Jahren. Die erste solche Resolution wurde 1945 von Staatsgründer Mao Zedong verabschiedet und die zweite 1981 von seinem Nachfolger Deng Xiaoping, der China eine wirtschaftliche Liberalisierung brachte.
In die Reihe dieser Vorgänger stellt sich nun Xi Jinping, der seit 2012 Führer der Kommunistischen Partei und seit 2013 Präsident des Landes ist. Die am 11. November vom Zentralkomitee verabschiedete Resolution befasst sich mit den wichtigsten Errungenschaften der 100-jährigen Parteigeschichte sowie mit der künftigen Ausrichtung der Partei.
"Genau wie die beiden vorangegangenen Resolutionen wird [diese Resolution] eine wichtige Rolle dabei spielen, die Theorie, den Willen und das Handeln der Partei zu vereinen, um künftige Fortschritte zu erzielen und das Ziel der zweiten Hundertjahrfeier und den großen chinesischen Traum der Verjüngung zu verwirklichen", sagte das Mitglied des Zentralkomitees Qu Qingshan.
An der viertägigen Klausurtagung nahmen mehr als 370 ordentliche und stellvertretende Mitglieder des 19. Zentralkomitees der Partei teil. Es war das letzte große Treffen der Partei vor dem nationalen Kongress im kommenden Jahr, wo Xi voraussichtlich eine dritte Amtszeit als Präsident anstreben wird. Im Jahr 2018 hat China die Begrenzung auf zwei Wahlperioden aufgehoben, was sogar eine lebenslange Amtszeit ermöglicht.
Warum ist die Resolution so wichtig?
Die Resolution untermauert den Führungsanspruch von Xi Jinping. Es ruft "die gesamte Partei, die gesamte Armee und die Menschen aller ethnischen Gruppen dazu auf, sich noch enger um das Zentralkomitee mit Xi Jinping als Kern zu scharen". Auch wird Loyalität eingefordert, indem "Xi Jinpings Gedankengut über den Sozialismus chinesischer Prägung in einer neuen Ära vollständig umgesetzt wird".
Der Beschluss schafft auch formell das alte Prinzip der "kollektiven Führung" zugunsten einer Rückkehr zum "Führerkult" ab, so Diplomaten gegenüber der dpa. Der Ex-Politikprofessor Wu Qiang spricht von "Nationalismus", der nach außen "mehr Blindheit und Irrationalität zeigen wird". Innenpolitisch warnt er vor einer "Zerstörung der Zivilgesellschaft", die sich mit der Marktwirtschaft über 30 Jahre entwickelt hat.
Der China-Experte Charles Parton weist in einem Bericht für die britische Denkfabrik Council on Geostrategy darauf hin, dass schon Mao und Deng die Resolutionen des Zentralkomitees nutzten, um die Niederlage ihrer politischen Gegner und ihre eigene überragende Macht zu unterstreichen. Xi hingegen habe sich seiner innerparteilichen Gegner längst entledigt - unter anderem mit seiner weitreichenden Anti-Korruptions-Kampagne.
"Er versucht, sich als Held im Epos von Chinas nationaler Reise darzustellen", zitiert die BBC Adam Ni, den Herausgeber eines Newsletters zu aktuellen chinesischen Themen. "Indem er eine historische Resolution durchsetzt, die ihn in den Mittelpunkt der großen Erzählung über die Partei und das moderne China stellt, demonstriert Xi seine Macht. Aber das Dokument ist auch ein Instrument, das ihm hilft, diese Macht zu erhalten."
Dr. Chong Ja Ian von der Nationalen Universität Singapur sagte, dass sich Xi mit seinem jüngsten Schritt von anderen früheren chinesischen Führern unterscheide. "Die früheren Staatsoberhäupter Hu Jintao und Jiang Zemin hatten nie so viel konsolidierte Autorität wie Xi. Es ist jedoch unklar, ob sie die Neigung hatten, dies zu tun, selbst wenn sie ähnliche Möglichkeiten gehabt hätten", so Chong.
Die erste Resolution, die 1945 auf einem Parteiplenum verabschiedet wurde, half Mao, seine Führungsposition zu festigen, sodass er 1949 die Gründung der Volksrepublik China ausrufen konnte. Deng initiierte 1981 die zweite Resolution, in der er Maos "Fehler" während der Kulturrevolution von 1966 bis 1976 kritisierte, die zu Millionen von Toten geführt hatten. Deng legte auch den Grundstein für Chinas Wirtschaftsreformen.
Xis Resolution fällt in eine Zeit, in der China zu einer Weltmacht geworden ist, was vor wenigen Jahrzehnten kaum vorstellbar war. "Das Land ist an einem Punkt angelangt, wo es auf ein beträchtliches Wachstum von Wirtschaft und Militär sowie auf die Anerkennung seines Status als Großmacht zurückblicken kann, wobei sowohl die KPCh als auch ihre Führung tief verwurzelt sind und es im Inland keine Opposition gibt", so Chong.
Xis Sieg über den Globalismus
Die neue Resolution der Kommunistischen Partei zeigt ganz deutlich, dass China unter Xi eine neue Ideologie verfolgt. So wie China seit dem Jahr 1978 nicht mehr maoistisch ist, so ist das Land nun auch nicht mehr "dengistisch". China hat nun ganz offiziell die Parteilinie des Mao-Nachfolger Deng Xiaoping, der den Fokus auf wirtschaftliches Wachstum legte, hinter sich gelassen und folgt nun Xi.
Deng hatte von Anfang an die Unterstützung der Globalisten. Xi hingegen ist ihnen ein Dorn im Auge. So schrieb etwa der immer wieder auch politisch tätige Investor George Soros am 13. August dieses Jahres im Wall Street Journal: "Ich halte Herrn Xi für den gefährlichsten Feind der offenen Gesellschaften in der Welt." Weiter schreibt Soros:
"Um zu verstehen, warum das so ist, ist ein wenig historischer Hintergrund erforderlich. Xi kam 2013 an die Macht, aber er war der Nutznießer der mutigen Reformagenda seines Vorgängers Deng Xiaoping, der eine ganz andere Vorstellung von Chinas Platz in der Welt hatte. Deng erkannte, dass der Westen viel weiter entwickelt war und China viel von ihm zu lernen hatte. Deng war weit davon entfernt, dem westlich dominierten globalen System diametral entgegenzustehen, sondern wollte, dass China innerhalb dieses Systems aufsteigt. Sein Ansatz wirkte Wunder. China wurde 2001 als Mitglied in die Welthandelsorganisation aufgenommen, mit den Privilegien, die mit dem Status eines weniger entwickelten Landes verbunden sind. China begann eine Periode nie dagewesenen Wachstums. Es hat sogar die globale Finanzkrise von 2007-08 besser bewältigt als die Industrieländer."
Soros zufolge hat Xi nicht verstanden, wie Deng seinen wirtschaftlichen und diplomatischen Erfolg erreicht hat. "Er nahm ihn als gegeben hin und nutzte ihn aus. [...] Xi Jinping hat sein Leben der Aufgabe gewidmet, Dengs Einfluss auf die Entwicklung Chinas rückgängig zu machen. [...] Er ist stark nationalistisch eingestellt und möchte, dass China die dominierende Macht in der Welt wird", so Soros.
Wie sehr die globalen Konzerne in China auf dem Rückzug sind, zeigt auch die die Abwanderung der letzten US-Online-Dienste aus dem Land. Mitte Oktober hat Microsoft die chinesische Version des Karriere-Netzwerks Linkedin dichtgemacht. Die Plattform verwies dabei unter anderem auf höhere Regulierungs-Anforderungen. Die Google-Dienste sind seit langem nicht mehr in China verfügbar, Facebook war dort gar nicht erst gestartet.
Anfang des Monats meldete Yahoo, dass künftig keine seiner Dienste mehr in China verfügbar sein werden. Das Unternehmen verwies auf zunehmende geschäftliche und rechtliche Herausforderungen. Der jüngste Schritt ist jedoch weitgehend symbolisch, da die wichtigsten Yahoo-Angebote wie E-Mail bereits seit Jahren nicht mehr in China nutzbar sind.
Online-Plattformen in China sind verpflichtet, Daten chinesischer Nutzer auf Anfrage den Behörden zur Verfügung zu stellen und im Land untersagte Inhalte zu entfernen. Wie US-Medien kürzlich berichteten, forderten die chinesischen Behörden von LinkedIn in den vergangenen Monaten, die geltenden Regeln strikter durchzusetzen.
Xi Jinping zeigt - ähnlich wie Russlands Präsident Wladimir Putin - kein Interesse an der Schaffung einer globalen Weltordnung. Soros nannte ihn bereits im Sommer nicht zu unrecht "stark nationalistisch". Die nun verabschiedete offizielle Erklärung des Zentralkomitees der Kommunisten Partei Chinas macht dies für alle deutlich und schreibt es für die Zukunft fest.
Niemand im Westen sieht in Chinas System derzeit ein auch nur halbwegs geeignetes Vorbild - ebenso wenig wie die Russen in Chinas System ein geeignetes Vorbild sehen. Und doch ist China unter Xi für alle anti-globalistischen Bewegungen zwar kein Freund, wohl aber ein Verbündeter, der zumindest vorläufig gezeigt hat, wie man den Globalismus tatsächlich besiegen kann.