Weltwirtschaft

Rohstoffgigant Trafigura warnt Europa vor Stromausfällen im anstehenden Winter

Lesezeit: 3 min
23.11.2021 17:19  Aktualisiert: 23.11.2021 17:19
Einer der größten Rohstoffhändler der Welt warnt vor breitflächigen Stromausfällen in Europa.

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Der Vorstandsvorsitzende des weltweit aktiven Rohstoff-Handelsunternehmens Trafigura, Jeremy Weir, warnt mit Blick auf den anstehenden Winter vor breitflächigen Stromausfällen in Europa. „Ehrlich gesagt haben wir im Moment nicht genug Erdgas. Wir lagern nicht für den Winter ein. Deshalb gibt es ernste Sorgen, dass wir, wenn wir einen kalten Winter haben, verbreitet Stromausfälle in Europa sehen werden“, zitiert die Financial Times Weir.

Weir bezeichnete den rapiden Anstieg der Gaspreise zudem als „herausfordernd“ für die Branche. Der für den europäischen Markt maßgebliche Benchmarkpreis TTF hatte sich seit März beinahe versechsfacht, von etwa 15 Euro je Megawattstunde auf derzeit rund 85 Euro. Hauptgrund dafür war eine überdurchschnittlich starke Entnahme aus den Lagerbeständen als Folge eines ungewöhnlich kalten Winters 2020/21, welche nicht rechtzeitig aufgefüllt wurde.

Auch die Situation auf dem Ölmarkt ist Weir zufolge „sehr, sehr eng“. Unzureichende Investitionen in die Suche nach und Entwicklung neuer Ölfelder in der jüngeren Vergangenheit hätten dazu geführt, dass ein „dreistelliger Ölpreis sehr wahrscheinlich“ sei. Derzeit schwanken die Notierungen für Rohöl auf den Weltmärkten um die Marke von 80 US-Dollar pro Barrel (159 Liter).

Die Weltwirtschaft benötigt Weir zufolge trotz der Anstrengungen der Staaten zum Ausstieg aus fossilen Energiequellen auf unabsehbare Zeit weiterhin Erdöl und Erdgas. Die mit dem Ziel des „Klimaschutzes“ verbundene Strategie einer „De-Karbonisierung“ der Wirtschaftskreisläufe könne nicht einfach „auf Knopfdruck“ geschehen. „Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir weiterhin in diesen Branchen investieren müssen, um auch in Zukunft Energie bereitstellen zu können“, sagte Weir. Trafigura werde auch weiterhin mit Kohle handeln, solange dafür eine Nachfrage bestünde.

Trafigura gehört zu den fünf wichtigsten Rohstoffhandelshäusern der Welt. Das Unternehmen bewegt jeden Tag etwa 6,5 Millionen Barrel Rohöl und Ölprodukte. Zum Vergleich: der gesamte weltweite Verbrauch an Rohöl liegt derzeit bei ungefähr 95 Millionen Barrel. Gleichzeitig investiert das Unternehmen auch verstärkt in alternative Energiequellen und ist im Handel mit Emissionszertifikaten aktiv.

Hintergrund für Weirs Warnungen sind Bestrebungen der Industrieländer, die Erwärmung des Weltklimas zu begrenzen. Der dafür notwendige Ausstieg aus fossilen Energieformen wie Kohle, Erdöl und Erdgas stößt aber zunehmend auf Hindernisse, weil alternative Formen der Stromerzeugung wie beispielsweise Windräder und Solaranlagen keinen regelbaren Betrieb garantieren.

Deutschland muss auf Gas setzen

Absehbar ist deshalb weltweit eine Hinwendung zur Atomkraft sowie zum Erdgas, welches im Vergleich zu Erdöl und Kohle geringere Kohlenstoffdioxidemissionen verursacht.

Die deutsche Industrie hält aus diesem Grund in den kommenden Jahren eine massiven Zubau von Gaskraftwerken als Übergangstechnologie für zwingend notwendig. Industriepräsident Siegfried Russwurm sprach am Dienstag bei einem Klimakongress des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) von einem Zubau von 43 Gigawatt Gaskraftwerken bis 2030. „Das ist richtig viel.“ Die Gaskraftwerke sollten mit Erdgas betrieben und später auf „grünen Wasserstoff“ umgestellt werden. Die neue Regierung müsse den Bau neuer Gaskraftwerke schnell beschließen.

Dies ist aber umstritten. Im Grünen-Wahlprogramm etwa heißt es, neue Gaskraftwerke oder Infrastrukturen, die für den Kohleausstieg gebraucht würden, dürfe es nur geben, wenn sie „aktuell zwingend“ notwendig seien und bereits „Wasserstoffready“ geplant und gebaut werden.

Der BDI hatte bereits in einer vor einem Monat vorgelegten Studie darauf verwiesen, neue Gaskraftwerke seien nötig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die letzten verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland sollen Ende 2022 vom Netz gehen. Die mögliche neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP will den Kohleausstieg vorziehen. „Idealerweise“ solle dies bereits 2030 geschehen und nicht erst 2038 wie bisher geplant, wie es im Sondierungspapier heißt. Beim Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne gibt es bisher aber viele Hemmnisse.

Die Industrie legte kurz vor dem erwarteten Ende der Ampel-Koalitionsverhandlungen einen Fünf-Punkte-Plan dazu vor, was die neue Regierung schnell umsetzen müsse. Mit Blick auf Klimaziele in neun Jahren sagte Russwurm: „2030 ist aus Sicht der Industrie morgen.“ Er verwies auf Investitionszyklen in der Wirtschaft. Viele Unternehmen seien bereit, zu investieren. Die Infrastruktur für erneuerbare Energien müsse aber schneller und massiv ausgebaut werden.


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