Politik

Macron und Draghi unterzeichnen historischen "Quirinalsvertrag"

Italiens Regierungschef Mario Draghi spricht von einem «historischen Moment». Mit einem bilateralen Vertrag bauen Frankreich und Italien zum Ende der Ära von Angela Merkel ihre Beziehungen aus.
26.11.2021 16:31
Aktualisiert: 26.11.2021 16:31
Lesezeit: 2 min
Macron und Draghi unterzeichnen historischen "Quirinalsvertrag"
Emmanuel Macron und Mario Draghi schütteln sich am Freitag in Rom die Hände. (Foto: dpa) Foto: Alberto Pizzoli

Italien und Frankreich wollen zukünftig ihre Beziehungen weiter verstärken und haben dazu einen Freundschaftspakt geschlossen. Der französische Präsident Emmanuel Macron und Italiens Ministerpräsident Mario Draghi unterzeichneten am Freitag in Rom den umfangreichen bilateralen Vertrag. Dieser markiere einen «historischen Moment» in der Geschichte der Beziehungen beider Länder, sagte Draghi im Anschluss. Frankreich und Italien festigten ihre diplomatischen, kommerziellen, politischen und kulturellen Beziehungen weiter. «Seit heute sind wir uns näher.»

Der Vertrag wird als Quirinalsvertrag bezeichnet - nach dem Palast des italienischen Staatspräsidenten (Quirinale), wo Macron und Draghi zusammenkamen. Die Namensgebung erinnert an den deutsch-französischen Élysée-Vertrag von 1963, der nach dem Amtssitz des französischen Präsidenten benannt ist und den Grundstein für die enge Partnerschaft der beiden einstigen «Erbfeinde» bildete.

Der Quirinalsvertrag soll nun die Zusammenarbeit der zweitgrößten (Frankreich) und drittgrößten (Italien) Volkswirtschaft der EU stärken. Auf 15 Seiten haben die Diplomaten die Absprachen in zwölf Artikeln festgehalten. Dazu zählen die Stärkung der Europäischen Union, außenpolitische Vorhaben, Wirtschaft, Umwelt, Sicherheit und Verteidigung, Kultur und Bildung. Draghi nannte etwa die Notwendigkeit einer auf Solidarität basierenden Migrationspolitik. Außerdem solle der italienische Regierungschef einmal im Quartal am Ministerrat der französischen Regierung teilnehmen - und umgekehrt.

Aus dem Vertragstext geht außerdem hervor, dass die beiden Länder im Bereich Raumfahrt kooperieren wollen. Das Weltall wird darin als «Schlüssel-Dimension» bezeichnet. Die Staaten wollen demnach ihre Industrie-Zusammenarbeit für die Erkundung im All, Beobachtung der Erde und Telekommunikation ausbauen. Italien und Frankreich wollen außerdem ihre Kooperation in der Verteidigung erweitern. Vorgesehen ist, den Streitkräften des jeweils anderen Landes den Transit und die Stationierung im eigenen Land zu erleichtern. Sie wollen sich zudem gegenseitig mit Verteidigungsausrüstung unterstützen.

An dem Vertrag sei schon seit einigen Jahren gearbeitet worden, und er kam jetzt vor allem durch die persönlichen Verbindungen zwischen Draghi und Macron zustande, sagte der Analyst Wolfango Piccoli. Der Experte ging davon aus, dass, egal wie sich die italienisch-französischen Beziehungen weiter entwickelten, Deutschland weiter Frankreichs Hauptpartner bleibe. «Die Vereinbarung wird nicht zu einer Veränderung im Gleichgewicht der Mächte in Europa führen», sagte Piccoli der Deutschen Presse-Agentur.

Der Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rom, Tobias Mörschel, sieht in dem Vertrag einen Impuls zur Zusammenarbeit in Europa. «Es ist nicht gegen Europa oder gegen Deutschland gerichtet», sagte er der dpa. Für Deutschland gehe es nun darum, das «Dreieck» und einen Vertrag mit Italien zu schließen - analog zum Aachener Vertrag, den die Bundesrepublik mit Frankreich am 22. Januar 2019 unterschrieb und der an den Élysée-Vertrag anknüpfte. «Wenn wir die Europäische Union voranbringen wollen, müssen diese drei Länder stärker kooperieren», erklärte Mörschel.

Der Quirinalsvertrag kommt just im Jahr des Abschieds von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zustande. Unter den Augen mehrerer Minister beider Länder sowie von Italiens Staatsoberhaupt Sergio Mattarella unterschrieben Draghi und Macron das Abkommen. Über Rom donnerte eine Militärflieger-Staffel, die die Farben der Flaggen beider Staaten versprühten. Im Anschluss an das Treffen mit der italienischen Regierung fuhr Macron in den Vatikan, wo ihn Papst Franziskus zu einer rund einstündigen Privataudienz empfing.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Trump und Musk im Schlagabtausch: Streit um Steuerpläne und neue Partei eskaliert
01.07.2025

Die Auseinandersetzung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem Tech-Milliardär Elon Musk geht in die nächste Runde. Am Montag und in...

DWN
Politik
Politik Dänemark übernimmt EU-Ratsvorsitz – Aufrüstung dominiert Agenda
01.07.2025

Dänemark hat den alle sechs Monate rotierenden Vorsitz im Rat der EU übernommen. Deutschlands Nachbar im Norden tritt damit turnusmäßig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Technik streikt: Zählt Ausfallzeit zur Arbeitszeit?
01.07.2025

Wenn im Büro plötzlich die Technik versagt, stellt sich schnell eine Frage: Muss weitergearbeitet werden – oder zählt die Zeit...

DWN
Politik
Politik NATO ohne Substanz: Europa fehlen Waffen für den Ernstfall
01.07.2025

Europa will mehr für die Verteidigung tun, doch der Mangel an Waffen, Munition und Strategie bleibt eklatant. Experten warnen vor fatalen...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...