Deutschland

Alarmstimmung im Handel: 2G-Regelung bedroht Weihnachtsgeschäft

Der stationäre Handel sieht sich als Opfer einer unsinnigen „Show-Maßnahme“ der Politik und fürchtet Umsatzrückgänge von bis zu 50 Prozent. Doch natürlich würde es bei 2G auch Gewinner geben.
01.12.2021 14:38
Aktualisiert: 01.12.2021 14:38
Lesezeit: 2 min

Im Handel herrscht Alarmstimmung: Schon am ersten Adventswochenende blieben viele Verbraucher angesichts hoher Inzidenzzahlen den Innenstädten fern. Und jetzt könnte ausgerechnet im wichtigen Weihnachtsgeschäft sogar noch eine größere Gefahr drohen - wenn bundesweit in großen Teilen des Einzelhandels tatsächlich die 2G-Regel eingeführt werden sollte und nur noch Geimpfte und Genesene in Warenhäusern, Modegeschäften und Elektronikläden einkaufen dürfen. Ausnahmen sollen für Geschäfte des täglichen Bedarfs gelten.

Ein solcher Schritt könne „zu erheblichen Umsatzrückgängen von bis zu 50 Prozent führen und für die Einzelhändler daher existenzgefährdende Auswirkungen haben“, warnte der Präsident des Handelsverbandes Deutschlands, Josef Sanktjohanser, am Mittwoch in einem Brief an die noch amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren wahrscheinlichen Nachfolger Olaf Scholz. Er appellierte an die Politiker, auf eine bundesweite 2G-Regel im Handel zu verzichten.

Dass die Bitte auf offene Ohren trifft, darf angesichts der hohen Inzidenzzahlen allerdings bezweifelt werden. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) etwa zeigte sich am Mittwoch überzeugt dass die 2G-Regeln im Einzelhandel Realität wird.

„Es ist wichtig, dass wir deutschlandweit diese Regel bekommen“, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. Es sei dann faktisch auch ein Stück weit ein Lockdown für Ungeimpfte. „Ungeimpfte dürfen dann nicht mehr so einfach shoppen gehen.“

Im Handel stößt diese Strategie allerdings auf völliges Unverständnis. „Der Handel hat seit Beginn der Corona-Krise erhebliche Sonderopfer gebracht, obwohl er zu keinem Zeitpunkt als Inzidenztreiber bezeichnet werden konnte. Vielmehr haben zahlreiche Studien ergeben, dass das Risiko der Ansteckung im Einzelhandel marginal ist“, betonte der HDE-Präsident in seinem Schreiben an Merkel und Scholz. 2G in weiten Teilen des Handels einzuführen, sei „unverhältnismäßig und daher rechtswidrig“ und würde noch dazu am Ziel der Eindämmung der Pandemie vorbeigehen.

Patrick Zahn, der Chef des Textil-Discounters Kik, sieht in der 2G-Regelung nur eine „Show-Maßnahme“ der Politik. Die Vorschrift im Handel mache doch keinen Sinn, wenn sich die Menschen gleichzeitig in Zügen oder Flugzeugen ohne Einschränkungen bewegen könnten. „In den drei Bundesländern wo 2G schon praktiziert wird, machen wir 30 Prozent weniger Umsatz - und das bei vollen Kosten, weil wir niemanden in Kurzarbeit schicken können“, klagte der Manager. „Es ist brutal.“

Gleichzeitig bekämen die Mitarbeiter die Aggressionen vieler Kunden zu spüren, wenn sie die Einhaltung der 2G-Regel überprüften. «Die Kunden verstehen nicht, dass sie im Drogeriemarkt nebenan problemlos einkaufen können, bei uns aber Impfausweis und Personalausweis rausholen müssen», sagte Zahn.

Auch Deutschlands größter Schuhhändler Deichmann hält weitere Einschränkungen im Einzelhandel angesichts der vorhandenen Hygienekonzepte „nicht für notwendig“. Ein Unternehmenssprecher sagte: „Der Schlüssel zum Erfolg liegt aus unserer Sicht eher in einem stärkeren Einsatz aller Beteiligten zur Steigerung der Impfquote.“

Die Textilhandelskette Ernstings Family sprach angesichts der 2G-Pläne von einem „weiteren Schlag ins Gesicht derjenigen, die bereits im letzten Winter deutlich benachteiligt wurden“. Faktisch führe 2G im Handel „zu Frequenzrückgängen von mindestens 30 Prozent, die sich auch in massiven Umsatzeinbußen bemerkbar machen - und das im so wichtigen Weihnachtsgeschäft“.

Dabei läuft das Weihnachtgeschäft für viele stationäre Händler schon jetzt nicht rund. Eine Umfrage des Handelsverbandes unter seinen Mitgliedern zeigte am Wochenende, „dass nur 20 Prozent der 350 befragten Unternehmen mit den Umsätzen im bisherigen Weihnachtsgeschäft zufrieden sind“. Denn die vierte Corona-Welle trübt die Stimmung der Verbraucher, wie die Konsumforscher der Nürnberger GfK feststellten. Die Neigung zu Anschaffungen sei auf ein Neun-Monats-Tief gesunken.

Doch natürlich wird es bei einer flächendeckenden Einführung der 2G-Regel in weiten Teilen des Handels auch Gewinner geben: allen voran wohl der Online-Handel. Schon vor der aktuellen Zuspitzung der Corona-Krise wollten laut GfK fast zwei Drittel der Verbraucher, Geschenke hauptsächlich im Internet einkaufen. Diese Zahl könnte nun noch weiter steigen - zu Lasten der Händler in den Innenstädten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Sichtbar mit KI: Wie KMU auf ChatGPT und Gemini gefunden werden
07.11.2025

Nach der Einführung von Googles KI-Übersicht ist der Website-Traffic im Schnitt um sieben Prozent gesunken. Klassisches SEO verliert an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teure Naschzeit: Preise für Schoko-Weihnachtsmänner steigen deutlich
07.11.2025

Süße Klassiker wie Schoko-Weihnachtsmänner, Dominosteine und Lebkuchen gehören für viele zur Adventszeit dazu – doch in diesem Jahr...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Krieg entzieht der russischen Wirtschaft die Kraft
07.11.2025

Die russische Wirtschaft gerät unter Druck: hohe Inflation, sinkendes Wachstum, militärische Überlastung und neue US-Sanktionen gegen...

DWN
Politik
Politik Merz am Amazonas – Kanzler setzt Zeichen für internationalen Klimaschutz
07.11.2025

Rund 20 Stunden Flug für gut 21 Stunden Aufenthalt: Bundeskanzler Friedrich Merz reist nach Brasilien, um am Amazonas Präsenz zu zeigen....

DWN
Finanzen
Finanzen Altersvorsorge: Politik riskiert Rentenkollaps – ist Investieren in Aktien die Lösung?
07.11.2025

Das deutsche Altersvorsorgesystem steht kurz vor dem finanziellen Kollaps: Eine exklusive Forsa-Umfrage im Auftrag der Initiative...

DWN
Politik
Politik Empörung über AfD-Reise nach Russland – CSU wirft Partei Landesverrat vor
07.11.2025

Eine geplante AfD-Delegationsreise zu einer Konferenz im russischen Sotschi sorgt für scharfe Kritik. Politiker von CDU und CSU werfen der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla-Aktionäre ebnen Musk den Weg: Aktien im Wert von einer Billion Dollar
07.11.2025

Elon Musk steht vor einer potenziellen Megabelohnung: Die Anteilseigner von Tesla haben einem außergewöhnlichen Vergütungspaket...

DWN
Politik
Politik ADAC-Studie: So schlimm und teuer wären Brückensperrungen
07.11.2025

Rund 8.000 Autobahnbrücken sind sanierungsbedürftig. Manchmal müssen sie kurzfristig gesperrt werden. Der ADAC hat für fünf errechnen...