Finanzen

Drosselung der Anleihekäufe und Zinserhöhungen kommen zu spät: Die Fed hat die Kontrolle verloren

Lesezeit: 4 min
26.12.2021 09:06
Die Fed hat sich durch ihre Politik des billigen Geldes in eine aussichtslose Lage gebracht.
Drosselung der Anleihekäufe und Zinserhöhungen kommen zu spät: Die Fed hat die Kontrolle verloren
Börsenhändler an der Wall Street schauen gebannt auf einen Fernsehschirm, auf dem gerade verkündet wird, dass die Fed die Zinsen erhöht hat (Dezember 2016). (Foto: dpa)

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Das globale Finanzsystem gleicht einem Patienten, der nur durch immer neue Eingriffe am Leben erhalten werden kann. Die wichtigste Rolle bei der Festlegung der lebenserhaltenden Maßnahmen spielen die Zentralbanken. Führend unter ihnen ist die US-amerikanische Federal Reserve (FED).

Die Entscheidungen der FED sind deshalb so wichtig, weil die USA bis heute über die stärkste Volkswirtschaft der Erde verfügen und der US-Dollar noch immer die weltweit meistgehandelte Währung ist. Fast alle anderen Zentralbanken der Welt halten mehr als die Hälfte ihrer Reserven in Dollar, sind also von jedem Beschluss der FED direkt betroffen.

Die FED aber hat sich in den vergangenen Jahren in eine aussichtslose Position manövriert. Die ultralockere Geldpolitik, mit der sie das globale Finanzsystem seit der Weltfinanzkrise gestützt und die sie im Rahmen der Eurokrise drastisch ausgeweitet hat, sorgt seit Jahren für immer größere Blasen an den Anleihen-, Aktien- und Immobilienmärkten. In diesem Jahr schlägt die FED-Politik zudem in Form einer rasch anziehenden Inflation immer härter auf den Alltag der Bevölkerung durch.

Betrug die offizielle jährliche Inflationsrate der USA im Januar 2021 noch 1,4 Prozent, so lag sie im Oktober bereits bei 6,2 Prozent. Das ist der stärkste Preisanstieg seit über dreißig Jahren. Während FED-Chef Jerome Powell bis vor kurzem noch von einem „vorübergehenden Phänomen“ sprach, hat er sich inzwischen korrigiert und schätzt den Preisanstieg nun als „hartnäckiges Problem“ ein.

Dieses Eingeständnis seiner – vermutlich politisch begründeten – Fehleinschätzung wird Powell jedoch nicht helfen. Seine derzeitige Situation gleicht der eines Soldaten, der an vorderster Front kämpft und plötzlich feststellt, dass ihm die Munition ausgeht. Hier der Hintergrund:

Die Mittel der FED sind erschöpft

Das offizielle Ziel der FED besteht in einer Inflationsrate von zwei Prozent. Ihr stehen, um diesen Wert zu erreichen, zwei Instrumente zur Verfügung: die Geldschöpfung und die Festlegung des Leitzinses. Beide Mittel hat die FED in den zurückliegenden Jahren und Monaten exzessiv eingesetzt. Sie hat ihre Bilanz in kaum vorstellbarer Weise von circa 880 Milliarden US-Dollar im Oktober 2007 auf aktuell 8,7 Billionen US-Dollar ausgeweitet und die Zinsen im März 2020 bis auf 0,25 Prozent gesenkt.

Damit aber hat sie einen kritischen Punkt erreicht. Da das Bankensystem in seiner gegenwärtigen Form auf Dauer nicht mit Negativzinsen leben kann, verbleibt der Fed bei ihrer Zinspolitik von nun an nur noch ein Spielraum von 0,25 Prozent.

Das ist jedoch erheblich zu wenig, um die Lage beim nächsten Einbruch der Finanzmärkte, der mit absoluter Sicherheit kommen wird, zu stabilisieren. Um gegenzusteuern, bleibt Powell also nur noch die Möglichkeit, die Geldmenge drastisch auszuweiten. Das aber wird die Inflation auf immer neue Höhen treiben und nicht nur den Wert des Geldes, sondern auch die Glaubwürdigkeit der FED untergraben.

Um seine Haut zu retten, unternimmt Powell angesichts dieser bedrohlichen Aussichten nun den Versuch, die ultralockere Geldpolitik vorsichtig zu straffen, und zwar in zwei Schritten: Zunächst werden die monatlichen Anleihekäufe in Höhe von 120 Milliarden Dollar um 15 Milliarden Dollar zurückgefahren. Im nächsten Jahr sollen dann die Zinsen vorsichtig wieder angehoben werden.

Dieser überaus zaghafte Versuch, die Geldflut einzudämmen, wird jedoch nicht gelingen, denn diese Strategie ist schon einmal gescheitert: 2018 hob die FED unter Powells Vorgängerin Janet Yellen die Zinsen zwischen Dezember 2017 und Dezember 2018 viermal um jeweils 0,25 Prozent an. Das Ergebnis war ein Erdrutsch an den internationalen Aktienmärkten, die zum Jahresende 2018 den stärksten Einbruch seit achtzig Jahren erlebten.

Der Hauptgrund für die Aussichtslosigkeit der Bemühungen liegt darin, dass wir es nicht nur mit der größten Geldmenge aller Zeiten zu tun haben, sondern auch mit dem höchsten Schuldenberg. Global werden Haushalts-, Unternehmens- und Staatsschulen auf mittlerweile 300 Billionen Dollar geschätzt, allein die Staatsschulden der USA liegen aktuell bei circa 29 Billionen Dollar.

Diese Schulden müssen bedient werden, und das wird mit jeder Zinserhöhung schwieriger. Das heißt: Es gibt sowohl seitens der Finanzindustrie als auch seitens der Staaten einen immensen Druck, die Zinsen keinesfalls zu erhöhen und damit einen direkten Interessenskonflikt zwischen der FED einerseits und der Regierung in Washington und der Finanzindustrie andererseits. Die letztere aber befindet sich in unseren Tagen weitgehend in der Hand einiger weniger Akteure, die inzwischen so mächtig sind, dass sie sämtliche Zentralbanken, inklusive der FED, aber auch alle Regierungen, inklusive der im Weißen Haus, mühelos vor sich hertreiben können.

BlackRock und Vanguard – die Weltmacht im Hintergrund

Waren es in den 1980er und 1990er Jahren die Investmentbanken, die den Finanzsektor beherrschten, so sind es heute die großen Vermögensverwalter, allen voran BlackRock und Vanguard. Zusammen verwalten beide etwa 16 Billionen US-Dollar, außerdem sind sie an fast allen Großunternehmen der Welt, auch an den Großbanken der Wall Street, beteiligt.

Bereits in der Weltfinanzkrise von 2007/08 haben sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die FED BlackRock als Beraterfirma engagiert, um sich von deren Experten helfen zu lassen, das aus dem Nichts geschaffene Geld zu verteilen.

Das war aus der Sicht der Zentralbanken auch gar nicht anders möglich, denn BlackRock (dessen größter Aktionär Vanguard ist) verfügt mit dem Computersystem "Aladdin" über das größte Datenanalysesystem, das die Finanzindustrie jemals gesehen hat.

Wer also daran interessiert ist, einen Zusammenbruch des gesamten Finanzgebäudes zu verhindern, der ist praktisch gezwungen, auf diesen riesigen Datenpool zurückzugreifen. Gleichzeitig ist damit aber auch klar: Die Zentralbanken sind zu Geiseln einer neuen Großmacht geworden, an deren Spitze BlackRock und Vanguard stehen.

Wir leben in einer Übergangsphase

Was aber wird in den kommenden Monaten passieren? Im Rahmen des bestehenden Systems gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Geldflut wird auf Druck von Blackrock & Co. und entgegen allen Versprechen der FED fortgesetzt oder BlackRock & Co. lassen die FED tatsächlich die Zinsen erhöhen, produzieren dann allerdings selbst einen Crash und erzwingen so ein weiteres Quantitative Easing, also die nächste Geldflut.

In beiden Fällen wird die Inflation den Wert des Geldes sehr schnell dahinschmelzen lassen. Deshalb kann man sicher sein, dass im Hintergrund nach einem Ausweg aus der aktuellen Misere gesucht wird. Und tatsächlich – genau daran wird zurzeit unter Hochdruck gearbeitet.

Das Ziel ist die völlige Umstrukturierung des Bankensystems und die Herausgabe digitalen Zentralbankgeldes. Es soll Negativzinsen überflüssig machen und die Lenkung aller Geldströme ausschließlich in die Hände der Zentralbanken und die Steuerung des Systems damit in die Hände von BlackRock und Vanguard legen.

Das große Problem besteht zurzeit darin, dass dieses größte Geldexperiment der gesamten Menschheitsgeschichte sich zurzeit noch in der Testphase befindet, viele Einzelheiten noch ungeklärt sind und niemand weiß, wie die Menschen auf die Einführung des neuen Geldes reagieren werden.

Aus diesem Grund spielen die Akteure von BlackRock und Co. momentan auf Zeit. Aktuell versuchen sie, den Zusammenbruch so lange wie möglich hinauszuzögern, um es auch weiterhin nach Strich und Faden zu plündern. Wie lange das gelingt, kann niemand voraussagen, aber eines steht fest: Sobald es einzustürzen beginnt, werden die Betreiber von Aladdin die ersten sein, die das bemerken und mit Sicherheit noch auf seinen Absturz wetten, um auch noch den letzten Cent an Gewinn mitzunehmen, bevor sie versuchen werden, das Spiel in Rahmen eines neuen Geldsystems wieder von vorn zu starten.

                                                                            ***

Ernst Wolff, 69, befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen internationaler Politik und globaler Finanzwirtschaft.


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