Deutschland

Geisterspiele: Frust und Sorgen in deutschen Profi-Ligen

Die Entscheidung des Bundes und der Länder, wegen der Omikron-Variante nach Weihnachten nur Geisterspiele zuzulassen, sorgt bei vielen Ligen-Verantwortlichen und Clubs für Frust. Viele Vereine sehen sich schon in der Existenz bedroht.
22.12.2021 15:59
Lesezeit: 2 min

Die Aussicht auf Geisterspiele hat im Profisport Frust und Existenzängste ausgelöst. «Es kommt der Gedanke auf, dass der Profisport ein Symbol ist, um der Bevölkerung den Ernst der Lage zu verdeutlichen, und der Profisport ausbaden muss, was er nicht selbst verschuldet hat», kritisierte der Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga, Stefan Holz, am Mittwoch den Beschluss des Bundes und der Länder vom Vortag.

Demnach sind wegen der rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus vom 28. Dezember an bei allen Großveranstaltungen - einschließlich des Sports - keine Zuschauer mehr zugelassen. «Aus infektiologischer Sicht spricht doch nichts gegen 2G plus mit Test, FFP2-Maske oder Booster-Impfung mit Test, um ein paar Hundert Leute in die Halle zu lassen», sagte Holz der dpa.

Schon jetzt haben die fast zwei Jahre Corona-Krise den Top-Vereinen in den wichtigsten Mannschaftssportarten in Deutschland erhebliche Mindereinnahmen beschert. Die Hoffnungen auf Besserung sind durch das Aufkommen der neuen Virusvariante vorerst vorbei. Vor allem im Basketball, Eishockey und Handball, in denen die Ticketeinnahmen einen wesentlich größeren Anteil am Budget der Clubs als im Fußball bilden, wachsen die Sorgen bis zur Verzweiflung.

«Was kommt nach der nächsten Corona-Variante? Und dann geht es ewig so weiter? Das ist doch keine Perspektive», sagte Holz. Die finanzielle Situation für die Basketballvereine ist seiner Aussage nach «total schwierig, schlichtweg kritisch». Nicht jeder Club werde das überleben, warnte er.

Geschäftsführer Nils Mittmann vom Basketball-Bundesligisten Löwen Braunschweig teilte diese Einschätzung. «Das hat extreme Auswirkungen und ist für alle außer dem Fußball existenzbedrohend», sagte er der «Braunschweiger Zeitung».

Doch auch im Profifußball greifen die Sorgen durch die Aussicht auf leere Ränge um sich. «Die Auswirkungen sind dramatisch», zitierte sportbuzzer.de Mehrheitsgesellschafter Martin Kind vom Zweitligisten Hannover 96. Schon zuletzt hatten die Niedersachsen beim letzten Punktspiel des Jahres am Sonntag gegen Werder Bremen nur 5000 Zuschauer ins Stadion lassen dürfen. «5000 sind auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein», sagte Kind. Es bleibe sowieso nichts übrig.

Der scheidende Geschäftsführer des Bundesligisten 1. FC Köln und künftige Vorstandschef des VfB Stuttgart, Alexander Wehrle, rechnete vor: «Jedes Geisterspiel kostet uns 1,8 Millionen Euro.» In den bisherigen neun Heimspielen dieser Saison hatten insgesamt 286 000 Zuschauer die Spiele des Bundesliga-Achten besucht.

Sofort betroffen von den Beschlüssen sind neben der Basketball-Bundesliga auch die Deutsche Eishockey Liga. Auch im Eishockey sind Spiele über die Festtage und den Jahreswechsel angesetzt. Die Fußball-Bundesliga macht hingegen noch bis zum 7. Januar, die 2. Bundesliga und die 3. Liga bis zum 14. Januar Pause.

Die Handball-Bundesliga (HBL) der Männer geht nach dem 28. Dezember in die EM-Pause bis Anfang Februar. Dass sich bis dahin das Thema Geisterspiele erledigt hat, erscheint nach derzeitigem Stand und den Prognosen der Experten aber höchst unwahrscheinlich.

Die beim Bund-Länder-Gipfel vereinbarte Fortsetzung des Programms Corona-Hilfen Profi-Sport über das Jahresende hinaus ist da nur ein schwacher Trost. Das sei gut und wichtig, meinte zwar Mittmann von den Braunschweiger Basketballern. Dennoch: «Wenn wir keine Fans haben, können wir auch die Verträge mit den Sponsoren nicht erfüllen und müssen mit Rückforderungen rechnen, das bringt unsere Branche in eine extreme Schieflage.»

Kaweh Niroomand, Manager des Volleyball-Meisters BR Volleys, warnte vor einem generellen Verbot des Sporttreibens. Der 69-Jährige befürchtet sonst einen weiteren Mitgliederschwund der Vereine, was eine weitere Schwächung der Gesellschaft nach sich ziehen würde. «Nirgendwo ist die Schule der Demokratie besser aufgestellt als in den Vereinen», sagte der frühere Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) der dpa.

Neben den ökonomischen Hilfen müssten auch in den sozialen Segmenten Hebel angesetzt werden. «Die Verbindung zwischen Fan oder Unterstützer und dem jeweiligen Club hat schon jetzt gelitten und wird weiter leiden», sagte Niroomand. Er forderte ein «Konjunkturprogramm Sport». Niroomand hofft, dass die Maßnahmen nur kurzfristig gelten. «Auf keinen Fall dürfen sie bis zum Ende der Saison dauern.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Natrium-Batterien: Wie China die nächste Akkurevolution vorantreibt
20.12.2025

Chinesische Hersteller treiben die Entwicklung von Natrium-Batterien rasant voran und bedrohen damit das bisherige Lithium-Dominanzmodell...

DWN
Politik
Politik Härtefallfonds für bedürftige Ostrentner schliesst: 425 Millionen Euro ungenutzt
20.12.2025

Aus dem Härtefallfonds für bedürftige Rentner aus der ehemaligen DDR und Osteuropa fließen zu Jahresende mehrere Hundert Millionen Euro...

DWN
Panorama
Panorama Grüne Stadt der Zukunft: Wie realistisch CO2-neutrale Metropolen bis 2040 sind
20.12.2025

Städte sollen Europas Klima-Rettungsanker werden – doch zwischen Vision und Wirklichkeit klafft eine Lücke. EU-Ziele, Modellstädte und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chefin der Wirtschaftsvereinigung Stahl warnt: Die Deindustrialisierung ist real
20.12.2025

Kerstin Maria Rippel ist Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Im DWN-Interview sagt sie, dass Berlin nach dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Eigenkapitalbildung: Immobilienkauf laut IfW-Studie für Millennials schwerer
20.12.2025

Eigenkapitalbildung wird für viele Kaufwillige zur größten Hürde: Eine neue Studie vergleicht, wie stark sich die Anforderungen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-CO2-Zoll wird ausgeweitet: Kommt die nächste Stufe für Waschmaschinen und andere Haushaltsgeräte?
20.12.2025

Der EU-CO2-Zoll steht vor der nächsten Ausbaustufe: Brüssel will ihn auf Haushaltsgeräte und weitere Industrieprodukte ausdehnen. Ab...

DWN
Politik
Politik Neues Ranking: Wer jetzt über Europas Zukunft entscheidet
20.12.2025

Donald Trumps Aufstieg an die Spitze des aktuellen Politico-Rankings zeigt, wie stark externe Kräfte Europas Politik inzwischen bestimmen....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Rallye mehrerer Technologieunternehmen treibt US-Aktien an
19.12.2025

Die US-Aktien unterbrachen ihre jüngste Verlustserie und stiegen am Freitag, da Anzeichen einer abkühlenden Inflation und nachlassende...