Wirtschaft

Kolumbien: Kokainhandel behindert Investitionen in die Ölindustrie

Im Kolumbien führt der Kokainhandel zwar zu massiven Gewinnen, doch auch zu einer politischen Unsicherheit. Dies hält viele Energieunternehmen davon ab, in die Ölindustrie Kolumbiens zu investieren.
27.12.2021 13:34
Aktualisiert: 27.12.2021 13:34
Lesezeit: 2 min
Kolumbien: Kokainhandel behindert Investitionen in die Ölindustrie
Die kolumbianische Polizei konfisziert regelmäßig Kokain. (Foto: dpa) Foto: Leonardo Munoz

Trotz des bahnbrechenden Friedensabkommens von 2016 zwischen der kolumbianischen Regierung und der größten Guerillagruppe, den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“ („FARC“), gibt es Befürchtungen, dass der Konflikt erneut eskaliert. Kolumbien, der drittgrößte Erdölproduzent Lateinamerikas und der weltweit größte Kokainproduzent seit fast einem Jahrhundert, befindet sich in einen schwelenden asymmetrischen Konflikt mit geringer Intensität, der in den 1980er Jahren ihren Siedepunkt erreichte.

Der Hauptbrennpunkt für den Bürgerkrieg war die Ermordung des Führers der Liberalen Partei, Jorge Gaitan, im April 1948 in Bogotá. Das löste den „Bogotázo“ aus, Tage gewaltsamer Ausschreitungen, die über Bogotá hinwegfegten und bis zu 3.000 Tote forderten, so „Oilrprice.com“.

Danach kam es zu einem zehnjährigen Bürgerkrieg zwischen den Liberalen und Konservativen im Land, der 1958 in einem Abkommen zur Machtteilung zwischen den führenden politischen Parteien Kolumbiens mündete. 1964 gründete die kolumbianische Kommunistische Partei die „FARC“. Später profitierte Kolumbien wirtschaftlich durch die Ölproduktion. Im Jahr 2003, als Öl der richtungsweisenden Nordseesorte Brent durchschnittlich 28,83 US-Dollar pro Barrel kostete, was einem Anstieg von 15 Prozent gegenüber 2002 entsprach, förderte Kolumbien durchschnittlich 550.000 Barrel Rohöl pro Tag. Als Brent 2008 auf über 140 US-Dollar pro Barrel gestiegen war, betrug die jährliche Erdölproduktion durchschnittlich 600.000 Barrel pro Tag und erreichte bis 2013 einen Jahresrekord von etwas mehr als einer Million Barrel pro Tag. Doch die ansteigende Gewalt und die Corona-Pandemie führte zu einem drastischen Rückgang der Produktion.

Selbst die Demobilisierung der größten linken Guerilla-Gruppe „FARC“ im Jahr 2017, nachdem 2016 mit der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos ein Friedensabkommen geschlossen wurde, hat wenig, dazu beigetragen, den Produktionsrückgang Kolumbiens aufzuhalten.

Im Jahr 2020 pumpte Kolumbien durchschnittlich nur 781.300 Barrel Rohöl pro Tag, da die Corona-Pandemie, die damit verbundene nationale Quarantänesperre und stark schwächere Ölpreise sowohl die Investitionen als auch die Produktion beeinträchtigten.

Noch besorgniserregender ist, dass die durchschnittliche Erdölförderung in den ersten zehn Monaten des Jahres 2021 trotz des Endes des Lockdowns bis September 2020 und steigender Energieinvestitionen nur 734.231 Barrel pro Tag erreichte. Von Ende April bis Mai 2021 kam es im Land zu schweren Unruhen. Doch die eigentliche Ursache für die innenpolitische Unsicherheit stellt der Kokainhandel dar. Die enormen Gewinne, die aus dem Kokain-Handel herrühren, sind dafür verantwortlich, politische Konflikte anzuheizen. Es kommt durchgehend zu Verteilungskämpfen zwischen rivalisierenden Gruppen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen stieg die Kokainproduktion Kolumbiens im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent, obwohl die für den Kokaanbau genutzte Fläche um sieben Prozent zurückgegangen und die Beschlagnahmungen um 18 Prozent gestiegen sind.

Die Schätzung des ehemaligen Finanzministers Juan Carlos Echeverry unterstreicht das Ausmaß der massiven Gewinne durch Kokain. Durch den Drogenhandel werden jährlich acht bis zwölf Milliarden US-Dollar generiert, was vier bis fünf Prozent des kolumbianischen BIP entspricht. Echeverry zufolge trägt der Kokainhandel nahezu den gleichen Betrag zum kolumbianischen BIP bei wie die Ölindustrie.

Steigende Sicherheitsrisiken und ländliche Gewalt, die vor allem durch die enormen Gewinne aus dem Kokainhandel angeheizt werden, sind ein Haupthindernis dafür, Onshore-Ölinvestitionen in Kolumbien anzuziehen. Eine Kombination aus Sicherheitsrisiken und ausgereiften Vermögenswerten führte dazu, dass Occidental Petroleum im Oktober 2020 seine kolumbianischen Onshore-Erdölanlagen im Rahmen eines 825-Millionen-Dollar-Deals verkaufte, obwohl das Unternehmen seine Offshore-Explorationsblöcke behielt, berichtet „Oilprice.com“.

Es ist nahezu ausgeschlossen, dass der Kokainhandel in Kolumbien eingedämmt wird, um Investitionen in die Ölindustrie anzukurbeln. Das Land steuert auf eine unsichere Zukunft zu.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Globale Handelsadern unter Beschuss: Wem gehören die Häfen der Welt?
02.08.2025

Im globalen Machtpoker um maritime Infrastruktur blockiert China die milliardenschwere Übernahme von CK Hutchinson-Terminals durch...

DWN
Panorama
Panorama Sommerferien 2025: Wer früher startet, erlebt mehr Sonne – wer später reist, profitiert anders
02.08.2025

Sommerferien sind heiß ersehnt – doch wann ist der beste Zeitpunkt für den Urlaub? Früh oder spät starten, Sonne oder Schnäppchen,...

DWN
Finanzen
Finanzen Lebensversicherung verkaufen: Wie Sie die Lebensversicherung zu Geld machen können
02.08.2025

Bei einem Verkauf der Lebensversicherung erhält man in aller Regel mehr Geld als bei einer Kündigung des Vertrags. Während der...

DWN
Technologie
Technologie LinkedIn ist das professionelle soziale Netzwerk: Doch etwas ist im Wandel
02.08.2025

LinkedIn galt lange als letzte seriöse Bastion im Netz – ein Ort für Karrieren, Netzwerkpflege und Fachlichkeit. Doch jetzt häufen...

DWN
Finanzen
Finanzen Warum nur 1 von 25 Aktien echten Wohlstand schafft
02.08.2025

Nur vier Prozent der Aktien schaffen es, den Markt nachhaltig zu schlagen – der Rest vernichtet langfristig Vermögen. Was Anleger jetzt...

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien-Crowdfunding-Falle: Anleger warnt vor Reinvest24
02.08.2025

Ein Investor schlägt Alarm: Zinsen bleiben aus, Geld verschwindet, Auskünfte gibt es keine. Der Fall der Plattform Reinvest24 zeigt, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrermangel in Europa: Fast die Hälfte der europäischen Lkw-Fahrer steht kurz vor der Pensionierung
02.08.2025

Europa droht eine stille Krise, die alle trifft: Hunderttausende Lkw-Fahrer gehen bald in Rente – doch kaum jemand will nachrücken....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chef des Superfonds Eifo zur chinesischen Windkraft-Offensive: „Ich bin besorgt“
02.08.2025

Chinas Windkraftkonzerne drängen mit Macht auf globale Märkte – und bedrohen nun auch Europas Energiewende. In Lateinamerika, Afrika...