Finanzen

EZB-Schlag gegen Kleinsparer: Negativzinsen bei Banken ab 5.000 Euro

Lesezeit: 2 min
01.01.2022 13:01  Aktualisiert: 01.01.2022 13:01
Die Luft für die deutschen Kleinsparer wird immer dünner. Im Verlauf des Jahres 2021 verschärften 90 Institute ihre bestehenden Negativzinskonditionen. EZB-Chefin Christine Lagarde sagte zuvor, dass die Ersparnisse der Bürger nicht geschützt werden sollen.
EZB-Schlag gegen Kleinsparer: Negativzinsen bei Banken ab 5.000 Euro
Klaus Schwab und Christine Lagarde bei einer Veranstaltung des WEF. (Foto: dpa)
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Bittere Zeiten für Sparer in Deutschland: Daten des Vergleichsportals Verivox zufolge verlangt inzwischen etwa jedes dritte von etwa 1.300 ausgewerteten Kreditinstituten Negativzinsen ab bestimmten Summen. „Negativzinsen sind zu einem Massenphänomen geworden und haben längst auch den Durchschnittssparer erreicht“, sagte Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. Demnach erheben mindestens 423 Banken und Sparkassen von Privatkunden ein sogenanntes Verwahrentgelt auf Tagesgeld-, Giro- oder Verrechnungskonten (Stand: 29. Dezember 2021). Das sind 245 mehr als noch vor einem Jahr.

Nach Daten des Verbraucherportals Biallo von Mitte Dezember verlangen sogar knapp 550 Geldhäuser Negativzinsen auf private Guthaben. Im Jahr 2021 führten diesen Angaben zufolge fast 300 Institute ein Verwahrentgelt für Guthaben auf dem Tagesgeld- oder Girokonto ein.

Lange Zeit wurden vor allem bei großen Summen ab 100.000 Euro Negativzinsen fällig. Verivox zufolge trifft es zunehmend auch Durchschnittssparer. Mindestens 155 Banken berechnen das Verwahrentgelt demnach bereits ab einem Gesamtguthaben von 50.000 Euro oder weniger. Immer häufiger würden die Negativzinsen auch für kleinere Summen ab 5.000 Euro fällig.

Im Verlauf des Jahres 2021 verschärften 90 Institute ihre bestehenden Negativzinskonditionen. Sie reduzierten Freibeträge oder drückten den Zins noch tiefer ins Minus. Die meisten Sparkassen und Banken orientieren sich bei der Höhe des Verwahrentgeltes an dem Zins von 0,5 Prozent, den sie auf einen Teil ihrer überschüssigen Einlagen zahlen müssen, wenn sie diese bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken.

Verivox zufolge gehen 19 Geldhäuser noch darüber hinaus und stellen zumindest einem Teil der Kundschaft Negativzinsen von 0,55 bis 1 Prozent in Rechnung. „Mit solchen Abwehrkonditionen machen die Kreditinstitute die Schotten dicht und versuchen, sich vor dem Zufluss weiterer Spargelder zu schützen“, sagte Maier.

Seit Juni 2014 müssen Geschäftsbanken im Euroraum Zinsen zahlen, wenn sie Gelder bei der EZB parken. Aktuell liegt dieser Einlagenzins - im Fachjargon Einlagefazilität genannt - bei minus 0,5 Prozent. Seit einiger Zeit gewährt die Notenbank Freibeträge für bestimmte Summen, um die Institute zu entlasten.

Ob Kreditinstitute Negativzinsen erheben dürfen, ist rechtlich umstritten. Die Verwahrentgelte treffen vor allem Neukunden. Will ein Geldhaus einen Negativzins von Bestandskunden verlangen, muss es diesen mit den Betroffenen individuell vereinbaren.

Verbraucherschützer halten Negativzinsen auf private Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten generell für unzulässig. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat deshalb Klagen gegen verschiedene Kreditinstitute erhoben und sieht sich durch ein Urteil des Landgerichts Berlin bestätigt. Das Gericht hatte in erster Instanz entsprechende Klauseln im Preisverzeichnis eines Geldhauses für unzulässig erklärt (Az.: 16 O 43/21). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Kreditinstitut legte dagegen Berufung ein.

Die Chefin der EZB, Christine Lagarde, zeigt nur wenig Interesse an den Sorgen der Sparer. Sie meint, dass die Menschen „glücklicher“ sein sollten, wenn sie einen Arbeitsplatz haben, anstatt höhere Zinsen zu erwarten, berichtet die Financial Times. Auf die Frage nach den Auswirkungen von Negativzinsen auf die Sparer sagte Lagarde, sie (die Sparer, Anm. d. Red.) sollten darüber nachdenken, um wie viel schlimmer die Situation wäre, wenn die EZB die Zinssätze nicht so stark gesenkt hätte. „Würden wir uns heute nicht in einer Situation mit viel höherer Arbeitslosigkeit und einer weitaus geringeren Wachstumsrate befinden, und ist es nicht wahr, dass wir letztendlich das Richtige getan haben, um für Arbeitsplätze und Wachstum zu sorgen, anstatt Sparer zu schützen?“, fragt Lagarde.

Die individuelle Freiheit und das Privateigentum sollen nach den Prognosen und Szenarien des Weltwirtschaftsforums bis 2030 von diesem Planeten verschwinden. Ein entsprechender Beitrag trägt beispielsweise den Titel: „Willkommen im Jahr 2030: Ich besitze nichts, habe keine Privatsphäre, und das Leben war noch nie besser“.


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