Finanzen

EZB hält trotz grassierender Inflation an ultraexpansiver Geldpolitik fest

Trotz hoher Inflationsraten wird die EZB keine geldpolitische Straffung einleiten. Die Enteignung von Bürgern und Sparern nimmt damit noch mehr an Fahrt auf.
03.02.2022 14:00
Aktualisiert: 03.02.2022 14:05
Lesezeit: 3 min

Die Europäische Zentralbank behält trotz weiterhin hoher Teuerungsraten ihren ultralockeren geldpolitischen Kurs vorerst bei. Bei der ersten geldpolitischen Sitzung im neuen Jahr bestätigte der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) den Leitzins im Euroraum auf seinem Rekordtief von null Prozent. Auch an den milliardenschweren Käufen von Staatsanleihen hält die Notenbank fest, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte.

Die EZB hatte zuletzt immer wieder ihre Einschätzung bekräftigt, dass die Inflationsraten 2022 allmählich sinken werden - auch wenn dies länger dauern könnte als zunächst erwartet. Bislang zeichne sich keine gefährliche Lohn-Preis-Spirale ab, die die Inflation dauerhaft nach oben treiben könnte, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde erst vor zwei Wochen. Zumindest im Moment gebe es keine Anzeichen, dass die Inflationsentwicklung dadurch außer Kontrolle geraten könnte, sagte Lagarde seinerzeit: "Im Gegenteil: Wir gehen davon aus, dass sich die Energiepreise im Laufe des Jahres 2022 stabilisieren werden (...) und dann werden die Inflationsraten allmählich zurückgehen."

Inflation verharrt auf hohem Niveau

Allerdings: Noch hält sich die Teuerung auf hohem Niveau. Im Euroraum stieg die Inflation im Januar entgegen den Erwartungen sogar noch weiter auf nun 5,1 Prozent. Das ist der höchste Wert seit Einführung des Euro als gemeinsame europäische Verrechnungswährung 1999. In Deutschland ging die jährliche Teuerungsrate zu Jahresbeginn zwar auf 4,9 Prozent zurück, der Rückgang fiel aber deutlich geringer aus als erwartet. Vor allem steigende Energiepreise heizen den Preisauftrieb an.

Die vergleichsweise hohe Teuerung macht Verbrauchern Sorge. Denn eine höhere Inflation schwächt ihre Kaufkraft, weil sie sich für einen Euro weniger kaufen können als zuvor. Kritiker werfen der EZB vor, mit ihrer seit Jahren ultralockeren Geldpolitik inklusive milliardenschwerer Anleihenkäufe die Teuerung noch anzuheizen. Im Zuge der Anleihekäufe spült die EZB jeden Monat zweistellige, aus dem Nichts geschaffene, Eurobeträge ins Bankensystem.

Die Anleihekäufe sind notwendig, um die Renditen von Staatsanleihen überschuldeter Eurostaaten am Markt zu drücken und dadurch deren Schuldendienst erträglich zu gestalten. Beobachter schätzen, dass mehrere Länder in finanzielle Schwierigkeiten geraten, falls die Notenbank die Käufe einstellen sollte. Die massive Schuldenaufnahme im Zuge der Corona-Pandemie dürfte Staaten wie Spanien und Italien noch anfälliger für Zinsanstiege gemacht haben - weshalb es so schnell wohl kein Ende der Anleihenkäufe geben dürfte.

Bei der Sitzung Mitte Dezember hatte der EZB-Rat ein erstes Signal für ein Auslaufen der Geldflut gesendet: Nur noch bis Ende März wird die EZB zusätzliche Wertpapiere im Rahmen ihres in der Corona-Pandemie aufgelegten Anleihenkaufprogramms PEPP erwerben. Allerdings steckt die Notenbank weiterhin etliche Milliarden in Staatsanleihen und Unternehmenspapiere: Das allgemeine Kaufprogramm APP wird vorübergehend aufgestockt. Gelder aus auslaufenden PEPP-Papieren sollen bis mindestens Ende 2024 neu angelegt werden.

Einer baldigen Zinserhöhung im Euroraum hatte Lagarde wiederholt eine Absage erteilt. "Wir werden in ein paar Monaten neue Projektionen haben. Diese könnten anders aussehen, und zu diesem Zeitpunkt werden wir uns unseren Fahrplan ansehen müssen", sagte Lagarde jüngst mit Blick auf die für März erwarteten neuen Prognosen der Notenbank zur Entwicklung von Inflation und Konjunktur. Lagarde betonte mit Blick auf das Inflationsziel der Notenbank: "Wir werden handeln, sobald die Kriterien erfüllt sind, aber im Moment sind sie nicht erfüllt."

Je länger die Leitzinsen jedoch bei null bleiben, umso länger erhalten Sparer auch keine Zinsgutschriften auf ihren Giro- und Tagesgeldkonten und werden folglich von der hohen Inflation in großem Umfang schleichend enteignet.

Der seit Jahresbeginn amtierende Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte zu seinem Amtsantritt gewarnt, er sehe "derzeit eher die Gefahr, dass die Inflationsrate länger erhöht bleiben könnte als gegenwärtig erwartet". Nagel betonte: "Bei aller Unsicherheit ist eines ganz klar: Wenn es die Preisstabilität erfordert, muss der EZB-Rat handeln und seinen geldpolitischen Kurs anpassen." Am Donnerstag nahm Nagel erstmals an den Beratungen des EZB-Rates teil.

Lesen Sie dazu: Im Umfeld der Bundesbank mehren sich Warnungen vor der Inflation

In den vergangenen Monaten hatten zahlreiche Akteure die Zentralbank vor einer Beibehaltung der ultraexpansiven Geldpolitik gewarnt und auf eine rasche Normalisierung gedrängt - etwa Teile der Unionsparteien und Stimmen aus der Wirtschaft. Erst gestern warnte der Deutsche Sparkassen- und Giroverband vor den Gefahren der Nullzinspolitik für Bürger und Unternehmen. Die Deutsche Bank forderte die EZB im November sogar öffentlich dazu auf, die Zinsen sofort anzuheben - ein beispielloser Vorgang.

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