Wirtschaft

Ökonomen bringen umfassende Abschottung Russlands ins Spiel

Der Westen hat nach Ansicht von Ökonomen noch Spielraum für härtere Sanktionen gegen Russland, darunter auch ein voller Ausschluss aus dem Swift-System.
01.03.2022 11:55
Aktualisiert: 01.03.2022 11:55
Lesezeit: 2 min
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Der Westen kann Ökonomen zufolge bei den Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine noch deutlich nachlegen. "Den giftigsten Pfeil hat er noch nicht verschossen: einen Importstopp von Gas", sagte der Direktor des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (Wifo) in Wien, Gabriel Felbermayr, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Allein Deutschland überwies 2021 nach Angaben des Statistischen Bundesamts 19,4 Milliarden Euro für Erdöl und Erdgas nach Russland. "Allerdings wäre diese Waffe auch für die EU sehr teurer", sagte Felbermayr. Denn vor allem das auch für die Industrie wichtige Erdgas kann nicht so einfach durch Importe aus anderen Ländern ersetzt werden.

"Der Westen hat noch nicht alle Pfeile aus seinem Köcher verschossen", sagte der Handelsexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Hendrik Mahlkow, mit Blick auf die noch möglichen Sanktionen. "Wir sind noch nicht am Maximum." So könnte der Warenhandel der westlichen Verbündeten mit Russland komplett eingestellt werden, was es selbst zu Zeiten des Kalten Krieges mit der Sowjetunion nicht gegeben habe. "Das wäre das schärfste Schwert, das würde die russische Wirtschaft sehr stark treffen", sagte Mahlkow.

Allein ein Handelsboykott von Gas würde nach IfW-Berechnungen das russische Bruttoinlandsprodukt um 2,9 Prozent einbrechen lassen. "Russland ist abhängig von den EU-Märkten", sagte Mahlkow. Von den gesamten Warenexporten Russlands entfielen 2020 mehr als ein Drittel auf die Europäische Union. Umgekehrt jedoch lieferte die EU nur rund vier Prozent ihrer Exporte nach Russland und bezog gut fünf Prozent ihrer Importe von dort.

"SWIFT-AUSSCHLUSS NOCH NICHT UMFASSEND"

Spielraum für verschärfte Sanktionen sehen die Experten auch im Finanzsektor. "Der Ausschluss vieler russischer Banken vom Swift-System ist nicht umfassend", sagte Mahlkow. "Es gibt nach wie vor Transaktionen, gerade im Energiesektor, die von den Swift-Bann ausgenommen sind." Bisher seien nur 70 Prozent der russischen Banken vom internationalen Zahlungsnetzwerk Swift verbannt worden. Es könnten auch alle privaten Banken, die unter staatlicher Händen stünden, aus Swift herausgeworfen werden.

Die EU und westliche Verbündete wie die USA und Großbritannien haben als Reaktion auf die Invasion unter anderem Devisenreserven der russischen Zentralbank eingefroren. Auch wurden Einzelpersonen sanktioniert, die Präsident Wladimir Putin nahe stehen sollen. Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi erklärte am Dienstag seine Bereitschaft, weitere Strafmaßnahmen gegen Russland mitzutragen. Oligarchen könnten unter anderem noch stärker ins Visier genommen werden.

Der russischen Wirtschaft steht Ökonomen zufolge wegen der am Wochenende beschlossenen westlichen Sanktionen infolge des Ukraine-Krieges ein Einbruch bevor. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte im zweiten Quartal um 20 Prozent zum Vorquartal fallen, wie aus einer Analyse der US-Großbank JPMorgan hervorgeht. Für das Gesamtjahr 2022 wird mit einem Minus von 3,5 Prozent gerechnet.

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