Finanzen

Zeitenwende an der Börse: Tech-Aktien kollabieren

Die jüngsten Korrekturen an den Aktienmärkten haben die Kurse der Tech-Firmen auf Talfahrt geschickt. Mit Meta (ehemals Facebook) und Paypal sind zwei Schwergewichte katastrophal eingebrochen. Platzt jetzt die Tech-Blase?
05.03.2022 01:04
Aktualisiert: 05.03.2022 01:04
Lesezeit: 4 min

Die Kurse an der Technologiebörse NASDAQ sind seit Jahresbeginn stark gefallen. Relativ zum Höchststand war der Tech-Index zwischenzeitlich um fast 20 Prozent im Minus, konnte sich zuletzt immerhin wieder leicht erholen.

Für den massiven Abverkauf der Tech-Aktien gibt es mehrere Gründe:

  • Ein nicht zu unterschätzender Faktor sind Gewinnmitnahmen bei den 2020 und 2021 besonders gut abschneidenden Tech-Aktien. Die großen sogenannten FANG-Aktien (Facebook, Amazon, Netflix, Google, auch Microsoft wäre hier noch zu nennen) hatten den breiten Aktienmarkt in den letzten zwei Jahren massiv outperformt, weshalb der stark mit Tech-Aktien gewichtete NASDAQ-Index in diesem Zeitraum auch sehr viel besser abschnitt als der S&P 500. Im Zuge der Korrektur an den Aktienmärkten haben Anleger verstärkt (Teil-)Verkäufe bei besonders gut gelaufenen Tech-Werten getätigt, was die Kurse erst einmal auf Talfahrt schickte.

  • Investoren haben seit Jahresbeginn netto Aktien abgestoßen und in sichere Häfen (vor allem Gold) umgeschichtet. Die infolge des Ukraine-Krieges angespannte geopolitische Lage sorgte in der letzten Woche für weiteren Verkaufsdruck. Schon im Januar waren Rekordabflüsse aus dem „SPDR S&P 500 ETF“ verzeichnet worden. Bei massenhaften Abverkäufen von ETFs sind die darin hoch gewichteten Aktien besonders negativ betroffen, und das sind aufgrund der Kursentwicklungen der letzten Jahre eben überwiegend Technologie-Aktien.

  • Der steigende Inflationsdruck in den USA - zuletzt 7,5 Prozent – sorgt bei Anlegern für Ängste vor Zinserhöhungen. Davon wären Wachstumstitel (wozu die Tech-Aktien zählen) besonders betroffen, weil sie in der Regel zu einem hohen Anteil schuldenfinanziert sind.

  • Auch aus diesem Grund schichten Investoren von (Big-)Tech Aktien und Wachstumswerten in als solide geltende Substanzwerte („Value-Unternehmen“) um, die relativ zu Wachstumswerten deutlich günstiger zu haben sind. Zuletzt waren auch zyklische Substanzwerte gefragt – der Fokus liegt auf Sektoren mit Nachholbedarf (Industriewerte und Banken).

Das Meta-Börsendebakel

Der Abwärtstrend erfasste nahezu sämtliche Technologie-Aktien, wobei manche Werte geradezu sturzflutartige Kurseinbrüche hinnehmen mussten. Einer dieser Werte ist der Facebook-Mutterkonzern „Meta“, der seit der Namensänderung satte 500 Milliarden Dollar an Börsenwert verloren hat. Davon alleine die Hälfte an einem einzigen Tag, was den stärksten Rückgang aller Zeiten in der Firmengeschichte darstellt.

Als einer der Gründe gilt Apples Ad-Blocking-Technik. Facebook generierte bis vor kurzem mit seinem Ad-Tracking-System beständige Umsätze durch personalisierte Werbung. Doch Apple hat es seinen Nutzern mittlerweile ermöglicht, die Tracker der Social-Media-Plattform zu blockieren. Es bleiben zwar noch die Nutzer anderer Hersteller, aber auch Google will in den nächsten zwei Jahren schrittweise ähnliche Schutzmaßnahmen für Android-Nutzer einführen. Für den Meta ist das faktische Versiegen dieser Gewinnquelle ein Desaster. Und angesichts starker Konkurrenz durch „TikTok“ bei der jüngeren Zielgruppe ist das Ende des Abwärtstrends womöglich noch nicht einmal erreicht.

Meta und Zuckerberg setzen nun alles auf das „Metaversum“ – doch diese Hoffnungen wurden seit der Namensänderung noch nicht erfüllt. Zuckerbergs Vision von einem immersiven Internet (ein Internet, in das der Nutzer sozusagen eintaucht) hat zahlreiche Kritiker. Die VR-Technologie sei noch lange nicht bereit (VR steht für "Virtuelle Realität), die Nutzer nicht wirklich begeistert und das gesamte Konzept mit der aus Facebook-Zeiten mitgeschleppten Account-Bindung inklusive Klarnamen überhaupt nicht auf das moderne Internet-Zeitalter voller Wünsche nach Anonymität und Dezentralisierung ausgerichtet.

Der Einbruch der Meta-Aktie hat andere potentielle VR-Anbieter mitgerissen. So hat sich zum Beispiel die Aktie der Spieleentwicklungs-Plattform „Roblox“ seit Jahresbeginn mehr als halbiert.

Die Herabstufung der Gewinnaussichten durch Meta und andere Unternehmen hat die Märkte überrascht“, sagte Kenneth Broux, Analyst bei Societe Generale in London. Einige Anleger reagierten dabei offensichtlich emotional auf die Geschäftszahlen bei Meta und Co. „Die Ergebnisse waren in ihrer Gesamtheit in Ordnung. Es waren die Prognosen, die die Leute verschreckt haben“, so David Jeffress, Portfoliomanager bei Laffer Tengler Investments. Die Kursrückgänge nannte er „eine Überreaktion“. Jeffress fügte hinzu, dass sein Unternehmen nun die Anteile an Meta aufgrund der niedrigen Kursen aufstocken möchte.

Paypal, Coinbase und Netflix ebenfalls mit schmerzlichen Kurseinbrüchen

Ein weiteres Börsen-Schwergewicht, das schwer unter die Räder geraten ist, ist der Bezahldienst Paypal. Im letzten Jahrzehnt war die ehemalige Ebay-Tochter eine der erfolgreichsten Wachstumsgeschichten an der Börse, der katastrophale Einbruch kam dementsprechend unerwartet für viele Marktbeobachter. Seit Jahresbeginn hat sich der Aktienkurs von Paypal halbiert, relativ zum Höchststand vom Sommer sogar gedrittelt.

Die Paypal-Aktie wurde Opfer eines Prozesses, den schon so manche hoch gehypte Wachstumsaktie an der Börse durchgemacht hat. Sobald die Wachstums-Erwartungen auch nur leicht unterboten werden, kann der Kurs kolossal einbrechen. Im Falle von Paypal reichte anscheinend die Meldung von einer leicht enttäuschenden operativen Marge von 21,8 Prozent (Analysten hatten 23 Prozent erwartet) und die intern berechneten Wachstumsaussichten von 15 bis 20 Millionen neuen Konten im Geschäftsjahr 2022 (Analysten hatten 50 bis 60 Millionen erwartet), um zwei Drittel des Börsenwerts verpuffen zu lassen. Wobei das nervöse Umfeld mit starker Tendenz zu Abverkäufen und Gewinnmitnahmen sicherlich einen Teil zu diesem extremen Kursabsturz beigetragen hat.

Auch die weltweit führende Kryptobörse „Coinbase“ musste massiv Börsenwert federn lassen, zwischenzeitlich war die Aktie mehr als 50 Prozent im Minus. Hauptursache war hier neben dem generellen Verkaufstrend bei Tech-Werten der nahezu simultane Einbruch der Kryptowährungen und insbesondere Bitcoin. Coinbase verdient überwiegend an Handelsgebühren, welche bei niedrigeren Krypto-Preisen proportional niedriger ausfallen.

Netflix verlor zuletzt mehr als 30 Prozent. Nach der Veröffentlichung des Quartalsberichts und eines enttäuschenden Ausblicks für die kommenden Quartale wurde die Aktie des Streaming-Dienstes ordentlich abgestraft, ehe Starinvestor Bill Ackman seinen Einstieg verkündete und somit – zumindest kurzfristig – die Kurse unterstützte.

Börsen-Überflieger Tesla verlor im Verkaufsstrudel 20 Prozent. Onlinehandels-Gigant Amazon musste ebenfalls rund 15 Prozent einbüßen. Unter den großen Tech-Aktien konnten sich einzig die Google-Mutter Alphabet und Software-Riese Microsoft noch relativ gut halten, auch weil hier die jüngsten Quartalszahlen sehr gut ausfielen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis fällt stark: Erinnerungen an 2011: „Kaufen und halten“ funktioniert nicht
23.10.2025

Ein Kurssturz beendet die Rekordrally des Edelmetalls und erinnert Anleger an bittere Verluste vor 13 Jahren.

DWN
Finanzen
Finanzen Gold im Portfolio: Experten diskutieren 15 bis 30 Prozent Anteil
23.10.2025

Gold ist wieder im Fokus der Investoren, doch viele halten bisher nur geringe Mengen. Eine Analyse historischer Daten zeigt, dass ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gewinneinbruch bei Kühne+Nagel: bis zu 1.500 Stellen weg
23.10.2025

Handelskrieg, hohe Zölle und der starke Franken setzen Kühne+Nagel zu: Der Umsatz bricht um sieben Prozent ein – und jetzt droht vielen...

DWN
Politik
Politik Steuerschätzung: Steuereinnahmen höher als erwartet - trotz Wirtschaftskrise
23.10.2025

Der Staat schwimmt im Geld: Bund, Länder und Kommunen können laut Steuerschätzung in den kommenden Jahren mit 33,6 Milliarden Euro mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Rally: Warum die Euphorie trügerisch sein könnte
23.10.2025

Der Bitcoin zieht wieder an, doch die Stimmung schwankt zwischen Euphorie und Panik. Während Anleger von neuen Rekorden träumen, warnen...

DWN
Immobilien
Immobilien Betongold in der Krise: Immobilienmarkt zwischen Zinsschock, Baukrise und Inflation
23.10.2025

„Jeder Mensch bezahlt im Laufe seines Lebens mindestens eine Immobilie. Und meistens ist es nicht die eigene.“ Dieser Spruch kursiert...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Silicon Valley in Bewegung: Amazon Web Services verliert Priorität bei Startups
23.10.2025

Das Silicon Valley steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Start-ups verschieben ihre Prioritäten und verändern die Nutzung klassischer...

DWN
Politik
Politik Reaktion auf den Ukraine-Krieg: US-Regierung verhängt Sanktionen gegen russische Öl-Firmen
23.10.2025

Trump drängt schon länger auf ein Ende des Ukraine-Kriegs, schwankt aber bei seinen Bemühungen darum. Nun verkünden die USA neue...