Politik

Besuch abgesagt: Karibik-Staaten wenden sich von Großbritannien ab

Großbritannien versucht, seinen Einfluss in den ehemaligen Karibik-Kolonien zu zementieren. Doch der Widerstand wird stärker, immer mehr Staaten wenden sich ab.
22.04.2022 11:00
Aktualisiert: 22.04.2022 11:15
Lesezeit: 3 min
Besuch abgesagt: Karibik-Staaten wenden sich von Großbritannien ab
Ein Strand auf den Tobago Keys, Grenada. (Foto: dpa) Foto: Friedel Gierth

Kurz vor der geplanten Abreise hat der Buckingham-Palast die Karibik-Tour von Prinz Edward (58) und seiner Frau Gräfin Sophie (57) überraschend um eine Station verkürzt. Nach Konsultationen mit der Regierung des Inselstaats Grenada und «auf Anraten» der Generalgouverneurin habe man den Besuch dort verschoben, hieß es in einer Mitteilung des Palasts. Nähere Gründe für die plötzliche Planänderung wurden nicht genannt.

Der jüngste Sohn von Queen Elizabeth II. (96) und seine Frau Sophie wollen an diesem Freitag anlässlich des 70. Thronjubiläums der Königin in die Karibik aufbrechen. Dabei sollen sie bis 28. April unter anderem Saint Lucia, Antigua und Barbuda sowie Saint Vincent und die Grenadinen besuchen. Britische Zeitungen spekulierten, dass die ungewöhnlich kurzfristige Absage für den Aufenthalt in Grenada mit der Furcht vor weiteren Protesten zu tun haben könnte.

Ähnlich wie schon bei der Karibikreise von Queen-Enkel Prinz William (39) und seiner Frau Herzogin Kate (40) gilt die Tour als Charme-Offensive in Ländern, in denen Elizabeth II. noch immer Staatsoberhaupt ist.

Die Reise von William und Kate wurde in mehreren Ländern jedoch von Protesten wegen der Rolle der englischen Krone in der brutalen Kolonialvergangenheit Großbritanniens und der Sklaverei überschattet. Sowohl auf den Bahamas als auch in Belize und auf Jamaika forderten tausende Menschen Wiedergutmachung von Großbritannien für die jahrzehntelang erlittenen Menschenrechtsverletzungen.

«Keinen müden Penny»

Jamaika kündigte sogar an, sich von der englischen Krone loszusagen, indem es zu einer Republik weiterentwickelt und aus dem britischen Verbund Commonwealth of Nations austreten werde. Dasselbe hatte Ende des vergangenen Jahres schon Barbados angekündigt.

In Jamaika, auf dessen Zuckerplantagen früher aus Afrika verschleppte Menschen zu Hunderttausenden schuften mussten, versuchte sich William mit einer Annäherung an das Thema. Er stimme seinem Vater zu, der im vergangenen Jahr in Barbados die Sklaverei als «entsetzliche Grausamkeit, die unsere Geschichte für immer befleckt» bezeichnet habe, sagte der Zweite in der britischen Thronfolge bei einem Staatsbankett. Doch kein Wort der Entschuldigung.

«Die Königsfamilie sagt nicht Entschuldigung», kommentierte Philip Murphy, der das Institut für Commonwealth Studies an der University of London leitet, die Äußerung Williams im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Formulierungen seien mit großem Bedacht gewählt, um nicht Forderungen nach Entschädigungen Tür und Tor zu öffnen, so Murphy. Doch ob dieser zaghafte Ansatz ausreichen wird, um die ehemaligen Kolonien auch in Zukunft an die britische Krone zu binden, scheint zweifelhaft.

In den Augen von Murphy rächt sich nun, dass die Royals mit Williams jüngerem Bruder Harry (37) und dessen Frau Meghan (40) gebrochen haben. Die beiden hätten sowohl durch ihre weniger prominente Rolle im Königshaus als auch durch ihre höhere Glaubwürdigkeit eine wichtige Rolle dabei spielen können, die Royals mit ihren früheren Kolonien zu versöhnen, glaubt er.

Gleich 60 Gründe, warum sich die Krone bei Jamaika entschuldigen und Reparationen leisten solle, trugen Aktivisten der Gruppe Advocates Network bei einer Demonstration vor der britischen Botschaft in Kingston während des Royal-Besuchs vor.

«Wir sehen keinen Grund, den 70. Jahrestag der Besteigung des britischen Throns durch Ihre Großmutter zu feiern, denn unter ihrer Führung und der ihrer Vorgänger wurde die größte Menschenrechtstragödie in der Geschichte der Menschheit aufrechterhalten», hieß es in einem offenen Brief an William und Kate, der der Botschaft übergeben wurde.

«Die Monarchie profitiert weiterhin davon, was sie uns angetan hat. Unsere Juwelen sind noch immer in ihren Kronen», sagte Rosemarie Francis-Binder, ein in Deutschland lebendes Mitglied der Aktivistengruppe, der dpa. Für die Queen empfänden viele Jamaikaner zwar Zuneigung, da sie sie als Kinder bewundert hätten. Doch das wandle sich. «Wir haben der Krone so viel gegeben, aber sie haben sich nie für uns eingesetzt», sagte sie.

Zu den Kritikpunkten gehört auch, dass Großbritannien sich immer wieder damit rühmt, bereits 1834 die Sklaverei abgeschafft zu haben. Verschwiegen wird jedoch oft, dass damit eine massive Entschädigung für Sklavenhalter einherging, an deren Tilgung das Land noch bis 2015 zahlte. Für die ehemaligen Sklaven und ihre Nachfahren gab es bislang jedoch keinen müden Penny.

Erste Wahl als Republik

Die Regierung von Premierministerin Mia Mottley hat die erste Parlamentswahl in Barbados seit dem Bruch mit der britischen Krone deutlich gewonnen. Nach dem vorläufigen Ergebnis der Wahl vom 20. Januar gewann ihre Arbeitspartei BLP zum zweiten Mal in Folge alle 30 Sitze im Parlamentsunterhaus. Mottley wurde für eine zweite Amtszeit vereidigt - erstmals von Sandra Mason in der neu geschaffenen Position der Staatspräsidentin.

Barbados hatte sich am 30. November von der britischen Monarchie losgesagt und zu einer Republik erklärt. Mason wurde deren erste Präsidentin und löste Königin Elizabeth II. als Staatsoberhaupt ab. Diese Rolle hatte die Queen noch inne, obwohl Barbados bereits 1966 unabhängig geworden war.

Mottley wurde bei der vorherigen Wahl 2018 die erste weibliche Regierungschefin des karibischen Inselstaates. International hat die 56 Jahre alte Juristin im vergangenen Jahr bei der UN-Generalversammlung und bei der Weltklimakonferenz in Glasgow mit deutlichen Aufrufen zum Kampf gegen den Klimawandel und zur Unterstützung der besonders davon bedrohten Länder auf sich aufmerksam gemacht.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Experte fürchtet politischen Schock in Europa: „Es ist tatsächlich beängstigend“
28.06.2025

Europa taumelt: Rechte Parteien sind auf dem Vormarsch, Frankreich droht der Machtwechsel. Experte Rahman warnt: Das „Trump-Moment“...

DWN
Technologie
Technologie Neue Technologien am Körper: Gehirnimplantate, künstliche Intelligenz, elektronische Tattoos
28.06.2025

Hightech greift immer direkter in den menschlichen Körper ein. Ob Gehirnimplantate, elektronische Tattoos oder künstliche Intelligenz...

DWN
Politik
Politik Machtverlust oder Wendepunkt? Irans Zukunft nach dem Konflikt
28.06.2025

Nach dem militärischen Schlagabtausch mit Israel steht der Iran politisch und gesellschaftlich unter Druck. Zwischen Machtkonsolidierung,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen So gelingt der Einstieg: KI im Personalwesen mit System etablieren
28.06.2025

Künstliche Intelligenz erobert Schritt für Schritt das Personalwesen. Deutschland liegt im europäischen Vergleich weit vorne – doch...

DWN
Politik
Politik Familienkonzern Trump: Wie der Präsidenten-Clan Milliarden scheffelt
28.06.2025

Die Trump-Familie vermischt Politik und Profit wie nie: Während Donald Trump das Weiße Haus beherrscht, expandieren seine Söhne mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenausblick 2025: Drohen jetzt heftige Kursbeben?
28.06.2025

Die Sommermonate bringen traditionell Unruhe an den Finanzmärkten. Mit Trump im Weißen Haus steigen die Risiken zusätzlich. Erfahren Sie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden für heiße Luft: Ex-OpenAI-Chefin kassiert ohne Produkt
28.06.2025

Ein Start-up ohne Produkt, eine Gründerin mit OpenAI-Vergangenheit – und Investoren, die Milliarden hinterherwerfen. Der KI-Hype kennt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Social Travel: Hostelworld will Facebook des Reisens werden – mit Milliardenpotenzial
28.06.2025

Hostelworld will nicht länger nur Betten vermitteln, sondern das führende soziale Netzwerk für Alleinreisende werden. Warum der...