Als einzige Parteien im Bundestag stemmen sich die Linke und die AfD gegen die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine. So erinnerte der linke Fraktionschef Dietmar Bartsch am Donnerstag im Bundestag während der Debatte zur Abstimmung über die Waffenlieferungen an die Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), es dürfe keinen Atomkrieg geben. "Unter anderem mit der Angst vor einem Atomkrieg hat der Bundeskanzler die Lieferung schwerer Waffen ausgeschlossen, und zwar zu Recht", sagte Bartsch. Dies erwarteten die Menschen von der Bundesregierung. "Das muss das oberste Ziel sein in dieser dramatischen Entwicklung."
Doch jeden Tag gebe es bei Scholz und der Ampel eine Kehrtwende. "Es gibt einen fatalen Wettlauf: höher, schneller, weiter", betonte Bartsch. Er bezweifelte, dass mit der Lieferung schwerer Waffen der Krieg beendet werden könne. Viel zu wenig werde über diplomatische Bemühungen geredet. Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und Deeskalation seien zwei Seiten derselben Medaille. Die Argumentation der AfD geht inhaltlich in eine ähnliche Richtung.
So glaubt die AfD mehrheitlich, dass weitere Waffenlieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine Deutschland in den Krieg hineinziehen könnten. "Heute bringen die Koalition und die Unionsfraktion einen gemeinsamen Antrag ein, der den Ukraine-Krieg verlängern wird und uns zur Kriegspartei in einem atomar geführten Krieg machen könnte", mahnte ihr Fraktionsvorsitzender Tino Chrupalla. Der Antrag lese sich wie "die Beitrittsbekundung zu einem Krieg", kritisierte er.
Es sei falsch, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der stets betont habe, dass Waffen keine Lösung seien, in einer solchen Situation nach Japan reise, sagte Chrupalla. Es sei "unentschuldbar", dass Scholz in dieser wichtigen Stunde nicht im Bundestag anwesend sei. Der AfD-Fraktionschef sagte, die Ukraine sei ebenso ein souveräner Staat wie Russland. "Es liegt im deutschen Interesse, auch zukünftig zu beiden Staaten ein gutes Verhältnis zu unterhalten, politisch, wirtschaftlich und kulturell."
FDP-Fraktionschef Christian Dürr begründete die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine wiederum mit der Art der russischen Kriegsführung in dem Land. "Es ist richtig, schwere Waffen in diese Lieferungen mit einzubeziehen. Russland hat die Ukraine überfallen mit einem Vielfachen an Militärgerät. Fünfmal so viele Panzer, dreimal so viele aktive Soldaten. Die Ukraine befindet sich in einem Krieg auf offenem Boden", sagte Dürr.
Es sei bereits zu sehen gewesen, was das bedeute. "Butscha ist kein Einzelfall. Jeder russische Vorstoß bedeutet, dass sich diese Verbrechen wiederholen", betonte Dürr. In der Ortschaft nördlich von Kiew gehen Ermittler nach dem Abzug russischer Soldaten konkreten Hinweisen auf Kriegsverbrechen und die gezielte Tötung von Zivilisten nach. Während die Union im Gegensatz zur AfD und den Linken mit den Ampelkoalitionären in der Sache einverstanden ist, gibt es dennoch streit zwischen den Regierungsfraktionen und den Christdemokraten.
So warf Unionsfraktionschef Friedrich Merz Olaf Scholz (SPD) vor, über Wochen die Frage offen gelassen zu haben, ob die Ukraine denn nun Waffen erhalten solle. "Das ist Zögern, das ist Zaudern und das ist Ängstlichkeit." Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hielt dem CDU-Vorsitzenden daraufhin "parteipolitische Profilierung" vor. Die Union kritisierte auch, dass Scholz gerade jetzt nach Japan gereist sei.
Es ist nicht das erste Mal, dass führende AfD- und Linken-Politiker sich zu entscheidenden tagespolitischen Fragen ähnlich positionieren. Bereits während der Impfpflichtdebatte gab es teils Überschneidungen zwischen den beiden Parteien. Seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine werfen Kritiker sowohl der AfD als auch der Linken Distanzlosigkeit gegenüber Russland vor. Die von beiden häufig vorgetragene Möglichkeit eines Atomkriegs wird von nicht wenigen Stimmen als Stärkung einer russischen Erpressungstaktik kritisiert.
Während hochrangigen AfD-Politikern vor allem Besuche in Russland vorgehalten werden, gilt die Linke, nicht zuletzt auch aufgrund ihrer historischen Wurzeln sowohl in der SED als auch in der westdeutschen Studentenbewegung, als traditionell NATO-kritisch und russlandfreundlich. Doch in beiden Parteien führt die russische Invasion der Ukraine zu heftigen internen Debatten, in denen das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen sein dürfte – insbesondere in Anbetracht immer neuer Berichte über russische Verbrechen an der ukrainischen Zivilbevölkerung.