Politik

Am "Tag des Sieges" nichts zu feiern: Internationale Presse über Putins Parade

Erleichterung und Spott: So reagieren ausländische Medien auf die russische Militärparade zum 77. Jahrestag des Endes des 2. Weltkriegs.
10.05.2022 11:33
Aktualisiert: 10.05.2022 11:33
Lesezeit: 2 min
Am "Tag des Sieges" nichts zu feiern: Internationale Presse über Putins Parade
Anlässlich des 77. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs feierte Russland am Sonntag den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland. (Foto: dpa)

Am vergangenen Sonntag lag der Fokus ganz auf Moskau, auf dem roten Platz, wo der russische Präsident Wladimir Putin, neben einer Militärparade zum 77. Jahrestag des sowjetischen Siegs über das nationalsozialistische Deutschland, eine Rede zum "Tag des Siegs" hielt. Die setzte sich in erster Linie aus Vorwürfen gegenüber der NATO, dem Westen und den "Nazis" in der Ukraine zusammen.

Den russischen Angriffskrieg präsentierte Putin seinen Zuhörern als Präventivkrieg. So weit, so unspektakulär – gab es im Vorhinein doch gehäuft Spekulationen seitens westlicher Medien, der russische Präsident würde die Chance nutzen um eine allgemeine Mobilmachung zu verkünden und so die zunehmend ins Stocken geratende Invasion der Ukraine wieder anzukurbeln.

Polnischer Politologe: "Beweis dafür, dass Putin keine Erfolge zu verkaufen hat"

Entsprechend folgte der Rede Putins am Sonntag in der westlichen und osteuropäischen Presse eine allgemeine Stimmung der Erleichterung, aber auch des Spotts. So schrieb die polnische Tageszeitung "Rzeczpospolita": "Eine bessere Gelegenheit für Wladimir Putin, um der Ukraine offiziell den Krieg zu erklären und die Generalmobilmachung zu verkünden, wird es in diesem Jahr nicht mehr geben." Auch propagandistisch hätte dem Kremlchef alles gepasst, habe er die Ukrainer doch als "Faschisten" und "Nazis" bezeichnet.

"So hätte er direkt vom Roten Platz aus Soldaten an die Front schicken können – wie Stalin im November 1941. Putin hat dies jedoch nicht gewagt, denn er ist sich der Reaktion seines Volkes nicht sicher." Im Gespräch mit dem konservativen polnischen Internetportal "wPolityce" spitzte der polnische Politologe Przemysław Żurawski vel Grajewski sogar zu: "Dieser Auftritt ist ein Beweis dafür, dass Putin nichts tun kann und keine Erfolge zu verkaufen hat."

El Mundo: "Obszöne Propagandakampagne zum Ruhm Putins"

Die spanische Zeitung "El Mundo" kommentierte die Rede des russischen Präsidenten ähnlich scharfzüngig: "Nach 75 Tagen Krieg blieb Wladimir Putin, der niemals einen Fehler zugibt, keine andere Wahl, als zu einer verlogenen Begründung zu greifen: 'Der Westen bereitete die Invasion unseres Landes vor.'" Putin hätte die jährliche Siegesparade so gerne genutzt, um seinen Sieg zu verkünden, aber der Plan, Kiew in wenigen Tagen zu erobern, sei eben gescheitert, und das russische Volk bräuchte Gründe dafür, auch wenn es sich nur um reine Propaganda handeln würde.

"Der Autokrat tat, was er am besten kann: desinformieren. Die Sowjet-Propaganda war schon immer gut darin, den Aggressor im besten Orwellschen Stil als Opfer darzustellen, und das tat Putin, um seine "militärische Spezialoperation" zu verteidigen: 'Wir mussten das tun, es war das Einzige, was getan werden konnte.'", so die El Mundo. "Der festliche, symbolische und nostalgische Wert", von dem diese Parade früher geprägt wurde, sei zu "einer obszönen und triumphalen Propagandakampagne zum größeren Ruhm Putins verkommen".

The Times: Pläne für Mobilmachung "mit ziemlicher Sicherheit im Gange"

Die britische Tageszeitung "The Times" gemahnte den Westen jedoch zur Vorsicht. "Dies war keine Rede, um dem Westen zu signalisieren, was Russland nun tun wird, oder um übertriebene Warnungen vor einer Ausweitung des Konflikts und militärische Vergeltungsmaßnahmen auszusprechen." Viel eher sei sie im Wesentlichen eine Ansprache an seine Landsleute gewesen, "ein Versuch, den Kampfgeist und den patriotischen Stoizismus zu beschwören, der Russlands teuren Widerstand gegen den Ansturm der Nazis ermöglichte".

Der Westen könne sich jedoch, wie die Times betont, nicht damit trösten, dass Putin keine allgemeine Mobilmachung angekündigt habe. "Dies war nicht die richtige Plattform für einen Schritt, der Millionen von Menschen verärgern würde. Mit ziemlicher Sicherheit sind Pläne dafür im Gange, vor allem, wenn der Mangel an Truppen die Strategie zu behindern beginnt. In vielerlei Hinsicht war dies eine Verteidigungsrede, die keine Anzeichen für ein neues Denken im Kreml erkennen ließ", analysierte die Times. Der Westen müsse sich auf einen "langen Kampf gegen diese verlogene Aggression" einstellen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt: Bankenumzüge katapultieren Büroflächenumsatz in Frankfurt auf Allzeithoch
12.04.2025

Die Standortwechsel großer Banken haben dem angeschlagenen Büromarkt in Frankfurt zu einem Allzeithoch verholfen. Zwischen Januar und...

DWN
Technologie
Technologie Marktmacht für Google vorbei: Einigung mit Kartellamt - Google muss Auto-Dienste öffnen
12.04.2025

Das Vorgehen des US-Technologieriesen Google ist dem Bundeskartellamt schon länger ein Dorn im Auge, es fürchtet um den fairen...

DWN
Finanzen
Finanzen Silberpreis aktuell: Der arme Cousin des Goldes – warum die Silber-Preisentwicklung nicht mitzieht
12.04.2025

Während der Goldpreis zuletzt neue Allzeithochs erklomm und Investoren in aller Welt in seinen sicheren Hafen strömten, hat sich der...

DWN
Technologie
Technologie Big Tech: Trumps Zolloffensive könnte Europas Abkopplung von US-Giganten auslösen
12.04.2025

Die jüngsten Schritte der US-Regierung unter Donald Trump, die erneut protektionistische Zölle gegen Europa verhängte, könnten die...

DWN
Politik
Politik Fake News: Meta beendet Faktencheck in den USA - in Europa geht die Überprüfung weiter
12.04.2025

Mit dem Faktenprüfungs-Programm ging Meta gegen sogenannte Falschinformationen auf seinen Plattformen vor. US-Nutzer können jetzt selbst...

DWN
Technologie
Technologie Strom aus Solaranlagen: Weltweit immer mehr Stromgewinnung aus Sonnenlicht
12.04.2025

Sonnenstrom boomt global, der Anteil an der Stromerzeugung ist 2024 stark angestiegen – laut einer Analyse der britischen Denkfabrik...

DWN
Politik
Politik Ukraine Krieg: Neues NATO-Hauptquartier in Wiesbaden in Militäreinsätze verwickelt?
12.04.2025

Der ehemalige ukrainische Oberbefehlshaber und heutige Botschafter in Großbritannien, Walerij Saluschnyj, hat bestätigt, dass die Ukraine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Sekthersteller Rotkäppchen-Mumm: Vom ostdeutschen Sanierungsfall zum Marktführer
11.04.2025

Rotkäppchen-Mumm entwickelt sich wertmäßig bei Schaumwein und Wein deutlich über dem Marktniveau. Der Marktanteil ist mit 38 Prozent so...