Deutschland

Ernst Wolff: "Friedrichs Traum von der Freiheit"

Ernst Wolff hat ein neues Buch veröffentlicht, das wir an dieser Stelle besprechen.
15.05.2022 07:41
Lesezeit: 3 min

Was kommt heraus, wenn ein Sachbuchautor sein gewohntes Umfeld verlässt und plötzlich mit einem Kinderbuch aufwartet? Der Finanzexperte Ernst Wolff hat diese Frage mit seinem neuesten Werk „Friedrichs Traum von der Freiheit“ auf seine Weise beantwortet.

Wolff, der bekannt ist für seine schonungslosen Analysen und seine kompromisslose Kritik am aktuellen Finanzsystem, ist es gelungen, eine für die meisten wohl unerwartete Seite von sich hervorzukehren und mit einem Buch aufzuwarten, dessen Botschaft sich sowohl an kleine als auch an große Leser wendet.

Ein Erdmännchen macht eine sensationelle Entdeckung

Titelheld der Geschichte ist das Erdmännchen Friedrich, das mit seiner Sippe in einem Zoo lebt und eines Tages feststellt, dass es noch eine Welt außerhalb des Geheges gibt. Aufgeregt erzählt Friedrich seinen Mitbewohnern von seiner Entdeckung, beißt aber auf Granit, da sich niemand von ihnen dafür interessiert.

Von Neugier getrieben, versucht Friedrich nun, aus seinem Gehege auszubrechen - aber er scheitert. Dann aber lernt er die Krähe Carola kennen - mit ihrer Hilfe gelingt ihm doch noch die Flucht. Obwohl von der ihm unbekannten Welt vollkommen fasziniert, stellt Friedrich schon bald fest, dass

die Freiheit auch ihren Preis hat: Er muss einen Unterschlupf suchen, Nahrung finden und sich gegen natürliche Feinde verteidigen. Für jemanden, der die Annehmlichkeiten und die Bequemlichkeit der Gefangenschaft gewohnt ist, sind das keine einfachen Aufgaben. Doch zu seinem Glück steht Carola ihm wieder zur Seite und hilft ihm über alle Hindernisse hinweg.

Als er dann auch noch das Waschbär-Mädchen Toni kennenlernt, sich mit ihm anfreundet und gemeinsame Abenteuer erlebt und besteht, schwebt Friedrich im siebten Himmel und ist sich sicher: Es geht doch nichts über ein Leben in Freiheit!

Dann aber geht der Sommer zu Ende, die Tage werden kürzer und die Nahrungssuche beschwerlicher. Zudem wartet Toni mit einer Hiobsbotschaft auf: Sie muss mit ihrer Familie weiterziehen. Für Friedrich bricht eine düstere Zeit an, er ist einsam und allein. Doch er gibt nicht auf und sucht er nach einem Ausweg aus der Bredouille – um schließlich auf eine zündende Idee zu kommen, die ihm den Lebensmut zurückgibt.

Seine Enkelin brachte Wolff auf die Idee

Wie er auf das Thema für die Geschichte kam, erzählt Wolff in einem Video (youtu.be/GrRa0SU3KLk). Er und seine Enkelin sind leidenschaftliche Zoobesucher und Erdmännchen-Fans. Doch bei aller Begeisterung haben sich beide oft die Frage gestellt, die wohl die meisten Zoobesucher irgendwann bewegt: Ist es eigentlich richtig, Tiere einzusperren, nur damit die Menschen sich an ihrer Beobachtung weiden können? Würden die Zootiere sich, wenn man ihnen die Wahl ließe, nicht lieber für ein Leben in Freiheit entscheiden?

Statt dem Thema in langen Diskussionen auf den Grund zu gehen, griff Wolff auf seine Erfahrung als Großvater zurück und baute ganz einfach eine Gute-Nacht-Geschichte um das Problem. „Großartig daran ist“, sagt er rückblickend, „dass einem viele Aspekte des Problems erst beim Erzählen bewusst werden. So war mir vorher gar nicht klar, wie viele Annehmlichkeiten Zootiere im Vergleich zu ihren wilden Artgenossen genießen und welche Herausforderungen ein Leben in Freiheit mit sich bringt“.

Bei seinen Überlegungen über Zootiere stellte er fest, wie viele Parallelen zur menschlichen Gesellschaft sich ergaben: „Mir drängten sich ein ums andere Mal die Übereinstimmungen auf zwischen dem Leben der Tiere im Zoo und dem Leben in der Komfortzone der eigenen Bequemlichkeit, in der sich so viele Menschen eingerichtet haben.“

Auf diese Weise kristallisierten sich für ihn nach und nach die grundsätzlichen Fragen heraus, um die es eigentlich beim Thema Freiheit geht: Auf wie viele Annehmlichkeiten und Sicherheiten ist man bereit, zu verzichten, um ein Leben zu führen, das einem alle Optionen und Chancen eröffnet, aber natürlich auch Risiken beinhaltet? Was ist erforderlich, um eingetretene Pfade zu verlassen und dem Leben die Möglichkeit zu geben, einem Dinge zu präsentieren und Aussichten zu eröffnen, die man sonst nie kennengelernt oder erlebt hätte?

Einstein und Perikles als Stichwortgeber

Die Antwort lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: Neugier und Mut. Sie sind die unabdingbaren Voraussetzungen für das Streben nach Freiheit. Das haben bereits Albert Einstein und viele Jahrhundert vor ihm der griechische Staatsmann Perikles festgestellt, deren Zitate Wolff dem Buch vorangestellt hat.

Aber keine Angst: Trotz aller philosophischen Erwägungen, die in die Konzeption der Geschichte eingeflossen sind und ihr ein solides erzählerisches Gerüst verleihen, gelingt es Wolff, das Geschehen auf lebendige, kindgerechte Weise zu vermitteln, dabei eine heitere Leichtigkeit der Sprache an den Tag zu legen und vor allem nie belehrend zu wirken.

Lohn der Mühe ist eine knapp achtzigseitige emotionale Achterbahnfahrt mit glücklichem Ausgang, die Kinder ab sieben in ihren Bann schlagen wird, die aber auch Erwachsenen den einen oder anderen Denkanstoß vermitteln dürfte, und die von der Illustratorin Renée Kolkvist mit sechsundzwanzig wunderschönen Zeichnungen bereichert wurde.

„Friedrichs Traum von der Freiheit“ von Ernst Wolff, Klarsicht-Verlag, Hamburg, 21. März 2022, ISBN-10: 3985842302, ISBN-13: 978-3985842308.

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