Politik

DWN AKTUELL: China hält Manöver vor Taiwan ab / USA bringen Flugzeugträger und Lenkwaffen-Schiffe in Stellung

Lesezeit: 3 min
19.05.2022 11:52  Aktualisiert: 19.05.2022 11:52
Alle Augen sind derzeit auf die Ukraine gerichtet. Dabei spitzt sich die Lage in den Gewässern vor China gerade massiv zu.
DWN AKTUELL: China hält Manöver vor Taiwan ab / USA bringen Flugzeugträger und Lenkwaffen-Schiffe in Stellung
Ein "F/A-18 Super Hornet"-Kampfflugzeug startet vom Deck des Flugzeugträgers "USS Ronald Reagan" im Südchinesischen Meer. (Foto: dpa)
Foto: Kin Cheung

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die ganze Welt schaut auf die Ukraine, dabei braut sich in den Gewässern östlich von China ein Konflikt zusammen, der mindestens genauso gefährlich ist. Derzeit durchpflügt der Flugzeugträger USS Ronald Reagan (Motto des Schiffs: „Friede durch Stärke“) das Südchinesische Meer zwischen China und Taiwan im Norden, den Philippinen im Osten, Vietnam im Westen und der Insel Borneo im Süden. Was die Situation brisant macht: Letzte Woche hat die Volksrepublik Manöver im Ostchinesischen Meer und rund um Taiwan abgehalten. Wie ein Sprecher des für die Region östlich von China zuständigen Kommandos der Volksbefreiungsarmee mitteilte, hätten Fregatten, Bomber und Kampfflugzeuge daran teilgenommen und unter anderem auch Angriffe geübt. Es handle sich um „eine Gegenreaktion auf das negative Vorgehen der USA und den jüngsten Besuch von US-Senatoren" in Taiwan. Hintergrund: Kürzlich hatten amerikanische Abgeordnete Taiwan besucht, um die „felsenfeste“ Unterstützung Amerikas für den Inselstaat und seine etwas mehr als 23 Millionen Einwohner zu demonstrieren.

„Friede durch Stärke“

Die von Nuklearreaktoren angetriebene, einschließlich Flugdeck circa 332 Meter lange „Ronald Reagan“, die über 85 Kampfflugzeuge verfügt, wird von zwei weiteren extrem schlagkräftigen US-Kriegsschiffen begleitet: Dem Lenkwaffenzerstörer USS Halsey sowie dem Lenkwaffenkreuzer USS Shiloh.

Die „Ronald Reagan“ hat ihren angestammten Liegeplatz nicht etwa in den USA, sondern an der Ostküste Japans - ihr Heimathafen ist die 400tausend Einwohner zählende Hafenstadt Yokosuka. Wie die 7. US-Flotte in einem Bericht mitteilt, ist der Flugzeugträger von dort ausgelaufen, um an einer einwöchigen Übung mit dem japanischen Zerstörer „Teruzuki“ teilzunehmen. Das Ziel sei es gewesen, „Interoperabilität aufzubauen“, mit dem strategischen Ziel, „das Verhältnis [zwischen der amerikanischen und japanischen Marine] zur Aufrechterhaltung eines freien und offenen Indo-Pazifiks zu stärken“, wie es in dem Bericht heißt.

„Ship-Killing“

Das Beunruhigende: Letzte Woche veröffentlichte die amerikanische Denkfabrik „US Naval Institute“ einen Bericht über Übungen zur Bekämpfung feindlicher Schiffe (englisch „ship-killing“). In dem Bericht wird beschrieben, wie die Volksbefreiungsarmee mit Hyperschallwaffen den Angriff und die Zerstörung von feindlichen Kriegsschiffen sowie Marine-Stützpunkten simuliert. Besonders bemerkenswert ist, dass die dabei verwendeten Ziele reellen Zielen täuschend echt nachgeahmt waren. So wurden beispielsweise Lenkraketen, mit denen Zerstörer der Kee Lung-Klasse (die größten und schlagkräftigsten Zerstörer der chinesischen Marine) ausgestattet sind, auf einen Nachbau des „Suao“ Marine-Stützpunkts in Taiwan abgefeuert. Der Suao-Stützpunkt gilt für den Fall einer chinesischen Blockade von Taiwan als äußerst wichtige strategische Einrichtung zur Aufrechterhaltung von überlebensnotwendigen Lieferketten. Er gilt als potentielles Ziel eines chinesischen Raketenangriffs im Fall einer Invasion der Insel.

Interessant ist, dass China bereits seit circa 20 Jahren den Einsatz von Anti-Schiffs-Waffen übt. Zu Anfang wurden diese Waffen allerdings noch an recht primitiven Zielen wie Betonplatten, die etwas die Größe eines Schiffes hatten, ausprobiert. Der Fortschritt bei der Gestaltung der Ziele liegt eindeutig im Trend beim Fortschritt, den das chinesische Militär im Allgemeinen macht.

Durchbruch

Tatsache ist: Die US- und die chinesische Marine sind derzeit noch weit davon entfernt, in irgendeiner Form Feindberührung aufzunehmen. Aber: Beide Seiten verstärken ihre Präsenz in der Region deutlich. Peking hat es als sein erklärtes Ziel ausgegeben, die in seinen Augen abtrünnige Insel Taiwan wieder zum Teil der Volksrepublik zu machen.

Für die USA hat Taiwan eine völlig andere Bedeutung als es Afghanistan oder die Ukraine tun. Im ersteren Fall haben sie sich vollständig zurückgezogen; im letzteren leisten sie zwar Militärhilfe, greifen aber nicht mit eigenen Truppen in den Konflikt ein. In der Auseinandersetzung um den Inselstaat im Pazifik werden sie dagegen ihre Stellung behaupten - auch mit dem Einsatz eigener Truppen. Taiwan ist für die Amerikaner von so großer Bedeutung, weil:

  • Das Land als führender Halbleiter-Produzent systemrelevant ist für die Welt-, und damit natürlich auch für die amerikanische Wirtschaft
  • Das Land eine funktionierende Demokratie besitzt, deren Schutz eine hohe Symbolkraft zukommt. In diesem Zusammenhang sei an die (fehlgeleitete) Domino-Theorie erinnert, aufgrund derer Amerika in den Vietnam-Krieg zog: Nach Meinung Washingtons könnte die Eroberung von Taiwan eine Kettenreaktion auslösen. China könnte den Eindruck bekommen, folgenlos in Asien expandieren zu können; weltweit könnten nicht-demokratische Staaten dem chinesischen Beispiel folgen.
  • Das Land Teil einer Inselkette ist, die den Pazifik vor der chinesischen Marine abschirmt. Die Eroberung Taiwans würde diese Inselkette durchbrechen und den Stillen Ozean sozusagen zur Eroberung freigeben.

Fest steht: Der Konflikt zwischen China und den USA ist langfristig von viel größerer geopolitischer Bedeutung als die Ereignisse, die sich derzeit in der Ukraine abspielen. Darüber hinaus, und das ist an dieser Stelle entscheidend: Anders als in der Ukraine stehen sich in Ostasien zwei Atommächte direkt gegenüber. Und zwar heute und jetzt!

DIE DWN WERDEN SIE ÜBER DIE WEITERE ENTWICKLUNG DES AMERIKANISCH-CHINESISCHEN KONFLIKTS AKTUELL AUF DEM LAUFENDEN HALTEN!


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...