Mit ihren konjunkturstützenden Maßnahmen hat die chinesische Notenbank zum Wochenschluss wieder für mehr Optimismus an Europas Aktienmärkten gesorgt. Der Dax gewann nach seinen jüngsten Verlusten 1,9 Prozent auf 14.147 Zähler. Der EuroStoxx rückte um 1,6 Prozent vor.
Für Auftrieb sorgte, dass China einen Schlüsselzinssatz im Immobiliensektor für langfristige Kredite überraschend stark gesenkt hat. Die Behörden versuchen damit den Häusermarkt anzukurbeln und einer deutlichen Konjunkturabschwächung infolge der strengen Null-Covid-Politik mit zahlreichen Beschränkungen entgegenzusteuern.
Die sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagte Carlos Casanova, Ökonom bei der Union Bancaire Privee in Hongkong. An der Börse in Shanghai wurde die Ankündigung der Zentralbank mit einem Plus von 1,6 Prozent honoriert.
Einige Analysten zweifelten allerdings am Nutzen dieser Maßnahme. Sie dürfte nur der Tropfen auf den heißen Stein einer Rezessionsgefahr im Reich der Mitte sein, urteilte Jürgen Molnar von RoboMarkets. "Solange die massiven Einschränkungen anhalten, dürfte Chinas Wirtschaft Mühe haben, wieder die von ihr gewohnte Fahrt aufzunehmen und damit auch die Weltwirtschaft mitzuziehen."
Zhiwei Zhang, Chefökonom bei Pinpoint Asset Management, rechnet in den nächsten Monaten mit weiteren Zinssenkungen. "Ich erwarte auch mehr politische Maßnahmen in den Bereichen Fiskal-, Eigentums- und Plattformökonomie."
NOTENBANKEN IN DER ZWICKMÜHLE
Neben der Entwicklung in China treibt die Anleger derzeit jedoch auch die Frage um, ob die US-Notenbank Fed wie auch die Europäische Zentralbank (EZB) es schaffen werden, die Teuerung zu bremsen, ohne die Konjunktur abzuwürgen. "Das Wachstum wird sich weiter abschwächen, die Inflation aber vorerst hoch bleiben – die Notenbanken stecken in der Zwickmühle", sagt Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck.
Während die Fed die Zinswende schon vollzogen hat, nimmt nun aus Sicht von Commerzbank-Analyst Ralph Solveen auch auf die EZB der Druck zu, schon bald die Zinsen anzuheben. Die noch einmal gestiegenen deutschen Produzentenpreise ließen "befürchten, dass auch bei den Verbraucherpreisen zumindest die Kernrate den Hochpunkt noch lange nicht erreicht hat."
Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte kletterten im April binnen Jahresfrist um durchschnittlich 33,5 Prozent. Sie gelten als Vorläufer für die allgemeine Inflation. Aktuell ist die Inflationsrate mit 7,4 Prozent bereits so hoch wie seit 1981 nicht mehr.
Spekulationen auf eine baldige Zinswende im Euroraum trieben die Gemeinschaftswährung am Donnerstag um mehr als ein Prozent in die Höhe. Zum Wochenschluss notierte der Euro kaum verändert bei 1,0586 Dollar.
LUXUSWERTE NACH RICHEMONT-ZAHLEN UNTER DRUCK
Unter den Einzelwerten machten vor allem die Luxuswerte von sich Reden, nachdem Richemont mit seinem Gewinn hinter den Erwartungen zurückgeblieben war.Read full story Hermes, LVMH, Moncler und Kering gaben zeitweise zwischen 3,4 und 1,7 Prozent nach. Im MDax notierten Hugo Boss gut 2 Prozent schwächer. Die Aktien des Schweizer Luxusgüterkonzerns Richemont rutschen um fast 14 Prozent ab.
Im Dax gingen zahlreiche Titel, die seit Jahresbeginn stark gefallen waren, auf Erholungskurs. An der Spitze des standen die Aktien des Kochboxen-Versenders HelloFresh, die knapp 7 Prozent zulegten. Sie kommen seit Anfang Januar auf ein Minus von fast 50 Prozent. Der Dax selbst hat im selben Zeitraum 12,6 Prozent an Wert eingebüßt.