Deutschland

Reallöhne sinken deutlich

Unter dem Strich dürften die Deutschen im laufenden Jahr einen merklichen Vermögensrückgang verzeichnen.
30.05.2022 11:00
Aktualisiert: 30.05.2022 11:20
Lesezeit: 2 min

Die hohe Inflation führt zu einem deutlichen Rückgang der Reallöhne in Deutschland. Die Löhne stiegen im ersten Quartal zwar mit 4,0 Prozent zum Vorjahreszeitraum deutlich, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Allerdings legten die Verbraucherpreise im selben Zeitraum mit 5,8 Prozent noch weitaus kräftiger zu. Daraus ergibt sich ein realer, preisbereinigter Verdienstrückgang von 1,8 Prozent. "Die Inflation zehrte somit den Nominallohnanstieg im 1. Quartal 2022 mehr als auf", fassten die Statistiker die Ergebnisse zusammen. Vielen Beschäftigten steht damit weniger Kaufkraft zur Verfügung.

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) geht davon aus, dass die Reallohnverluste zumindest bis zum Jahresende anhalten. "Im kommenden Jahr ist eine Trendwende möglich", sagte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien, der Nachrichtenagentur Reuters. "Allerdings dürften auch dann nicht sofort alle Reallohnverluste aufgeholt werden, die sich aus der hohen Inflation 2022 ergeben."

Deshalb sei es wichtig, dass die Politik mit gezielten Entlastungspaketen helfe, die Kaufkraft der Privathaushalte zu stabilisieren. Die bisherigen Entlastungspakete dürften zwar viele Haushalte spürbar bei der Mehrbelastung durch teurere Energie für das laufende Jahr entlasten, aber einige Haushalte wie jene von Rentnerinnen und Rentnern und Studierenden blieben außen vor. "Außerdem deckt die Entlastung noch nicht die gestiegenen Nahrungsmittelpreise ab", sagte Dullien. "Da die Reallöhne 2023 noch unter dem Niveau von 2021 liegen dürften, sind außerdem weitere staatliche Einmalzahlungen für das kommende Jahr notwendig."

Tarifverdienste legen merklich zu

Auch die Tarifverdienste sind im ersten Quartal um durchschnittlich 4,0 Prozent gestiegen. Darin berücksichtigt sind tarifliche Grundvergütungen und durch Tarifabschlüsse festgelegte Sonderzahlungen. Deutlich überdurchschnittlich fiel das Plus in den Bereichen "Erziehung und Unterricht" (plus 5,0 Prozent), "Land- und Forstwirtschaft; Fischerei" (plus 4,9 Prozent) sowie "Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung" (plus 4,6 Prozent) aus. In diesen Bereichen machten sich vor allem die Corona-Prämien bemerkbar, die sowohl die Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder als auch die meisten Landes- und Kommunalbeamten erhielten.

Auch die überdurchschnittliche Tarifentwicklung im Verarbeitenden Gewerbe von 4,8 Prozent lässt sich vorrangig auf Sonderzahlungen zurückführen, vor allem in der Metall- und Elektroindustrie. Im Baugewerbe (plus 4,7 Prozent) wurde zu Jahresbeginn ebenfalls eine Corona-Prämie gezahlt.

Unterdurchschnittlich wuchsen die Tarifverdienste einschließlich Sonderzahlungen insbesondere in der Energieversorgung (plus 0,7 Prozent), bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (plus 1,3 Prozent) sowie bei der Wasserversorgung und Entsorgung (plus 1,9 Prozent).

Inflation knackt 8-Prozent-Marke

Die Inflation in Deutschland hat sich im Mai nochmals beschleunigt und in mehreren Bundesländern die Marke von acht Prozent geknackt. In Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen legten die Verbraucherpreise zwischen 8,0 und 8,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, wie die Statistischen Landesämter am Montag mitteilten. In Baden-Württemberg lag die Teuerungsrate bei 7,4 Prozent.

Diese Länderdaten fließen in die erste Schätzung für die Entwicklung der Verbraucherpreise in ganz Deutschland ein, die das Statistische Bundesamt noch am Montagnachmittag veröffentlichen will. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen gehen für Mai von einem Anstieg auf bundesweit 7,6 Prozent aus, nachdem im April mit 7,4 Prozent bereits der höchste Wert seit 1981 gemessen wurde.

Als Preistreiber erwiesen sich erneut Energie und Nahrungsmittel, die wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine erheblich mehr kosten als vor Jahresfrist. In NRW etwa musste für Heizöl im Schnitt 74,3 Prozent mehr bezahlt werden als im Mai 2021, Kraftstoffe verteuerten sich um 40,5 Prozent. In Bayern mussten die Verbraucher durchschnittlich 9,2 Prozent mehr für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke hinblättern.

Das Ifo-Institut rechnet mit einem allmählichen Abflauen der Inflation erst ab Jahresmitte. Grund dafür ist, dass im Mai erstmals seit Monaten der Anteil der Firmen sank, die ihre Preise in den kommenden drei Monaten erhöhen wollen, wie die Münchner Wirtschaftsforscher bei ihrer Umfrage herausfanden. Aber die Tendenz spreche dafür, dass die Monatsraten der Inflation in der zweiten Jahreshälfte langsam von über sieben Prozent auf unter sechs Prozent sinken dürften, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. "Für das Gesamtjahr rechnen wir mit rund sechs Prozent", fügte er hinzu.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Wie schützt man seine Krypto-Wallet? CLS Mining ermöglicht Nutzern eine stabile tägliche Rendite von 6.300 €.

Der Kryptowährungsmarkt erholte sich heute umfassend, die Stimmung verbesserte sich deutlich. Meme-Coins führten den Markt erneut an....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Bundesrat prüft Sparpaket für Krankenkassen – Länder erhöhen den Druck
21.11.2025

Die Länder stellen sich erstmals offen gegen ein zentrales Vorhaben der Regierung Merz: Im Bundesrat steht an diesem Freitag das...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs aktuell: Nvidia-Euphorie verpufft – Aktienmärkte rutschen weltweit ab
21.11.2025

Der DAX-Kurs steht am Freitag vorbörslich stark unter Druck, obwohl Nvidia zur Wochenmitte mit beeindruckenden Zahlen überraschte und den...

DWN
Finanzen
Finanzen Teurer Überziehungs-Kredit: Fast 20 Prozent Zinsen
21.11.2025

Das Girokonto dauerhaft in den Miesen stehenzulassen, ist keine gute Idee. Eine Auswertung zeigt, dass vor allem bei kleineren Banken der...

DWN
Politik
Politik Geheimplan für die Ukraine: Wie weit geht Amerika für ein Ende des Krieges?
21.11.2025

Laut Medienberichten haben Diplomaten aus den USA und Russland einen neuen Friedensvorschlag ausgearbeitet. Er verlangt von der Ukraine...

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie und Microsoft-Aktie: Anthropic-Deal stärkt Position bei künstlicher Intelligenz
20.11.2025

Microsoft und Nvidia setzen mit Milliardeninvestitionen auf das KI-Start-up Anthropic. Die US-Giganten stärken damit ihre Position im...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt-Trend: Fähigkeiten statt Abschlüsse - Zeugnisse verlieren an Bedeutung
20.11.2025

Immer mehr Firmen rücken bei der Personalsuche von klassischen Lebensläufen und Abschlüssen ab: Laut einer Stepstone-Befragung wollen 77...

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen in Sicht? USA arbeiten an Ideen für Kriegsende in der Ukraine – Kritik von der EU
20.11.2025

Ein angeblicher 28-Punkte-Plan für ein Kriegsende in der Ukraine sorgt für Aufsehen. Kiew sieht sich unter Druck. In der EU regt sich...

DWN
Politik
Politik Trump erhält freie Hand: USA bereiten massive Strafzölle und Sanktionen gegen Russlands Handelspartner vor
20.11.2025

Präsident Donald Trump unterstützt ein Gesetz, das weltweite Schockwellen auslösen könnte: Die USA wollen Staaten bestrafen, die...