Politik

Biden schiebt Selenskyj den schwarzen Peter zu: Hat Invasion nicht ernst genommen

Laut Präsident Biden haben die US-Geheimdienste zu Jahresbeginn vor einem Einmarsch Russlands gewarnt. Doch Präsident Selenskyj habe das "nicht ernst genommen".
11.06.2022 16:12
Aktualisiert: 11.06.2022 16:12
Lesezeit: 2 min

Die ukrainische Führung hat mit Unverständnis auf Äußerungen von US-Präsident Joe Biden reagiert, wonach Präsident Wolodymyr Selenskyj vor Kriegsbeginn die von Russland ausgehende Gefahr nicht ernst genug genommen habe. Präsidentensprecher Serhij Nykyforow sagte am Samstag, Selenskyj habe die internationalen Partner immer wieder dazu aufgerufen, präventiv Sanktionen zu verhängen, um Russland zu einem Abzug der damals bereits in der Grenzregion stationierten Truppen zu zwingen.

Der US-Präsident hatte bei einer Veranstaltung am Freitagabend (Ortszeit) in Los Angeles gesagt, es habe bereits vor dem 24. Februar Beweise dafür gegeben, dass Kremlchef Wladimir Putin die Ukraine überfallen wolle. Dann fügte er hinzu: «Es gab keinen Zweifel. Und Selenskyj wollte es nicht hören - viele Leute wollten es nicht.»

Ukrainische Führung nach Biden-Äußerungen verstimmt

«Die Phrase "wollte nicht hören" bedarf sicherlich einer Erläuterung», sagte am Samstag der ukrainische Präsidentensprecher Serhij Nykyforow. Selenskyj habe dazu aufgerufen, präventiv Sanktionen gegen Russland zu verhängen. «Und hier kann man schon sagen, dass unsere Partner "uns nicht hören wollten"», sagte er.

Zwei Wochen vor Kriegsbeginn hatte Selenskyj gesagt, sein Land lebe schon seit 2014 mit einer Dauerbedrohung durch Russland. Er beklagte damals, der westliche «Alarmismus» schade dem Land mehr als er nütze: «Der beste Freund für die Feinde ist Panik in unserem Lande.» Sprich: Russland nütze es, wenn Angst zur Destabilisierung in der Ukraine führt. Vor dem Jahreswechsel hatte die Ukraine selbst vor einem möglichen Angriff Russlands gewarnt.

Kiew meldet 10.000 gefallene ukrainische Soldaten

Die Zahl von rund 10.000 getöteten ukrainischen Soldaten stammt vom Präsidenten-Berater Olexij Arestowytsch. Er nannte sie in einem seiner regelmäßigen YouTube-Videointerviews. Diese Woche hatte Verteidigungsminister Olexij Resnikow bereits gesagt, dass aktuell täglich bis zu 100 ukrainische Soldaten getötet würden.

Arestowytsch betonte, dass auf ukrainischer Seite auch zu Beginn des Krieges rund 100 Militärangehörige pro Tag gestorben seien. Auf Feygins Frage, ob man also von rund 10.000 getöteten Soldaten insgesamt ausgehen könne, antwortete er: «Ja, so in etwa.» Weder von der Ukraine noch von Russland gab es bisher erschöpfende Angaben zu den Verlusten. Selenskyj hatte zuletzt Mitte April in einem CNN-Interview von bis zu 3000 gefallenen ukrainischen Soldaten gesprochen.

Kämpfe um strategisch wichtige Industriestadt Sjewjerodonezk

Ukrainer und Russen liefern sich nach Angaben der britischen Regierung heftige Straßenkämpfe um die ostukrainische Großstadt Sjewjerodonezk. Beide Seiten dürften wahrscheinlich eine hohe Zahl an Opfern erleiden. Sjewjerodonezk ist die letzte Großstadt im Gebiet Luhansk, die sich noch nicht vollständig unter russischer und prorussischer Kontrolle befindet. Gekämpft wird um sie seit Wochen.

Polen wirft Bundesregierung mangelndes Engagement vor

Die Kritik bezieht sich auf die versprochene Lieferung von Panzern. «Die Gespräche sind ins Stocken geraten. Man sieht keinen guten Willen, hoffen wir, dass sich das ändert», sagte der Chef des Nationalen Sicherheitsbüros beim Präsidenten, Pawel Soloch, am Samstag dem Sender Radio Rmf.fm. Die Verteidigungsministerien seien dazu im Kontakt. «Die deutsche Militärhilfe - sei es für die Ukraine oder sei es die Unterstützung von Ländern, die diese Hilfe leisten - bleibt hinter den Erwartungen zurück.»

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