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EZB rettet Italien und Griechenland mit Erlösen aus deutschen Anleihen

Mit Erlösen aus den Anleihen der Nordländer wird die EZB Anleihen der Südländer kaufen. Damit bricht sie ganz offen die eigenen Regeln. Doch sie hat keine Wahl.
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01.07.2022 09:37
Aktualisiert: 01.07.2022 09:37
Lesezeit: 3 min
EZB rettet Italien und Griechenland mit Erlösen aus deutschen Anleihen
EZB-Chefin Christine Lagarde wirft die eigenen Regeln zum Anleihekauf über Bord, um die Südländer zu retten. (Foto: dpa) Foto: Philipp von Ditfurth

Die Europäische Zentralbank (EZB) will Länder wie Italien, Spanien, Portugal und Griechenland mit dem Kauf ihrer Staatsanleihen unterstützen. Die Währungshüter würden einen Teil der Erlöse aus fällig werdenden deutschen, französischen und niederländischen Titeln in ihrem Besitz nutzen, um damit Anleihen dieser Länder zu erwerben. Dies sagten mit der Situation vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.

Mit den Käufen soll verhindert werden, dass sich die Risikoaufschläge (Spreads) der Anleihen dieser südlichen Euro-Staaten ausweiten, was ihre Finanzierungskosten erhöhen würde. Denn für bereits stark verschuldete Länder könnte dies zum Problem werden. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme zu den Informationen ab.

Die EZB werde das Vorhaben an diesem Freitag auf den Weg bringen, um damit ein Auseinanderdriften der Staaten in der Währungsunion zu vermeiden, sagten die Insider. Die EZB spricht in diesem Zusammenhang meist von einer Gefahr der "Fragmentierung". Diese würde ihren Plänen im Wege stehen, im Juli zum ersten Mal seit 2011 die Zinsen in der Währungsgemeinschaft zu erhöhen. Ein weiteres neues Instrument zur Bekämpfung hoher Zinskosten für stark verschuldete Euro-Staaten soll im Juli vorgestellt werden.

Länder werden aufgeteilt

Die Zentralbank hat die 19 Länder der Euro-Zone in drei Gruppen eingeteilt, wie aus Gesprächen mit mehreren Insidern auf dem Notenbank-Forum der EZB in Sintra in Portugal hervorgeht. Die Länder sind Geber, Empfänger oder Neutrale – basierend auf dem Umfang und der Geschwindigkeit des Anstiegs ihrer Anleihe-Spreads in den vergangenen Wochen.

Die EZB will dem Plan zufolge Teile der Einnahmen aus ablaufenden Anleihen aus Geber-Ländern, die im Rahmen ihres billionenschweren Pandemie-Kaufprogramm PEPP erworben wurden, für Käufe von Bonds der Empfänger-Länder nutzen, wie die Insider erläuterten. Neutrale Länder dienten als Puffer. Die EZB hatte bereits in Aussicht gestellt, solche Reinvestitionen flexibel angehen zu wollen.

Maßstab für die Bestimmung der Spread-Entwicklung sei der Vergleich mit deutschen Bundesanleihen, sagte die Insider. Die Liste solle monatlich überprüft werden. In ihr kommt die alte Einteilung in Kern-Länder und Peripherie-Länder wieder zum Vorschein, über die vor einem Jahrzehnt im Zuge der Euro-Schuldenkrise immer wieder diskutiert wurde.

Zu den Empfänger-Staaten gehörten eine Handvoll Länder, die von Investoren wegen ihrer hohen Staatsverschuldung oder ihres schwachen Wirtschaftswachstums als riskanter eingestuft würden, sagten die mit den Überlegungen vertrauten Personen. Darunter seien Italien, Griechenland, Spanien und Portugal. Die Gebergruppe bestehe aus etwa einem halben Dutzend Ländern, die als sicherer eingestuft würden, darunter Deutschland, Frankreich und die Niederlande.

Neues Instrument kommt hinzu

Die EZB weiß allerdings auch, dass eine flexible Wiederanlage der Einnahmen aus ablaufenden PEPP-Anleihen möglicherweise nicht ausreichen wird, um die Märkte zu beruhigen. Daher hat sie ihre Arbeiten an einem weiteren Instrument beschleunigt. Mit diesem - höchstwahrscheinlich ein neues Kaufprogramm - soll die Notenbank gezielt Anleihen betroffener Staaten erwerben können, wenn diese bestimmte Bedingungen erfüllen.

Dies könnte den Insidern zufolge von der EU-Kommission auf Grundlage ihrer Haushaltsregeln oder ihrer Wirtschaftsempfehlungen bewertet werden. Dies könne aber die EZB auch selbst übernehmen mittels einer Bewertung der Schuldentragfähigkeit. So sei die Notenbank beispielsweise vor einigen Jahren bei Griechenland vorgegangen.

Mit der ersten Option würde allerdings eine andere europäische Institution ein starkes Mitspracherecht bei dem Instrument erhalten. Bei der zweiten Option würde sich die EZB dagegen womöglich Vorwürfen aussetzen, sich zu stark in die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euro-Länder einzumischen.

Offen ist bislang auch, wie mit der zusätzlichen Liquidität in Folge der neuen Anleihekäufe umgegangen werden soll. Eine Möglichkeit wäre etwa, über spezielle Operationen der Finanzwirtschaft die neu geschaffene Liquidität wieder zu entziehen. Dies könnten etwa Auktionen sein, bei denen sich Banken bessere Zinssätze sichern können, wenn sie bei der Notenbank Gelder parken.

Die Währungshüter müssen zudem noch entscheiden, ob sie den geplanten Umfang des neuen Programms bekanntgeben wollen. Womöglich hoffen sie, dass allein die Ankündigung ausreichen wird, um die Märkte zu stabilisieren. Ein Vorbild wäre hier das 2012 auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise beschlossene OMT-Programm. Allein dessen Ankündigung hatte damals ausgereicht, um die Börsen zu beruhigen. Eingesetzt wurde OMT bislang noch nie.

Das neue Vorgehen der EZB zur Rettung der Südstaaten hatte sich bereits angedeutet, nachdem die EZB wiederholt bekannt gegeben hatte, dass sie gegen den Anstieg der Risikoaufschläge (Spreads) vorgehen wird. So schrieben die DWN vor zwei Wochen:

"Im Rahmen der umfangreichen Anleihekäufe der EZB kauft jede Zentralbanken [bisher] Staatsanleihen ihres jeweiligen Mitgliedsstaats im Verhältnis zu den Kapitaleinlagen dieses Staaten bei der EZB. Dieses Verhältnis richtet sich wiederum nach der Größe der Bevölkerung und der Wirtschaft der Euro-Staaten. Obwohl es einige Ausnahmen gab, mussten im Laufe der Zeit alle Anleihekäufe der EZB diesem Kapitalschlüssel entsprechen.

Doch die Ankündigung der EZB vom Mittwoch zufolge dürfte sich dies nun ändern, schwer verschuldete Südstaaten wie Italien sollen gezielt bevorzugt werden. Nach Ansicht des früheren Fondsmanagers Richard Cookson ist "die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens äußerst fragwürdig", auch wenn die Regeln, nach denen die EZB ihre umfangreichen Anleihekäufe bisher durchgeführt hat, nicht per se rechtsverbindlich seien."

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