Dr. Adrian Fischer ist Co-Gründer und Geschäftsführer von Demecan, dem einzigen unabhängigen deutschen Hersteller von medizinischem Cannabis im Auftrag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Fischer studierte Medizin in Köln und Boston und promovierte 2015 mit der als beste naturwissenschaftliche Doktorarbeit des Jahres ausgezeichneten Dissertation zum Dr. rer. Nat. Außerdem erforschte der gebürtige Freiburger unter anderem die Wirkungsweise von Antidepressiva bei Menschen und wurde dafür von der European Psychiatric Assosciation ausgezeichnet. Mit den DWN sprach er unter anderem über den Anbau, die Anwendung und Beschaffenheit sowie über die Legalisierung und das Marktpotential der Cannabispflanze, die seit 2017 von Ärzten für medizinische Zwecke verschrieben werden kann.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie viel Cannabis-Pflanzen gibt es eigentlich, und wie viele davon kann man im medizinischen Bereich verwenden?
Adrian Fischer: Grundsätzlich ist der Sortenbegriff bei Cannabis schwierig. Aber aus einer auf die Wissenschaft beschränkten Sicht gibt es rund zehn bis 20 Grundsorten. Sie kann man untereinander vermischen und daraus hybride Sorten züchten, die grundsätzlich alle für medizinische Zwecke verwendet werden können. Allerdings steckt die medizinische Erforschung noch in den Anfängen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Könnten neben Cannabis auch andere Naturdrogen wie etwa halluzinogene Pilze oder Coca-Blätter für medizinische Zwecke verwendet werden?
Adrian Fischer: Es gibt dazu einige Studien und vielversprechende Ergebnisse, wobei eine liberale Drogenpolitik der Wissenschaft auch hier einige neue Bereiche eröffnen würde. Wir aber beschäftigen uns weder mit der medizinischen Verwertung von Halluzinogenen Pilzen noch von Coca-Blättern.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Art von Cannabis bauen Sie an, wie groß ist die Menge, die Sie anbauen, und welchen Preis bezahlen Ihnen die Apotheken?
Adrian Fischer: Wir bauen zwei Sorten von Cannabis an. Und zwar Demecan eins und Demecan zwei. Das sind zwei von uns gezüchtete hybride Sorten. Sie enthalten 21 beziehungsweise 15 Prozent THC. Das BfArM erlaubt uns eine jährliche Anbaumenge von 1000 kg, wobei der Ertrag einer Ernte rund 100 kg umfasst. Die Apotheken zahlen rund fünf Euro für ein Gramm. Allerdings nicht an uns, sondern an das BfArM, das auch die Preise festsetzt, und uns unseren Anteil ausbezahlt.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Würden sie bei der von Ihnen verwendeten Pflanze auch von Marihuana oder eher von Nutzhanf sprechen?
Adrian Fischer: Also, im wissenschaftlichen Bereich spricht man nicht von Marihuana, sondern nur von Cannabis. Zudem gibt es noch den Nutzhanf, das sind eine Vielzahl in der Europäischen Union registrierte Sorten, die unter anderem zur Fasergewinnung oder in der Lebensmittelherstellung verwendet wird, aber nicht im medizinischen Bereich.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was unterscheidet den medizinischen Cannabis von anderen Sorten?
Adrian Fischer: Das medizinische Cannabis unterscheidet sich vor allem von anderen Sorten durch die hohen qualitativen Anforderungen an das Produkt. So muss er frei sein von Pestiziden, Pilzen, Schwermetallen oder Bakterien. Es unterliegt einem Art Reinheitsgebot, das in einer sogenannten Arzneimittelmonografie vermerkt ist. Sie legt fest, welche Wirkstoffe und welche Menge an Wirkstoffen die Pflanze enthalten darf. Dabei variiert zwar die Dosierung des Wirkstoffs bei einzelnen Produkten, Jedoch muss die Dosierung selbst immer gleichbleiben.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Bei welchen Therapien schlägt der medizinische Cannabis besonders gut an?
Adrian Fischer: Vorweggenommen ist es wichtig zu betonen, dass das medizinische Cannabis verschreibungspflichtig ist und eine Verschreibung nur erfolgen kann, wenn es dazu keine Alternative mehr gibt, es sich also um eine schwerwiegende Krankheit handelt. Der Einsatz von Cannabis sozusagen als ultima ratio. Dabei, vor allem bei chronischen Leiden wie der Spastik bei Multiple Sklerose, neuropathischen Schmerzen oder der symptomatischen Therapie bei Krebspatienten.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Arbeiten Sie in der Medizin vor allem mit dem Wirkstoff THC der Cannabispflanze oder auch mit dem Wirkstoff CBD?
Adrian Fischer: Im medizinischen Bereich wird vordergründig mit dem Wirkstoff THC gearbeitet, obwohl man auch mit CBD gute Erfolge erzielt, etwa bei Formen der Epilepsie. Verstärkt wird aber ohnehin auf die Wechselwirkung beider Wirkstoffe gesetzt, das heißt man verwendet THC als Hauptwirkstoff und CBD als eine Ergänzung dazu. Letztendlich enthält die Cannabis-Pflanze ja beide Substanzen. Deshalb geht man auch davon aus, dass sie zusammen besser verträglich sind und stärker wirken. Außerdem sind sie zusammen besser erforscht.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Vor nicht allzu langer Zeit ist der US-amerikanische Rapper Snoop Dogg bei einem ihrer deutschen Konkurrenten eingestiegen. Schaden Investoren mit einem augenscheinlichen Drogenproblem dem Ruf der Branche?
Adrian Fischer: Erstmal lege ich Wert darauf, dass man den herkömmlichen Cannabis-Konsum und die Verwendung zu medizinischen Zwecken strikt trennt. Allerdings ist es für den medizinischen Bereich nicht gerade förderlich, wenn Personen des öffentlichen Lebens mit einem zweifelhaften Ruf in unsere Branche einsteigen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ist es für Sie ein Ärgernis, immer wieder Aufklärungsarbeit leisten zu müssen?
Adrian Fischer: Nein, eigentlich nicht. Im Grunde macht es uns, auch mir persönlich, Spaß die komplexen Sachverhalte unserer Branche zu erklären, und es liegt uns auch als Unternehmen am Herzen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Eine Studie hat ergeben, dass mit einer Legalisierung von Cannabis in Deutschland rund 27.000 neue Arbeitsplätze entstehen würden. Wären Sie beim derzeitigen Mangel an Fachkräften überhaupt in der Lage genügend Mitarbeiter zu finden?
Adrian Fischer: Ehrlich gesagt, sehe ich da kein Problem. Zudem müssen in unserem Sektor die Mitarbeiter eh erst noch zu Fachkräften ausgebildet werden. Aber wir bekommen bereits jetzt viele Bewerbungen von Leuten, die gerne in diesem Bereich arbeiten möchten.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Besteht aber nicht die Gefahr, dass Sie in erster Linie Cannabis-Konsumenten anziehen, die dann sozusagen an der Quelle arbeiten?
Adrian Fischer: Nein, das glaube ich nicht. Alle Mitarbeiter müssen sich bei uns regelmäßig einem Drogentest unterziehen. Wir unterliegen selbst auch einem aufwendigen Sicherheitskonzept. Allerdings haben wir Mitarbeiter, denen aufgrund eines chronischen Leidens auch schon Cannabis vom Arzt verschrieben wurde.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Sie sind in Deutschland einer der größten Akteure in dieser Branche. Gilt das auch im internationalen Vergleich?
Adrian Fischer: Nein, im internationalen Vergleich sind wir mit unseren rund 70 Mitarbeitern ein absoluter Underdog. Allerdings hat der deutsche Markt noch viel Wachstumspotential, wenn die politischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da? Hat das Land aufgrund der zögerlichen Legalisierungsdebatte bereits wichtigen Terrain zu den Niederlanden, Kanada oder den USA verloren, oder betrifft das die Produktion von medizinischem Cannabis nur am Rande?
Adrian Fischer: Grundsätzlich muss man sagen, dass es in Deutschland nach wie vor schwierig ist, Cannabis zu produzieren und zu erforschen. Entsprechend leidet auch das Industrie-Wachstum darunter. Allerdings glaube ich nicht, dass es ein großer Nachteil ist, wenn wir ein bisschen hinterherhinken. Schließlich können wir dadurch von den Erfahrungen anderer Länder profitieren und bestimmte Fehler vermeiden.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die Cannabis-Legalisierung ist seit Jahren ein Thema. Ist sie für den medizinischen Bereich relevant, wenn ja, inwiefern?
Adrian Fischer: Dazu ist zu sagen, dass es für uns Produzenten von medizinischem Cannabis und insbesondere für die Patienten sehr unerfreulich wäre, wenn durch eine Legalisierung von Cannabis etwa die Erstattungsmöglichkeiten durch die Krankenkassen wegfallen würden. Schließlich wäre Cannabis dann auch für medizinische Zwecke nicht mehr verschreibungspflichtig. Auf diese Weise würde man den medizinischen Gebrauch von Cannabis erdrosseln.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Der Bundesminister für Gesundheit Karl Lauterbach spricht in Zusammenhang mit der Legalisierung von Cannabis von safety first. Wie müsste so ein safety first für Sie aussehen?
Adrian Fischer: Ein safety first müsste klare Qualitätskriterien für Cannabis festlegen, den Kunden einen sicheren Rahmen beim Erwerb anbieten und den derzeit illegalen Markt mit schlechtem und verschnittenem Cannabis säubern. Zudem funktioniert eine Legalisierung nur, wenn die Preise auf dem Markt niedrig gehalten werden. Zumindest niedriger als auf dem Schwarzmarkt, ansonsten wird sich ein Großteil der Verbraucher dort das Cannabis besorgen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Demecan wurde von einem Arzt, einem Ökonomen und einem Juristen gegründet. Ist es in Ihrer Branche besonders wichtig, auf die Expertise eines Juristen zurückgreifen zu können?
Adrian Fischer: Das ist tatsächlich sehr wichtig. Als wir das erste Mal anfingen, in diesem Maßstab Cannabis anzubauen, führte die Rechtsunsicherheit in einigen Bereichen immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den verschiedensten Behörden. Sie dürfen nicht vergessen, wir unterliegen nicht nur den Gesetzen der pharmazeutischen Industrie, sondern zusätzlich auch noch dem Betäubungsmittelgesetz. Ein äußerst schwieriges und komplexes Unterfangen. Da hilft es ungemein, einen Anwalt als Partner zu haben.