Deutschland

Trotz höherer Zinsen: Risiken für deutsche Banken steigen

Die höheren Zinsen bringen den Banken wieder höhere Einnahmen. Doch Inflation und drohende Rezession lassen die Risiken in der zweiten Jahreshälfte steigen.
23.07.2022 10:49
Lesezeit: 2 min

Die Zeit der Negativzinsen ist zu Ende, doch damit werden die Herausforderungen für deutsche und europäische Banken nicht geringer. Kaum sind die pandemiebedingten Lockdowns vorbei, müssen die Finanzinstitute mit den Folgen des Ukraine-Krieges zurechtkommen: einer galoppierenden Inflation, Schwierigkeiten auf dem Energiemarkt und wachsenden Rezessionsängsten. Noch gilt der deutsche Bankensektor aus Sicht der Analysten als stabil. Die anstehenden Halbjahreszahlen könnten aber erste Warnsignale dazu erkennen lassen, wie die Geldhäuser Konjunktursorgen und Energiekrise verkraften.

Die Risiken für deutsche Banken stufen die Analysten von S&P Global Rating in ihrem aktuellen Bericht höher ein als noch im Frühjahr. Grund dafür sind die konjunkturellen Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges. Geldhäuser müssten mit deutlich mehr notleidenden Kredite und steigenden Kreditkosten rechnen, schreiben die Finanzexperten. Von der Energiekrise seien vor allem die Geldhäuser betroffen, die Unternehmenskunden aus dem Mittelstand und der Schwerindustrie finanzierten, sagt Nicolas Charnay, Analyst für europäische Banken bei S&P.

Einen Vorgeschmack auf die mauen Aussichten lieferten die im Mittelstandsgeschäft starken Genossenschaftsbanken. "Der Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr wird im Bankgeschäft parallel durch den abrupten Zinsanstieg und durch die abgeschwächte Konjunktur getrübt", sagte Andreas Martin, Vorstand des genossenschaftlichen Bankenverbandes BVR, zur Vorlage des Jahresabschlusses. Die Institute planten, ihre Risikovorsorge für mögliche Kreditausfälle zu erhöhen.

Für den Branchenprimus Deutsche Bank, der am Mittwoch seine Bücher öffnet, schraubten Analysten in den vergangenen zwei Monaten ihre Gewinn- und Umsatzerwartungen für das zweite Quartal herunter. Prognosen zu den Kosten und zu Rückstellungen für Kreditverluste wurden erhöht. "Für die Deutsche Bank würde eine tiefere Rezession das größte Risiko bedeuten," sagt Michael Rohr, Senior Vice President bei Moody's.

Düstere Konjunkturprognosen führten bereits im Juni zu einem Einbruch der Aktienkurse der Deutschen Bank und der Commerzbank um 20 Prozent. Aktienkurse von europäischen Banken fielen dagegen im Durchschnitt nur um 8,3 Prozent. Moody's stufte die Bonitätsnote der Commerzbank für vorrangige, unbesicherte Verbindlichkeiten Ende Juni herunter. Der Ausblick wurde jedoch auf "stabil" von "negativ" gesetzt. Damit signalisierte Moody's, dass in den kommenden Monaten nicht mit einer weiteren Herabstufung zu rechnen ist.

Immerhin kann sich der deutsche Bankensektor auf einen höheren Kapitalpuffer verlassen als viele andere europäische Banken, schreiben die Analysten von S&P. S&P-Bankexperte Giles Edwards hält für möglich, dass die Geldhäuser im zweiten Quartal noch keinen substanziellen Anstieg notleidender Vermögenswerte berichten werden. "Die Frage ist, ob es Frühwarnindikatoren geben wird, Zeichen dafür, dass sich Druck aufbaut", sagt Edwards. Die Wertentwicklung sollte sich im ersten Halbjahr relativ gut halten, erklärt der Analyst. "Wir erwarten pessimistische Prognosen in der zweiten Jahreshälfte, bis ins kommende Jahr hinein."

Für Entlastung sollte die Leitzinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) sorgen. Damit würden etwa Tagesgeldkonten als Finanzierungsquelle der deutschen Banken an Bedeutung gewinnen, prognostiziert eine PwC-Studie. Sichtbar würden entsprechende Ertragseffekte jedoch erst 2023, so die PwC-Experten. Die Bilanzen deutscher Geldhäuser seien abhängiger von Zinserträgen als die anderer europäischer Banken, stellten S&P-Analysten fest. Sie erwarten, dass deutsche Banken von der Zinserhöhung im Schnitt mehr profitieren als ihre europäischen Wettbewerber.

Geldhäuser im Euro-Raum sollten aus Sicht der EZB-Bankenaufsicht dennoch nicht allein auf steigende Zinsen setzen. die Institute müssten ein breiteres Spektrum an Maßnahmen umsetzen , um ihre Profitabilität und ihre Geschäftsmodelle auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen, fordert Andrea Enria, der oberste Bankenaufseher der Notenbank.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienrendite: Es lohnt sich wieder zu vermieten
13.12.2025

Eine Mietimmobilie als Kapitalanlage kann wieder eine interessante Investition sein. Doch nicht überall macht das Sinn. Wo sich das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Prominenter China-Experte zeichnet düsteres Bild für Europa: „Es wird ziemlich schlimm“
13.12.2025

Europa wähnt sich sicher, doch die nächste ökonomische Erschütterung rollt bereits heran. Der prominente China-Analyst Dan Wang...

DWN
Finanzen
Finanzen Falsche Gehaltsgruppe: Was kann ich tun, wenn meine Gehaltseinstufung nicht zum Tarifvertrag passt?
13.12.2025

Viele Beschäftigte merken erst spät, dass ihre Gehaltsgruppe im Tarifvertrag nicht zur Arbeit passt. Das kann monatlich bares Geld...

DWN
Technologie
Technologie Lidl krempelt den Einkauf um: Warum die Scan-and-Go-Technologie den Handel umdreht
13.12.2025

Litauens Handelsketten treiben den digitalen Umbruch voran. Das Selbstscansystem Scan & Go kommt nun in die Lidl Filialen. Bisher wurde...

DWN
Politik
Politik Billigfluglinien bereiten sich bereits auf Flüge in die Ukraine vor
13.12.2025

Wizz Air, Ryanair und EasyJet bringen sich in Stellung. Europas Billigfluglinien planen bereits ihre Rückkehr in die Ukraine und rechnen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europa-Krise vertieft sich: JPMorgan warnt vor dramatischen Folgen für Amerika
13.12.2025

Die Warnungen von JPMorgan Chef Jamie Dimon treffen Europa in einer Phase wachsender politischer Unsicherheit. Seine Kritik an der...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Textilrecycling: Wie eine schwedische Gründerin die Branche unter Druck setzt
12.12.2025

Ein junges schwedisches Unternehmen behauptet, die nachhaltigste Lösung für das Textilrecycling gefunden zu haben. Die Methode nutzt CO2,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shein, Temu & Co. betroffen: EU erhöht Kosten für Billigpakete aus Drittstaaten
12.12.2025

Um die Flut günstiger Online-Pakete aus Ländern wie China einzudämmen, beschließt die EU eine neue Importabgabe. Ab Juli 2026 sollen...