Zum Schutz vor einer Herbst-Coronawelle sollen in Geschäften oder Behörden ab Oktober wieder Maskenpflichten möglich sein. Die Entscheidung darüber sollen die Bundesländer jeweils für ihr Gebiet selbst treffen. Das sieht ein Entwurf für das Infektionsschutzgesetz vor, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Mittwoch gemeinsam mitteilten. «Masken schützen», betonte Buschmann. In bestimmten Situationen sei eine Maskenpflicht daher zumutbar.
Stufensystem: «Winterreifen» und «Schneeketten»
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Anfang Juni angekündigt, Bund und Länder wollten frühzeitig Vorkehrungen für eine wohl wieder kritischere Corona-Lage im Herbst treffen. Es gehe um Maßnahmen, die wie «Winterreifen» wirken sollten, wenn der Sommer vorbei sei. Das greifen Lauterbach und Buschmann jetzt in einem zweistufigen Konzept auf: Vorgesehen ist eine allgemeine Vorsorge im ersten Schritt, die sogenannten «Winterreifen» - und «Schneeketten», also weiterreichende Maßnahmen für den Fall, dass die Pandemie wieder richtig an Fahrt gewinnt.
Die Pandemielage im Herbst
Lauterbach sieht Deutschland in einer «viel besseren Situation als im letzten Herbst». Derzeit sei nicht davon auszugehen, dass es eine Kombination der Omikron- mit der gefährlicheren Delta-Virusvariante geben werde. Es sei also zu erwarten, dass sich viele Menschen ansteckten, sie dann aber weniger schlimme Verläufe hätten. Zugleich erwarte er zum Herbst vier neue, angepasste Impfstoffe mit Zulassung frühestens am 9. September. Diese schützten dann auch wieder besser vor Ansteckung und nicht nur hauptsächlich vor schweren Verläufen.
Doch Lauterbach wäre nicht Lauterbach, wenn er nicht auch warnen würde: Die Kerze brenne von beiden Enden, betonte er. Immer mehr Mitarbeiter von Pflegediensten und Kliniken fielen wegen einer Infektion aus, zugleich werde es mehr Patienten geben. «Und daher rechne ich damit, dass wir in eine relativ schwierige Lage kommen werden», sagte der SPD-Politiker. Die hoch infektiöse Virusvariante könne nur durch konsequentes Masketragen in Innenräumen wirkungsvoll eingedämmt werden.
Masken als wichtigste Schutzmaßnahme
Im Zentrum des Schutzkonzeptes steht deshalb das Tragen von FFP2- oder medizinischen Masken. So soll bundesweit weiterhin eine FFP2-Maskenpflicht in Fernzügen und Fliegern gelten. Neu hinzu kommt eine Masken- und Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Die Länder sollen selbst entscheiden, ob sie darüber hinaus in öffentlich zugänglichen Innenräumen FFP2-Masken vorschreiben.
Testen bei Restaurantbesuch und Sport
In Restaurants sowie bei Kultur- und Sportveranstaltungen soll es Ausnahmen der Maskenpflicht für getestete, frisch geimpfte und frisch genesene Menschen geben. Im Restaurant bringe die Maske nicht viel, weil man sie am Tisch und beim Essen ohnehin abnehmen dürfe, sagte Lauterbach. Deshalb setze man auf den Nachweis einer maximal drei Monate alten Impfung oder eines aktuellen Tests. Buschmann sagte, er rechne damit, dass etwa Fitnessstudios oder Kinos dann komplett auf Tests umstellten, weil sie das Maskentragen schlecht kontrollieren könnten.
Masken in Schulen erst ab 5. Klasse
Die Länder sollen auch die Möglichkeit bekommen, Tests in Schulen, Kitas und Einrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern vorzuschreiben. Eine Maskenpflicht in der Schule ist nur vorgesehen, wenn sonst kein geregelter Präsenzunterricht möglich wäre - und auch dann nur ab dem fünften Schuljahr. Hier muss es dann auch nicht die sicherere FFP2-Maske sein, auch eine klassische OP-Maske soll reichen, wie Buschmann sagte.
«Schneeketten» für den Notfall
Für den Fall, dass die Coronasituation außer Kontrolle gerät, bekommen die Länder Möglichkeiten für schärfere Regeln, von den Ministern «Schneeketten» genannt. Drohen Gesundheitssystem oder kritische Infrastruktur - etwa Polizei, Feuerwehr, Energieversorger - zusammenzubrechen, sollen auch eine Maskenpflicht bei Außenveranstaltungen und Personen-Obergrenzen im öffentlichen Raum möglich sein, wenn Mindestabstände nicht eingehalten werden. Darüber sollen dann die Länderparlamente entscheiden. In dem Fall soll es auch keine Ausnahmen mehr für Getestete, Genesene und Geimpfte geben.
Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, forderte für diese Notlage bundeseinheitliche Kriterien, die über reine Inzidenzzahlen hinausgingen. «Verbindliche Kriterien
können unter anderem das Auftreten einer aggressiven Virusvariante und der Grad der Auslastung der Intensivstationen sein», sagte er mehreren Zeitungen. Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wünschte sich einen klaren Kriterienkatalog, ab welchen Werten welche Maßnahme scharf gestellt werden soll. «Das ist wie ein Feuerlöscher, bei dem man leider vergessen hat, einen Schlauch mitzuliefern, mit dem man gezielt auf das Feuer halten kann.»
Keine Lockdowns, keine Schulschließungen
Ausgangssperren und die pauschale Schließung von Schulen sehen Lauterbach und Buschmann in ihrem Konzept nicht mehr vor. Diese Instrumente seien nicht mehr verhältnismäßig, sagte Buschmann. Aus den Ländern kam daran Kritik. «Wir hätten uns mehr von dem Entwurf erhofft, da das entscheidende Mittel, nämlich ein umfangreicher Instrumentenkasten für die Länder, nicht vorgesehen ist», sagte Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe nicht die Möglichkeit, bei verschärfter Infektionslage sogenannte 2G- oder 3G-Beschränkungen oder Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum einzuführen.
Wie es weitergeht
Die Maßnahmen sollen vom 1. Oktober 2022 bis 7. April 2023 gelten, also von Oktober bis Ostern, ähnlich wie man das für Winterreifen sagt. Die bisherigen Corona-Bestimmungen im Infektionsschutzgesetz, die eigentlich schon am 23. September auslaufen, werden deshalb zunächst für wenige Tage bis Anfang Oktober verlängert.
Bis dahin muss dann das Gesetzgebungsverfahren für die neuen Regeln durch sein: Als erstes wird sich das Kabinett mit den Vorschlägen befassen, dann ist der Bundestag am Zug. (dpa)