Deutschland

Kritik für neues Corona-Schutzkonzept

Die Vorschläge des Bundes für die Corona-Schutzmaßnahmen ab Herbst liegen gerade auf dem Tisch. Schon entzündet sich Kritik an ihnen. Experten stellen vor die Sinnhaftigkeit des Boosters alle drei Monate infrage.
04.08.2022 15:04
Aktualisiert: 04.08.2022 15:04
Lesezeit: 3 min

Der Entwurf der Bundesregierung für das Infektionsschutzgesetz ist auf geteiltes Echo gestoßen. Dass das Konzept keine pauschalen Schließungen von Schulen vorsieht, wurde etwa von Ärztevertretern begrüßt. Von Lehrervertretern kam Zuspruch dafür, dass die Bundesländer ab Oktober an weiterführenden Schulen eine Maskenpflicht verordnen können sollen – für den Fall, dass es zu einer heftigen Infektionswelle kommt. In Richtung Regierung wurde aber auch der Vorwurf laut, dass manche der geplanten Regelungen nicht alltagstauglich seien – und Deutschland sich aufgrund der Möglichkeit für die Bundesländer, schärfere Maßnahmen zu ergreifen, wieder in einen „Flickenteppich“ zu verwandeln drohe.

Das Corona-Schutzkonzept von den Bundesministerien für Gesundheit und Justiz sieht unter anderem eine bundesweite Maskenpflicht in Bus, Bahn und Flugzeugen vor. Zudem soll ab Oktober eine Masken- und Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gelten. Die Bundesländer sollen von da an auch Maskenpflichten in öffentlich zugänglichen Innenräumen verhängen und Tests in Schulen, Kitas und Einrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern vorschreiben dürfen. Eine Maskenpflicht in der Schule ist nur vorgesehen, wenn sonst kein geregelter Präsenzunterricht möglich wäre – die Regelung greift ab dem fünften Schuljahr. (jb)

Lehrerverband nicht einverstanden

Letzteres stößt beim Lehrerverband auf Unverständnis. Zwar sei die Möglichkeit der Maskenpflicht im Fall hoher Infektionszahlen an weiterführenden Schulen zu begrüßen, sagte Präsident des Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Warum im gleichen Fall, also zur Aufrechterhaltung des Schulbetriebs, eine Maskenpflicht an Grundschulen nicht angeordnet werden kann, ist allerdings absolut nicht nachvollziehbar.“ Bei Grundschulen werde offensichtlich eher eine Schulschließung oder Unterrichtsausfall in Kauf genommen.

Die Bundesärztekammer hielt der Bundesregierung zugute, dass sie pandemiebedingten Schulschließungen eine Absage erteilte. Ärztepräsident Klaus Reinhardt bemängelte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe zugleich, dass sich das Corona-Schutzkonzept an einigen Stellen „leider noch im Vagen“ halte. Unklar sei etwa, was passieren solle, wenn eine Überlastung der medizinischen Infrastruktur drohe. „Wichtig ist, dass in Zukunft im ganzen Bundesgebiet einheitliche Maßnahmen ergriffen werden, wenn bestimmte, klar definierte Kriterien erfüllt sind“, sagte Reinhardt.

Krankenhausgesellschaft unzufrieden

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft vermisst Grenzwerte, anhand derer sich die Überlastung des Gesundheitswesens beurteilen lassen würde. „Es wird nicht direkt erkennbar, wie die Datenlage gravierend verbessert wird“, sagte der Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Der Deutsche Städtetag sieht noch mehrere offene Fragen. „Wird im Herbst wieder der kostenlose Bürgertest für alle eingeführt? Wie geht es mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht weiter? Dazu erwarten wir sehr bald Antworten der Bundesregierung“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy den Funke-Zeitungen.

Es gab auch den Vorwurf in Richtung Regierung, dass einige vorgeschlagene Maßnahmen nicht alltagstauglich seien. So soll es in Restaurants sowie bei Kultur- und Sportveranstaltungen Ausnahmen der Maskenpflicht für getestete, frisch geimpfte und frisch genesene Menschen geben. „Frisch“ bedeutet, dass die Impfung oder die überstandene Covid-Erkrankung nicht länger als drei Monate her sein darf.

„Wenn bei der Maskenpflicht beispielsweise danach differenziert werden soll, ob die letzte Impfung drei oder vier Monate zurückliegt, dann frage ich mich, wie das im Alltag funktionieren soll“, sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, der Rheinischen Post. „Dass solche Regelungen nicht zur Akzeptanz in der Bevölkerung beitragen werden, ist offensichtlich. Im Zweifel muss man auch nicht alles gesetzlich haarklein regeln.“

Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist, dass zahlreiche Experten dem Bundesgesundheitsminister entscheidend widersprechen, dass eine vierte Impfung sinnvoll sei. Nach der nun vorgestellten Regelung bräuchte jeder, der etwa seine Angehörigen im Pflegeheim besuchen will, alle drei Monate eine Impfung.

Der Virologe Hendrik Streeck warnte, dass Deutschland sich angesichts unterschiedlicher Maßnahmen je nach Bundesland in einen Flickenteppich verwandeln könnte. Um das zu vermeiden, brauche es klare Vorgaben für die Länder, wann diese Maßnahmen wie die Maskenpflicht an Schulen ergreifen sollten, sagte Streeck am Mittwoch dem Fernsehsender Welt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte bei RTL Direkt: „Dass da Flickenteppich kommt, hoffe ich nicht, wir arbeiten mit den Ländern zusammen, dass sie das Maximum nutzen, das wir anbieten.“

Die Maßnahmen sollen vom 1. Oktober 2022 bis 7. April 2023 gelten. Mit den Vorschlägen wird sich als nächstes das Kabinett befassen, dann ist der Bundestag am Zug.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Machtkampf in Washington: Will Trump Fed-Chef Powell stürzen?
23.04.2025

Trump plant möglicherweise die Entlassung von Fed-Chef Jerome Powell – ein beispielloser Schritt, der die Unabhängigkeit der...

DWN
Finanzen
Finanzen „Krise ist die neue Normalität“ – Warum kluge Investoren jetzt gegen den Strom schwimmen müssen
23.04.2025

Volatilität ist kein Ausnahmezustand mehr, sondern System. Warum Investoren jetzt mit Besonnenheit, Disziplin und antizyklischer Strategie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Digitaler Produktpass: Was die EU plant und was das für Firmen bedeutet
23.04.2025

Die Europäische Union will Ressourcen schonen und Emissionen und Abfälle reduzieren. Dafür plant sie den sogenannten digitalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Bierbrauer in der Krise
23.04.2025

Eigentlich feiern die Brauer am 23. April den Tag des deutschen Bieres. Doch auch in diesem Jahr sind die Perspektiven der Branche eher...

DWN
Politik
Politik Spar- und Investitionsunion: Brüssel will die unsichtbare Zollmauer einreißen – und den Finanzsektor revolutionieren
23.04.2025

Brüssels stille Revolution: Wie Kommissarin Albuquerque den europäischen Finanzmarkt neu ordnen will – und dabei an den Grundfesten der...

DWN
Politik
Politik Putins Frontstopp: Moskaus neues Angebot könnte Trump in die Falle locken
23.04.2025

Putins überraschende Gesprächsbereitschaft trifft auf strategisches Kalkül in Washington – der Westen steht vor einer geopolitischen...

DWN
Politik
Politik Bye bye, Washington: Elon Musk will erstmal Tesla retten
23.04.2025

Elon Musk zieht sich zunehmend aus Washington zurück – und verspricht dafür Millionen autonomer Teslas. Doch die Zweifel an seiner...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China in der Zwickmühle: Handelskrieg trifft Arbeitsmarkt – Millionen Jobs in Gefahr
23.04.2025

Die chinesische Wirtschaft wächst – zumindest auf dem Papier. Doch der Schein trügt. Hinter den offiziellen Zahlen verbirgt sich ein...