Deutschland

RBB-Affäre schadet den Öffentlich-Rechtlichen massiv

Lesezeit: 3 min
08.08.2022 17:26  Aktualisiert: 08.08.2022 17:26
Angebliche Vetternwirtschaft und auffällige Privilegien für die zurückgetretene ARD-Chefin und RBB-Intendantin Schlesinger kurbeln die Debatte um die Sinnhaftigkeit des ÖRRs erneut an. Es geht um Geld, aber auch um Strukturen. Große Sender in Frankreich und Großbritannien werden bereits massiv beschnitten.
RBB-Affäre schadet den Öffentlich-Rechtlichen massiv
Ist die RBB-Affäre der Anfang vom Ende der Öffentlich-Rechtlichen? (Foto: dpa)
Foto: Jens Wolf

Die Affäre um Intendantin Patricia Schlesinger beim ARD-Sender RBB ist nicht einmal im Ansatz aufgeklärt. Jetzt hat sich sogar die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Und schon längst ist ein weiterer bedrohlicher Schaden für das Image der gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunklandschaft entstanden. Nicht nur der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) steht vor dem großen Aufräumen und einem Neustart, wie ihn nun viele fordern. Der Fall strahlt längst auf ARD, ZDF und Deutschlandradio ab. Nicht nur Systemkritiker reagieren mit scharfen Attacken.

Zähe, quälende Wochen liegen hinter allen. Seitdem das Online-Medium Business Insider das Ganze Ende Juni ins Rollen gebracht hatte, kamen immer neue Schlagzeilen zur selbstbewusst auftretenden Schlesinger auf, die sich vor ihrer Zeit beim RBB unter anderem als ARD-Korrespondentin im Ausland und beim NDR-Magazin Panorama Meriten verdient hatte. Es geht um angebliche Vetternwirtschaft und auffällige Privilegien für die 61-Jährige. Und einen womöglich zu laxen Umgang beim beruflichen und privaten Verhältnis zu Senderchefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf.

Luxus für die Chefin

Das Ganze kleideten Medien mit Details aus: Massagesitze im luxuriösen Dienstwagen, für den es einen hohen „Regierungsrabatt“ gab samt Privat-Chauffeur. Massagesessel in der für 650.000 Euro mit Parkett und schicken Möbeln aufgemotzten Chefetage. 16 Prozent Gehaltserhöhung auf 303.000 Euro. Dazu kam ein vorher nicht bekannter und immer noch nicht öffentlich bezifferter Bonus.

Genüsslich wurde die Menüfolge für Gäste auf RBB-Kosten in Schlesingers Privatwohnung im Beisein ihres Ehemannes zitiert, der wiederum als Berater für die Berliner Messe fungierte, deren Aufsichtsratschef Wolf auch im RBB dem Verwaltungsrat vorstand. Gegen alle drei ermittelt die Staatsanwaltschaft von Amts wegen des Anfangsverdacht Untreue und Vorteilsannahme.

Abfindung gefordert

Weitere Details: Aufträge für Berater bei einem – inzwischen nach öffentlichem Druck auf Eis gelegten – Bauprojekt für ein „digitales Medienhaus“ des Senders. Selbst der RBB-Abgang Schlesingers ist noch begleitet von Spekulationen, ob es eine Abfindung geben könnte, weil sie in ihrem Rücktrittsschreiben an die RBB-Aufsichtsgremien auf Vertragsparagrafen pochte und ihren Anwalt ins Spiel brachte.

Bis zur Aufklärung gilt für Schlesinger die Unschuldsvermutung. Die 61-Jährige wollte während der Untersuchung durch eine externe Anwaltskanzlei, die eine Gigabyte-Masse an Dokumenten aus dem Sender durchackert, unbedingt im Amt bleiben. Ihre Kommunikationsstrategie – im Landtag in Potsdam auf Einladung nicht erscheinen, danach aber Interviews geben – bezeichnen viele als großen Fehler, vielleicht als Kipp-Punkt der Affäre. Am Donnerstag folgte ein halber Rücktritt mit dem Rückzug vom ARD-Vorsitz, den sie erst zu Jahresanfang angetreten hatte. Danach fragten sich viele, wie sich Schlesinger danach noch an der RBB-Spitze halten könnte. Am Sonntag war dann auch dort endgültig Schluss. Eigentlich hätte ihre RBB-Amtszeit bis 2026 gedauert.

Frankreich schafft Gebühr ab

Der Fall hat europäische Dimensionen: In Frankreich wird gerade die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen neu geordnet. Die Abschaffung der Rundfunkgebühr ist durchs Parlament – Präsident Emmanuel Macron hat das im Wahlkampf propagiert. Einige Abgeordnete haben den Staatsrat angerufen, das Ganze ist also noch nicht in Stein gemeißelt. In Großbritannien steht die BBC unter gewaltigem Druck, Ex-Premierminister Boris Johnson liebäugelte gerne mit dem Plan einer Streichung der Gebühren und dem Einfrieren staatlicher Subventionen für die öffentlich-rechtliche BBC. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist also international derzeit unter Druck. Jedenfalls dort, wo es ihn gibt. In den USA etwa spielt er bestenfalls eine Nebenrolle.

Seit Jahren sehen sich auch in Deutschland ARD, ZDF und Deutschlandradio, die weiterhin eine sehr hohe Verbreitung und hohe Nutzerzahlen haben, Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Sie werden durch Rundfunkbeiträge von jährlich rund 8 Milliarden Euro finanziert. Die Beitragserhöhung auf monatlich auf 18,36 Euro im vergangenen Jahr war kein Selbstläufer – Sachsen-Anhalt hatte blockiert. Das Bundesverfassungsgericht setzte das Ganze vorläufig durch.

Die AfD setzt beim Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk auf Konfrontation, auch aus den Reihen der Union gibt es immer wieder Unmut. Die nächste Runde für die Finanzierung steht für die Sender im Herbst an, sie werden sich wieder in kritischeren Länderparlamenten rechtfertigen müssen. Die Bundesländer wollen zudem perspektivisch die Finanzierung des Rundfunksystems reformieren, das ist in einem Staatsvertrag geregelt. All das hätte Schlesinger verhandeln müssen. Nach den Vorwürfen undenkbar. Das muss nun zunächst ihr Vorgänger als ARD-Chef übernehmen, WDR-Intendant Tom Buhrow.

Politik fordert jetzt Transparenz

Die Gefahr, die von den Affären um Schlesinger ausgeht, scheint in der Politik erkannt: Die Grünen-Fraktionschefin im Potsdamer Landtag, Petra Budke, sagte, der öffentlich-rechtliche Rundfunk brauche klare Transparenzregeln für die Verwendung der Mittel der Beiträge. Denn die „erbitterten“ Gegner des Systems würden versuchen, die aktuelle Diskussion für ihre Ziele auszunutzen. Jene Kritiker, die ARD und ZDF immer wieder Vorwürfe machen: etwa für die Fülle der mehr als 60 ARD-Radiowellen, für hohe Investitionen in Sportrechte und das System des Rundfunkbeitrags.

Der medienpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Helge Lindh, betonte, wer den Fall Schlesinger „mutwillig instrumentalisiert“, um den Öffentlich-Rechtlichen den Garaus zu machen, handele fahrlässig und unredlich. Er forderte zeitgemäße Compliance-Systeme und Whistleblowing-Hotlines für alle Körperschaften des öffentlichen Rechts – um Filz zu entflechten. Der medienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Thomas Hacker, teilte mit: „Entscheidend ist jetzt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk verlorenes Vertrauen zurückgewinnt und alle Sendeanstalten ihre Compliance-Mechanismen grundlegend überprüfen, auch wenn es kein systemisches Versagen ist.“

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