Deutschland

Trockenheit und EU machen deutschen Bauern zu schaffen

Die Trockenheit sorgt auch dieses Jahr für eine schwache Ernte in Deutschland. Der Bauernverband macht den Klimawandel und die EU dafür verantwortlich.
23.08.2022 10:29
Aktualisiert: 23.08.2022 10:29
Lesezeit: 2 min

Die Trockenheit sorgt auch in diesem Jahr für eine vergleichsweise maue Getreideernte in Deutschland. Sie beläuft sich nach Schätzung des Deutschen Bauernverbands (DBV) auf etwa 43 Millionen Tonnen. Damit können die Landwirte zwar fast zwei Prozent mehr einfahren als im vergangenen Jahr, aber rund sechs Prozent weniger als im Durchschnitt der Jahre 2014-2021 von 45,6 Millionen Tonnen, wie der Verband am Dienstag zur Erntebilanz mitteilte. "Die in vielen Regionen des Landes lang anhaltende Trockenheit zeigt erneut, dass die Landwirte die Auswirkungen des Klimawandels sehr direkt zu spüren bekommen", sagte Bauernverband-Präsident Joachim Rukwied. Er stellte Verbraucherinnen und Verbrauchern stabile bis steigende Preise in Aussicht.

Die Getreideernte falle quantitativ etwas besser aus als 2021. "Die Qualitäten speziell beim Weizen lassen aber vielfach zu wünschen übrig", betonte Rukwied. Die regionalen Unterschiede seien noch stärker als zuletzt. Ein großer Unsicherheitsfaktor sei in diesem Jahr die zu erwartende Erntemenge beim Körnermais. Dieser habe in vielen Regionen massiv unter der Trockenheit der vergangenen Wochen gelitten. Hier und bei Zuckerrüben sei je nach Regenmenge mit Ertragseinbußen von bis zu 50 Prozent zu rechnen. Dies gelte vor allem für Mitteldeutschland. Am stärksten betroffen sei Sachsen-Anhalt mit der Börde - "eigentlich die Kornkammer Deutschlands", sagte Rukwied.

Insgesamt bleibe die Versorgungslage wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs angespannt. Energiekosten hätten sich verdoppelt, Düngemittelpreise vervierfacht und Futtermittelkosten seien sehr stark gestiegen. "Wir Bauern brauchen stabile und in der Tendenz steigende Erlöse bei unseren Produkten, um überhaupt noch weiter wirtschaften zu können", betonte der oberste Lobbyist der deutschen Landwirte. Er wetterte zudem gegen Pläne der EU. "Schaut man sich die Erträge in den letzten Jahren an, wird deutlich, dass es keinen Spielraum für weitere flächendeckende Einschränkungen bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln geben darf", erläuterte Rukwied. "Die von der EU-Kommission geplanten pauschalen Anwendungsverbote von Pflanzenschutzmitteln sind unverantwortlich und würden die Lebensmittelversorgung in Europa gefährden."

Sollten die EU-Vorschläge eins zu eins umgesetzt werden, könnten die Bauern in Deutschland und Europa die heimische Bevölkerung nicht mehr mit Lebensmitteln versorgen, warnte Rukwied. Viel landwirtschaftliche Nutzfläche fiele weg und "die Produktion würde direkt in die Ernährungskrise reinsteuern".

DÜNGER TEUER UND KNAPP - VERSORGUNGSENGPASS DROHT

Ernährungssicherheit könne er nur bis Anfang 2023 garantieren, sagte Rukwied. Mit Brot und Weizen könne sich Deutschland zwar selbst versorgen. Darüber hinaus sei es offen und hänge etwa von Düngemitteln ab. Wenn man hier auf Stickstoff verzichte, seien im ersten Jahr Ernteeinbrüche von 30 bis 50 Prozent möglich, warnte der DBV-Chef. Zudem wisse man nicht, ob es im nächsten Frühjahr genügend Stickstoffdünger gebe, da dessen Produktion zu 80 Prozent von Gas abhänge.

Anfang 2022 war die Entwicklung der Kulturen in fast ganz Deutschland noch zufriedenstellend. Ab März sank die Niederschlagsmenge in einigen Regionen jedoch stark, während es anderswo noch normal regnete. Ertrag und Qualität der Ernte sei deshalb - je nach Niederschlagsverteilung - sehr unterschiedlich, sagte Rukwied. "Nach wie vor leiden Herbstkulturen wie etwa Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben in den Dürregebieten inzwischen massiv, so dass auch hier regional mit erheblichen Ertragseinbußen gerechnet werden muss." Auch für die anstehende Raps- und Zwischenfrucht-Aussaat sei es mancherorts viel zu trocken. "Außerdem trifft die Dürre auch die Tierhalter." Sie mussten zum Teil bereits die Wintervorräte anbrechen, um die Futterversorgung sicherzustellen. (rtr)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Finanzskandal bei privaten Krediten: HPS und BNP Paribas verlieren hunderte Millionen
16.11.2025

Der Markt für private Kredite außerhalb regulierter Banken erlebt ein rasantes Wachstum, das zunehmend systemische Risiken birgt. Wie...

DWN
Politik
Politik TNT-Produktion in Europa: NATO-Staaten planen neue Fabriken zur Versorgungssicherung
16.11.2025

Europa verfügt derzeit über nur eine Produktionsstätte für NATO‑Standard‑TNT, während mehrere Länder neue Fabriken planen. Wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
15.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzielles Notfallpaket: So sichern Sie Ihr Vermögen in Krisenzeiten
15.11.2025

In Zeiten wachsender Unsicherheiten rückt neben Notvorräten und Fluchtplänen auch die finanzielle Absicherung in den Fokus. Marek...

DWN
Politik
Politik Für einen Kampfjet braucht es 400 Kilogramm seltene Erden: Europa im Wettbewerb mit China und den USA
15.11.2025

Seltene Erden sind zu einem entscheidenden Faktor in globalen Machtspielen geworden und beeinflussen Industrie, Verteidigung und Hightech....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht
15.11.2025

In Deutschland redet kaum jemand über Klassen – als wäre soziale Herkunft heute keine Machtfrage mehr. Doch die Soziologin Prof. Nicole...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzblasen 2025: Wo der nächste große Crash drohen könnte
15.11.2025

An den Finanzmärkten steigt die Nervosität. Künstliche Intelligenz treibt Bewertungen auf Rekordhöhen, Staaten verschulden sich wie nie...