Wirtschaft

Weniger ist mehr: OPEC deutet Einschränkung der Öl-Förderung an

Saudi-Arabien und einige OPEC-Verbündete befürworten eine Kürzung der Rohöl-Produktion. Die Öl-Scheichs sind die geopolitischen Gewinner des Ukraine-Kriegs.
Autor
24.08.2022 11:43
Aktualisiert: 24.08.2022 11:43
Lesezeit: 6 min

Die von Saudi-Arabien geführte Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und eine von Russland angeführte Koalition von Produzenten, zusammen sind sie als OPEC+ bekannt, hatten sich Anfang August auf eine Produktionssteigerung geeinigt, die allderings nur minimal war und viel geringer als erwartet.

Nun haben der saudi-arabische Energieminister und einige OPEC-Beamte vorgeschlagen, dass die Allianz weniger Barrel Öl fördern könnte. Ziel dabei ist es, den Markt zu stabilisieren, der durch das Risiko einer weltweiten Rezession und durch die Energiesanktionen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg belastet ist.

"Die OPEC+ hat das Engagement, die Flexibilität und die Mittel, um mit solchen Herausforderungen umzugehen und Orientierungshilfen zu geben, einschließlich der Reduzierung der Produktion zu jeder Zeit und in verschiedenen Formen", sagte der saudische Energieminister Prinz Abdulaziz bin Salman in der Nacht zum Dienstag.

Der Minister sagte, Saudi-Arabien werde bald mit der Arbeit an einem neuen OPEC+-Abkommen für die Zeit nach 2022 beginnen. Ausdrücklich hält er an seinem Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit Russland fest, was für den Westen ein Ärgernis ist, der sich im Rahmen des Ukraine-Kriegs bisher vergeblich bemüht, Russland zu isolieren.

Die Äußerungen von Prinz Abdulaziz sind das jüngste Anzeichen dafür, dass der Saudi-Arabien-Besuch von US-Präsident Joe Biden im Juli mitnichten zu einer Senkung der Benzinpreise beigetragen hat. Tatsächlich geschieht das Gegenteil von dem, was die Biden auf seiner Reise in das Königreich zu erreichen hoffte.

Am 3. August, also nur wenige Tage nach Bidens Besuch, kam vom Treffen der OPEC+ die Ankündigung, dass sie die Produktion im September nur um 100.000 Barrel pro Tag erhöhen werden. Dies war ein klarer Affront gegen den US-Präsidenten, der dazu aufgerufen hatte, mehr Öl zu fördern, um die Inflation einzudämmen.

OPEC+ bereit für Kürzung der Öl-Fördermenge

Doch nun wird es offenbar sogar noch schlimmer kommen. Mehrere OPEC-Mitglieder haben am Dienstag gegenüber dem Wall Street Journal erklärt, dass sie eine Verringerung der Fördermenge befürworten würden, insbesondere wenn sich eine weltweite Rezession abzeichnet.

Die Äußerungen des saudischen Energiechefs trieben die Ölpreise umgehend in die Höhe und ließen sie am frühen Dienstag um 1,3 Dollar auf rund 97,80 Dollar pro Barrel steigen, nachdem sie in den letzten Monaten einen Ausverkauf erlebt hatten. Noch immer liegen die Rohöl-Preise rund 17 Prozent unter denen von Anfang Juni.

Die angedeutete Produktionskürzung durch OPEC+ könnte auch die Wiedereinführung von iranischem Rohöl auf dem Weltmarkt teilweise zunichte machen, falls die Gespräche zur Wiederbelebung des Atomabkommens aus dem Jahr 2015 erfolgreich verlaufen sollten.

Seit die USA das Abkommen im Jahr 2018 scheitern ließen, war iranisches Öl weitestgehend nicht verfügbar. Washington hatte gehofft, dass eine Wiederbelebung der Vereinbarung und die Hinzufügung von iranischem Öl die Preise dämpfen würden, wenn die Amerikaner bei den Zwischenwahlen im November wählen.

Wachsende Kluft zwischen Saudi-Arabien und dem Westen

Die USA und ihre Verbündeten haben die Ölproduzenten immer wieder aufgefordert, die durch die Sanktionen gegen Russland nach dessen Einmarsch in der Ukraine verursachten Lieferengpässe auszugleichen. Der Krieg ließ den Ölpreis zum ersten Mal seit acht Jahren über 100 Dollar pro Barrel steigen.

Die Signale aus Riad stehen in scharfem Kontrast zu den öffentlichen und privaten Erwartungen des Weißen Hauses an die Saudis nach Bidens viel beachteter Reise in das Königreich, wo er zum ersten Mal während seiner Präsidentschaft mit Prinz Mohammed zusammentraf. Die USA sind der größte Öl-Verbraucher der Welt

Der monatelange Streit über die Ölförderung hat die Spannungen zwischen den USA und Saudi-Arabien verschärft, deren Beziehungen im vergangenen Jahr einen historischen Tiefpunkt erreichten, als es zu Meinungsverschiedenheiten kam, die auch die Menschenrechte, den Krieg im Jemen und das Atomabkommen mit dem Iran betrafen.

Die Reise des Präsidenten nach Jeddah Mitte Juli hatte zum Ziel, die Beziehungen zu reparieren und eine persönliche Beziehung zum Kronprinzen aufzubauen, den er wegen der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 als Paria zu behandeln gelobt hatte.

Der Präsident begrüßte den faktischen saudischen Herrscher außerhalb des Königspalastes mit einem Faustschlag und blieb einige Stunden bei ihm. Seitdem sind unterschiedliche Darstellungen darüber aufgetaucht, was die beiden Seiten eigentlich besprochen und vereinbart haben.

Nach Angaben saudischer Beamter erhielt die Biden-Regierung erste Hinweise darauf, dass die Saudis auf dem August-Treffen eine Produktionssteigerung von bis zu 500.000 Barrel pro Tag unterstützen könnten. Doch die OPEC+ entschied sich schließlich nur für eine Erhöhung um 100.000 Barrel pro Tag.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, erklärte, dass "die Gespräche mit den amerikanischen Partnern zur Sicherstellung einer stabilen globalen Energieversorgung fortgesetzt werden, insbesondere angesichts der Energiesituation, die durch die russische Aggression gegen die Ukraine noch verschärft wurde".

Die Saudis sind unzufrieden mit Washingtons Fokus auf die Menschenrechtsverletzungen des Königreichs, einschließlich der Ermordung von Khashoggi durch Männer, die Prinz Mohammed nahe stehen, und sind unzufrieden mit dem Beharren der Regierung auf einer Rückkehr zum Iran-Deal, so die saudischen Beamten.

Geopolitische Gewinner der Energiekrise

Riad ist hingegen sehr zufrieden darüber, dass sich Rohölpreise vom Preiskrieg mit Russland im Jahr 2020 und vom Corona-Einbruch erholte haben. Aramco, die nationale saudische Ölgesellschaft, verzeichnete im zweiten Quartal einen Gewinnsprung von 90 Prozent und spülte Milliarden von Dollar in die Kassen.

Der Geldsegen verleiht der ehrgeizigen wirtschaftlichen Umgestaltung des Königreichs neuen Schwung und stärkt seine geopolitische Macht. Das Ergebnis war der höchste vierteljährliche Nettogewinn, den Aramco seit der Aufnahme des Aktienhandels an der saudischen Börse im Jahr 2019 erzielt hat.

Saudi-Arabien verzeichnete im zweiten Quartal ein Wirtschaftswachstum von 11,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Während der Internationale Währungsfonds für dieses Jahr ein Wachstum von 7,6 Prozent vorhersagt, rechnen optimistischere Ökonomen sogar mit einer Rate von 10 Prozent.

Dieses starke Wirtschaftswachstum macht Saudi-Arabien derzeit zu einem der leistungsstärksten Länder der Welt, während sich die USA, Europa und hier vor allem Deutschland Sorgen um eine Rezession machen. Die deutsche Wirtschaft ist im August so stark geschrumpft wie zuletzt im Juni 2020, als die ersten Lockdowns sich auswirkten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China frisst Europas Industrie und niemand wehrt sich
08.07.2025

Chinas Staatskonzerne zerlegen Europas Industrie Stück für Stück – doch Berlin, Brüssel und Paris liefern nur leere Worte. Während...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Dow schließt Chemieanlagen: Was das für Deutschland bedeutet
07.07.2025

Der US-Konzern Dow zieht sich teilweise aus Mitteldeutschland zurück – und das hat Folgen. Standorte in Sachsen und Sachsen-Anhalt...

DWN
Politik
Politik Folgekosten in Millionenhöhe: Corona-Krise und die Schattenseite staatlicher Beschaffung
07.07.2025

Milliardenkosten, ungenutzte Schutzmasken und politische Spannungen: Die Folgen der Maskenkäufe in der Corona-Krise wirken bis heute nach....

DWN
Politik
Politik Kontrollen an der Grenze zu Polen: Grenzkontrollen jetzt beidseitig aktiv
07.07.2025

Mitten in der Urlaubszeit zieht Polen die Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland an. Reisende spüren die Auswirkungen sofort –...

DWN
Politik
Politik Trump droht BRICS-Staaten mit neuen Strafzöllen
07.07.2025

Trump verschärft den Handelsstreit mit den BRICS-Staaten drastisch. Seine angekündigten Strafzölle könnten globale Lieferketten...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX aktuell auf Höhenflug trotz drohender US-Handelszölle
07.07.2025

Der DAX überrascht mit einem starken Anstieg über 24.000 Punkte – und das trotz drohender US-Zölle. Wie reagieren Investoren auf die...

DWN
Politik
Politik Tesla-Aktie: Riskiert Musk mit seinen Parteiplänen die Zukunft des Elektro-Autobauers?
07.07.2025

Elon Musk will angeblich eine eigene Partei gründen – doch Experten warnen: Sollte er seine politischen Machtspielchen ernst meinen,...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Hält die Rallye noch ein paar Wochen?
07.07.2025

Die Wall Street feiert Rekorde, doch Experten warnen: Die Rallye steht auf wackeligen Beinen. Wie lange die Märkte noch steigen und warum...