Politik

Spionage: USA saugen bei deutschen Unternehmen Know-How ab

Lesezeit: 3 min
02.11.2013 00:33
Der größte Nutzen der NSA-Aktivitäten liegt in der umfassenden Industrie-Spionage: Vor allem deutsche Mittelständler haben Erfolg und Know-How. Die Amerikaner wollen wissen, wie man Weltmarktführer jenseits des militärisch-industriellen Komplexes werden kann.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In einem globalen Wettbewerb wird Wissen in einer Wissensgesellschaft immer wichtiger. Das Wissen um das Wissen der anderen insbesondere auch in der Wirtschaft schafft entscheidende Wettbewerbsvorteile. Es führt zu einem unfairen asymmetrischen Wettbewerb. Mithin ist Industriespionage derzeit eine der rasant wachsenden Branchen weltweit.

Bisher richteten sich die Blicke aufgrund des Kalten Krieges hauptsächlich auf Russland und seine Verbündeten. Hinzu kam nach Japan in den 1980er Jahren zuletzt China, das in seinem rasanten wirtschaftlichen Aufholprozess sich das Wissen der am weitesten fortgeschritten Länder und Unternehmen weltweit aneignen möchte.

Die USA haben jüngst massive Vorwürfe gegen China wegen dessen Industriespionage in den USA erhoben, die insbesondere auch die Waffenprogramme der großen US-Hersteller als Ziel haben. Cyber-Attacken werden nach amerikanischer Strategieauffassung als feindlicher Akt angesehen, der quasi einer Kriegserklärung gleichkäme und mit entsprechenden Mitteln beantwortet werden könnte.

Mit dem Stuxnet-Virus wurde eine weitere Qualität erreicht. Es geht nicht mehr nur um das Ausspähen von Informationen, sondern es geht um direkte Manipulationen von Industrieanlagen. In diesem Fall haben vermutlich die USA und Israel damit die Gaszentrifugen im Iran für die Anreicherung von Uran so stark beschädigt, das damit das Atomwaffenprogramm des Iran zumindest wesentlich in seinem Zeitplan zurückgeworfen wurde. Dies muss jedoch nicht nur aus militärischen Erwägungen erfolgen. Sabotage an Industrieanlagen von Konkurrenten wäre ein ebenso lohnendes Motiv.

Hier zeigt sich bereits, das der militärisch-industrielle Komplex – ein Begriff der aus Dwight D. Eisenhower zurückgeht – aufgrund seiner engen Verflechtung von Militär und Wirtschaft besonders sensibel für Industriespionage ist. Aber es kommt hinzu, dass durch Imitation und Produktpiraterie in nahezu allen Wirtschaftsbereichen sich intellektuelles Kapital anderer widerrechtlich angeeignet und zum Schaden der jeweiligen Eigentümer von den Produktpiraten verwertet, zunehmend intensiver als Option eingesetzt wird.

Umso mehr lösten die Veröffentlichung von Snowden über die Kompletterfassung und Speicherung sämtlicher Kommunikationsprozesse im Bereich der Telekommunikation und des Internets Erstaunen bei der breiten Weltöffentlichkeit aus. Waren es nicht bisher die Politiker der USA gewesen, die sich gegen die Industriespionage anderer Länder in den USA gewandt hatten, die nun plötzlich unter den Verdacht stehen, selber in einem weltweit einmaligen Stil dieses ebenso zu betreiben.

Die Information – laut Spiegel, der Einsicht in interne Unterlagen der NSA, die Snowden entwendet hat –, dass Deutschland das Hauptziel der amerikanischen und britischen Spionageaktivitäten in Europa sei, hat die deutsche Wirtschaft alarmiert. Schätzungen gehen bereits jetzt von einem wirtschaftlichen Schaden für Deutschland von jährlich rund 50 Milliarden Euro aus, der durch Produktpiraterie entsteht. Diese Schäden könnten in der Zukunft noch deutlich zunehmen.

Der VDMA, der Verband der deutschen Maschinen- und Anlagebauer, hat sich außerordentlich besorgt gezeigt, dass der mittelständisch geprägte Sektor, der weltweit führend in seiner technologischen Entwicklung ist, und, der eine Säule der deutschen Exporterfolgs bildet, durch die im großem Stile in den USA und Großbritannien betriebene  Industriespionage neben der aus China in Gefahr geraten könnte und durch das Ausspähen seines Know-Hows massiv an seiner technologischen Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu Firmen aus diesen Ländern geschädigt werden könnte.

In einem aktuellen Whitepaper werden Vorschläge seitens des VDMA unterbreitet, wie man sich besser gegen solche Cyber-Attacken schützen könnte. Da gerade beide Länder in den zurückliegenden Jahrzehnten die Weiterentwicklung ihrer eigenen industriellen Basis vernachlässigt haben und jetzt - nachdem sie diese Schwäche erkannt haben - versuchen, mit den weltweit führenden Ländern mit einer starken industriellen Basis wieder aufzuschließen, macht den ungehinderten Zugang zum Wissen der anderen besonders wichtig.

Man befindet sich dort ja in der Position, eine industrielle Basis erst wieder aufzubauen, die zuvor sträflich vernachlässigt worden ist. Ähnliche Befürchtungen äußerte auch kürzlich der ehemalige Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung Bernd Schmidbauer, der von den jetzt bekannt gewordenen Aktivitäten der NSA und GCHQ grundsätzlich nicht besonders überrascht war. Man war sich seit langem dieser Bedrohung bewusst gewesen. Allerdings hätten es die Wirtschaft und die Politik versäumt hier rechtzeitig auch entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Der Bundeswirtschaftsminister Rösler sieht auch in diesem Punkt eine große Gefahr für ein Freihandelsabkommen mit den USA. Bereits der überfallartig vorgetragene Versuch mit SOPA, PIPA und Acta die amerikanischen Rechtsvorstellungen über die Eigentumsrechte an geistigem Eigentum weltweit durchzusetzen, stieß gerade noch rechtzeitig auf massivem Widerstand in Europa.

Im Zuge der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen der EU mit den USA, die bereits begonnen haben, sollte Europa daher auch das Thema Industriespionage auf die Agenda setzen. Ohne eine glaubwürdige Selbstbeschränkung und sanktionsbewehrte Regelungen, die wechselseitig Fehlverhalten unter Strafe stellt, droht ansonsten ein ungehemmter Spionagewettlauf wer mit den raffiniertesten Methoden seine wirtschaftlichen Interessen durchsetzen kann. Es droht nichts weniger als ein permanenter unsichtbarer Krieg um das globale Weltwissen und dessen wirtschaftlicher Verwertung im Interesse weniger Staaten und Unternehmen, die über die wirtschaftlichen und technischen Mittel verfügen, sich dieses Wissen anzueignen.

Das hat mit dem oftmals viel beschworenen „level playing field“ eines freien und ungehinderten Welthandels nichts mehr zu tun. Es ist höchste Zeit, hier durch Grenzziehungen was geht und was nicht, diesem bisher ungehinderten Treiben ein rasches Ende zu bereiten.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Russlands hohe Öl-Exporte riskieren Streit mit OPEC
07.06.2023

Russland hat eigentlich eine Drosselung seiner Rohöl-Förderung angekündigt. Doch die Exporte auf dem Seeweg sind weiter stark. Nun...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitaler Euro: Rechtsrahmen steht noch in diesem Monat
07.06.2023

Die Einführung eines digitalen Euro nimmt immer mehr an Fahrt auf. Dabei will die Europäische Kommission noch in diesem Monat Vorschläge...

DWN
Politik
Politik EU-Kommission geht gegen neues polnisches Gesetz vor
07.06.2023

Der Ton aus Brüssel nach Warschau wird schärfer. Die EU-Kommission will nun gegen ein neues Gesetz in Polen vorgehen.

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Vorstand: Europa hat bei Digitalgeld-Projekt die Nase vorn
07.06.2023

Laut Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling hat Europa bei der Einführung einer digitalen Währung einen Vorsprung vor China und den USA....

DWN
Politik
Politik Dublin-Abkommen vor dem Aus: EU plant verschärfte Regeln für Asylbewerber
07.06.2023

Am Donnerstag sollen die EU-Innenminister in der Frage der strittigen Reform des EU-Asylsystems zusammenkommen. Noch kurz vor den...

DWN
Politik
Politik „Air Defender 2023“: Nato startet größtes Luft-Manöver seiner Geschichte
07.06.2023

Das westliche Militärbündnis startet das größte Luftmanöver seiner Geschichte. Deutschland fällt dabei eine Schlüsselrolle zu.

DWN
Politik
Politik ARD-Chef Gniffke: „Wir werden für eine Erhöhung der Rundfunkbeiträge kämpfen“
06.06.2023

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk will den Beitrag ab 2024 erhöhen – trotz Gesamteinnahmen von über 8 Milliarden Euro im Jahr....

DWN
Immobilien
Immobilien US-Banken verkaufen eilig Gewerbeimmobilien-Kredite
06.06.2023

Auch wenn Kreditnehmer ihre Rückzahlungen pünktlich geleistet haben, wollen große US-Banken Hunderte von Millionen Dollar an...