Politik

Von der Leyen in Afghanistan: Ahnungslos am Hindukusch

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat bei ihrem Besuch in Afghanistan gesagt, sie müsse noch viel lernen und habe Respekt vor den Soldaten. Eigentlich müsste es umgekehrt sein: Eine Verteidigungsministerin sollte mehr wissen als die Soldaten – schließlich müsste sie eigentlich die Truppe führen. Doch in einer staatenlos gewordenen Politik ist nicht Fachkompetenz wichtig, sondern bedingungslose Loyalität zum System.
22.12.2013 14:38
Lesezeit: 3 min

Die alljährlich anrührenden Berichte von Politikerbesuchen in Afghanistan haben in diesem Jahr eine besondere Facette: Erstmals tritt mit Ursula von der Leyen eine Verteidigungsministerin auf.

Das gibt es für die Medien viel zum Gucken. Reuters schreibt:

„Bei ihrem ersten Besuch am Hindukusch gab sie sich betont zivil: Unter einem dunkelgrauen Wollmantel trug sie eine hellblaue Bluse mit grüner Strickjacke, eine dunkle Hose und schwarze Lederstiefeletten mit halbhohen Absätzen. Anders als ihre Vorgänger, die bei ihren Antrittbesuchen auch in die inzwischen aufgegebenen Camps in gefährlicheren Regionen geflogen waren, präsentierte sich von der Leyen weder mit Helm noch mit Schutzweste - beides ist im recht sicheren Feldlager in Masar-i-Scharif nicht nötig.“

Fehlt noch, dass erläutert wird, ob die Stiefel von Gucci und Strickjacke von Prada ist.

Fachlich bekennt die Ministerin in entwaffnender Offenheit, dass sie keine Ahnung von der Materie hat. Reuters weiter:

„,Man hat mich sehr warm und herzlich aufgenommen, dafür bin ich ausgesprochen dankbar‘, sagte die Ministerin am Sonntag, nachdem sie im Hauptquartier in Masar-i-Scharif mit deutschen Soldaten gefrühstückt hatte. ,Ich habe einen enormen Respekt vor der Aufgabe, weiß, dass ich viel zu lernen habe‘, fügte sie hinzu. Mit ihrem raschen Besuch bei der Truppe wolle sie zwei Tage vor Weihnachten auf deren Arbeit am Hindukusch hinweisen. ,Mir ist wichtig zu zeigen: Ich bin für die Soldatinnen und Soldaten da‘, betonte die CDU-Politikerin, die vor wenigen Tagen ihr Amt als erste deutsche Verteidigungsministerin angetreten hatte.

Sie hatte die vergangenen Tage genutzt, sich an die Besonderheiten ihres neuen Amtes zu gewöhnen - etwa die omnipräsenten und häufig unverständlichen Abkürzungen. Auch die Dienstgrade beherrsche sie noch nicht, schließlich habe sie nicht gedient. Die neue Ministerin versprach eine rasche Einarbeitung: ,Ich habe ja jetzt die Weihnachtszeit Zeit.‘“

Kein Unternehmer der Welt würde in einem so sensiblen Bereich wie der Verteidigung einen Abteilungsleiter installieren, der von der Materie nicht die geringste Ahnung hat. Wo es um Leben und Tod geht, sagt eine Politikerin, dass sie die Weihnachtszeit nützen werden, um sich einzuarbeiten.

Die Koalition hat zwei Monate lang mit insgesamt 70 Leuten über einem Koalitionsvertrag gebrütet, der nun einen Zweck verfolgt hat: Er sollte so schwammig formuliert werden, dass die CDU stillhält, die CSU eine Trophäe bekommt und die SPD-Mitglieder nicht merken, was gespielt wird – und daher zustimmen.

Würden sich diese Parteien wirklich für die Republik interessieren, hätten sie vereinbart, dass sich für die Schlüsselressorts Leute zwei Monate lange vorbereiten können – um dann im Falle einer Einigung fachkundig und einsatzbereit zu sein.

In Afghanistan braucht die Truppe keine fotogene Mutter der Kompanie, sondern endlich einen präzisen Rückzugs-Plan. Seit Beginn des Nato-Einsatzes ist in Afghanistan nur ein Erfolg zu vermelden: Das Land ist wieder Weltmarktführer in der Opium-Produktion (hier).

Der Einsatz soll 2014 zu Ende gehen. Derzeit sind noch rund 3100 deutsche Soldaten am Hindukusch stationiert. Die Nato will ihren Kampfeinsatz dort bis Ende 2014 abschließen. Folgen soll eine wesentlich kleinere Beratungs- und Ausbildungsmission, zu der Deutschland 600 bis 800 Soldaten entsenden will. Voraussetzung ist allerdings der Abschluss eines Truppenstatuts, dessen Unterzeichnung der afghanische Präsident Hamid Karsai verweigert. Die USA drohen deshalb mit dem vollständigen Abzug ihrer Truppen, mit dem die gesamte Mission hinfällig wäre. Im Norden Afghanistans, für den die Bundeswehr verantwortlich ist, hat sich die Sicherheitslage seit Beginn des Abzugs verschlechtert. Zahlreiche Opfer haben die Deutschen in diesem Krieg zu beklagen.

Die Ministerin hat ihrer bei der Visite gedacht.

Warum man den sinnlosen Einsatz nicht abbricht, Steuergelder spart und Menschenleben nicht mutwillig gefährdet - dafür gibt es allerdings keine Antworten, keine Strategien.

Mit der Bestellung einer sympathischen, aber ahnungslosen Ministerin hat die deutsche Politik das Niveau der internationalen Konzerne erreicht: Auch dort gibt es Söldner-Manager, die von einer Branche zur anderen springen – Wohlstands-Migranten am obersten Ende der Einkommens-Skala. Sie verbringen eine Zeit bei der Firma, haben nicht die geringste Ahnung vom  Geschäft, kassieren Abfindungen, und treiben ihr Unwesen dann anderswo.

Gesteuert wird das System von dem, was Steven Salomon schon vor Jahrzehnten das „staatenlose Kapital“ nannte, also jene riesigen Vermögen, die die Welt beherrschen, aber von niemandem mehr kontrolliert werden.

So gibt es dann am Ende auch Politiker-Söldner, die die Jobs erledigen, die ihnen das System zuteilt, eine Art staatenloser Politiker – gesinnungslos, ziellos und fremdbestimmt.

Um in Deutschland Verteidigungsminister zu werden, muss man keine Ahnung von militärischen Fragen haben: Sonst hätte man ja einen erfahrenen General ernennen können. Man will die Wehrpflicht abschaffen und durch ein Berufsheer ersetzen, um die Politik und die Exekutive der demokratischen Verankerung und Kontrolle zu entziehen.

Für den Posten eines Minister zählt in diesem Kontext nur eines: Bedingungslose Loyalität zur Bundeskanzlerin. Angela Merkel ihrerseits ist bedingungslos verankert in den diversen außerparlamentarischen Netzwerken, meist transatlantisch oder global.

Für die Medien bleibt daher nur noch die Beschreibung der Trümmer eines einst demokratischen Systems.

Lederstiefeletten statt Soldaten-Stiefeln.

Und sinnfreie Statements.

Wir müssen alle noch viel lernen.

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