In der chinesischen Führung spitzt sich der Machtkampf weiter zu. Am Dienstag wurde völlig überraschend der ehemalige Chef der kommunistischen Partei von Chongqing, Bo Xilai verhaftet. Er galt als einer der Hoffnungsträger in der kommunistischen Partei. In einem dürren Statement meldeten die staatlichen chinesischen Medien, dass Bo wegen „disziplinärer Verstöße“ aus seinen Ämtern entfernt wurde. Schon von einigen Monaten hatte ihn die Parteiführung als Chef des Kommunisten in der Mega-Stadt Chongqing abgesetzt. Über seinen Verbleib gibt es nur Spekulationen, mit einer Anklage wird gerechnet.
Auch Bo’s Frau, Gu Kailai, ist im Zug der offenkundigen Säuberung ins Visier der Staatsmacht geraten: Sie und ein Bediensteter des Hauses wurden verhaftet, weil gegen sie der Verdacht geäußert wurde, sie wäre in die Ermordung des britischen Geschäftsmanns Neil Heywood verwickelt. Der bizarre Fall liegt schon einige Monate zurück. Über den Tod von Heywood hatten die Chinesen unterschiedliche Versionen in die Welt gesetzt: Zunächst hieß es, er sei an „übermäßigem Alkoholkonsum“ gestorben, danach wurde behauptet, er sei einem Herzinfarkt erlegen. Der Fall wurde nicht weiter verfolgt. Heywoods Familie in London zeigte sich von den erhobenen Anschuldigungen fassungslos. Heywood arbeitete als Wirtschaftsberater für Bo.
Bo und seine Frau sind Kinder von anerkannten Helden der Revolution in China. Bo gilt als der vielleicht charismatischste Politiker Chinas. Er hatte sich jedoch mit seiner starken Selbstdarstellung bei der Führung unbeliebt gemacht. Beim jüngsten Volkskongress kritisierte Premier Wen Jiabao Bo, weil dieser eine Art Renaissance des Mao-Kults betrieb. Er gilt als der Sprecher einer neuen Linken in der kommunistischen Partei. In Chongquing war er als einen Art eiserner Herrscher aufgefallen, der auch nach Einschätzung von Kritikern zur Einhaltung von Ruhe und Ordnung zu drastischen Mitteln greifen konnte.
Frau Gu ist Unternehmerin und gilt als Strippenzieherin im Hintergrund.
Unmittelbar nach der Meldung berief die Führung eilig Parteisitzungen ein. Über den Microblogging-Dienst Weibo schilderten Parteimitglieder die Präsenz von Polizeifahrzeugen und hektische Aktivitäten der Partei, um die Lage unter Kontrolle zu halten.
Bo hat mindestens so viele Anhänger wie Feinde. Es ist zur Stunde noch völlig unklar, ob es zu weiteren Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten Gruppen kommen wird. Die Lage wird von Beobachtern als sehr angespannt beschrieben. Es ist die Rede, dass dies die schwerste Krise der Partei sei dem Aufstand am Platz des Himmlischen Friedens im Jahre 1989 sei.
Die Machtkämpfe spielen sich im Vorfeld eines historischen Generationswechsels ab: Xi Jinping soll die Parteiführung von Hu Jintao übernehmen.