Technologie

BGH: Miet-Autobatterien dürfen nicht aus Ferne abgeschaltet werden

Lesezeit: 2 min
26.10.2022 14:52
Darf der Vermieter einer Batterie die Lademöglichkeit aus der Ferne per digitalem Zugriff sperren? Darüber haben nun Deutschlands oberste Zivilrichter entschieden.
BGH: Miet-Autobatterien dürfen nicht aus Ferne abgeschaltet werden
Dürfen gemietete Autobatterien aus Ferne abgeschaltet werden, sodass man sie nicht mehr aufladen kann? Der BGH sagt nein. (Foto: dpa)
Foto: Julian Stratenschulte

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Vermieter von Batterien für Elektroautos dürfen diese laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) nach einer Vertragskündigung nicht per digitalem Fernzugriff abschalten. Die Karlsruher Richter erklärten eine entsprechende Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) am Mittwoch für unwirksam (Az. XII ZR 89/21). Experten sprechen von einem richtungsweisenden Urteil. Nach Einschätzung des ADAC ist die Thematik im Moment zwar nicht von allzu großer Bedeutung, könnte es aber wieder werden.

Mit dem Abschalten der Batterie sei das gesamte Auto nicht mehr nutzbar, sagte der Vorsitzende Richter des zwölften Zivilsenats, Hans-Joachim Dose, bei seiner letzten Urteilsverkündung vor dem Ruhestand. Das könne etwa bei einem beruflich genutzten Fahrzeug zu einem Problem werden. Der Mieter habe auch keine Möglichkeit, die Batterie durch ein anderes Fabrikat auszutauschen. Die Klagelast werde wiederum ganz auf den Mieter abgewälzt. Das sei eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher, betonte Dose.

Die AGB der Bank des französischen Autoherstellers Renault (RCI Banque) sahen den Angaben nach vor, dass bei einem außerordentlichen Vertragsende die Wiederauflademöglichkeit für die teuren Batterien gesperrt werden kann. Darüber wurden Kunden mit 14 Tagen Vorlauf informiert, womöglich in einem Zug mit der Kündigung.

Die Bank hatte sich darauf berufen, infolge einer wirksamen Kündigung ihre vertraglich zugesicherte Leistung dann auch einzustellen. So verhindere sie, dass die teure Batterie wieder aufgeladen wird. Denn das mindere deren Ladekapazität - und somit ihren Wert.

Die Verbraucherzentrale Sachsen hingegen monierte, Mieter würden unangemessen benachteiligt. Die bisher mit dem Fall befassten Gerichte in Düsseldorf hatten das ähnlich gesehen und die Nutzung jener AGB-Klausel untersagt. Dagegen ging die Bank nun am BGH vor.

Aus Sicht der Verbraucherschützer steckt in dem Urteil eine grundsätzliche WeichEnstellung für ähnlich gelagerte Sachverhalte. „Denn im Zuge von zunehmenden technischen Möglichkeiten ist ein digitalisierter Fernzugriff nun nicht mehr rechtskonform, wenn eine Sperrung in ihrer Wirkung über das eigentliche Mietobjekt hinausgeht“, hieß es in einer Mitteilung. Alles andere wäre besonders im Fall einer unberechtigten außerordentlichen Kündigung durch den Anbieter für Verbraucher besonders folgenschwer und nicht hinnehmbar. Und die Praxis zeige zu oft, dass die Gründe für eine außerordentliche Kündigung objektiv nicht vorlägen.

Prof. Şahin Albayrak von der TU Berlin und Experte für künstliche Intelligenz und Digitalisierung erklärte: „Das heutige Urteil bedeutet einen wichtigen Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit für die Elektromobilität insgesamt.“ Es unterstreiche die juristische Gleichstellung von Nutzern von elektrisch betriebenen Fahrzeugen mit Autofahrern, die weiter auf herkömmliche Antriebsarten setzen.

„Das Urteil belegt damit in gewisser Weise die Demokratisierung einer neuen Technologie, die in den kommenden Jahren unseren Verkehr von Grund auf verändern wird“, teilte Albayrak mit. Mit der zunehmenden Ausweitung auch der autonomen Fahrzeugtechnologie dürften nach seiner Einschätzung zahlreiche Gerichtsentscheidungen folgen, die die Art und Weise, wie Menschen Autos nutzen, definieren werden.

Nach Angaben des ADAC werden aktuell keine neuen E-Autos mit Batteriemiete angeboten. „Renault hatte dieses als letzter Anbieter Ende 2020 abgeschafft“, hatte ein Sprecher anlässlich der Verhandlung mitgeteilt. Demnächst werde es das aber wohl wieder bei chinesischen und vietnamesischen Herstellern geben, unter anderem mit einem Batteriewechselkonzept. Wie häufig die Klausel zur Fernabschaltung angewendet wurde, kann der Autoclub nicht beurteilen. (dpa)


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...